Die Altersdiskriminierung, ein Experiment und wie Ageism Innovation schadet

Die Altersdiskriminierung, ein Experiment und wie Ageism Innovation schadet


Ich hatte der Tage ein interessantes Gespräch mit einem Unternehmensberater, der u.a. in einer privaten Universität wirkt.

Die Altersdiskriminierung, ein Experiment und wie Ageism Innovation schadet

Von Dr. Naftali Neugebauer

Wir stellten rasch die verschiedenen Problemlage für Unternehmen fest, u.a. eben die mangelhafte Diversity. Weniger im Sinne des Genderism – keine Frage sollen Frauen nicht diskriminiert werden: es ist sowohl moralisch, gesetzlich als auch ökonomisch geboten – sondern Ageism.

Dies stellten wir über die Hintertüre fest, dass fast alle Unternehmen den Fachkräftemangel beklagen und es an qualifizierte Experten fehle, aber auf der anderen Seite Menschen, egal ob Mann oder Frau, und egal wie hoch qualifiziert sie sind, keine Arbeit finden und sich so, oft ungewollt, in die Selbständigkeit flüchten müssen (mit wenig Aussichten auf Erfolg): Altersarmut ist so vorprogrammiert.

Uns erschien es sehr widersinnig, dass Unternehmen entgegen der ökonomischen und gesetzlichen Ratio agieren. Es kann nur irrationale Motive geben: Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen +50. Kein schöner Befund.

Ein kleiner HInweis in Statsitiken mag genügen, ohne das Fakt der Alterdiskriminierung nun umfänglich auszuführen, denn jeder weiß, es gibt die Altersdiskriminierung: „In der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten in der Mitte der 2000er Jahre 41 % der Betriebe keine Mitarbeiter, die älter als 41 Jahre sind. Die Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) betrug damals lediglich 41,2 %„, so zusammengefasst eine Erkenntnis des 5. Altenbericht der Bundesregierung aus 2005 auf Wikipedia.

Wenig hat sich wohl daran geändert. Und der Nordisk Ministerrad stellt 2004 zu den Mythen über ältere Arbeitnehmer fest: “ Die Wettbewerbsfähigkeit der Senioren liegt insbesondere darin, dass

  • die Unternehmen geringere Kosten für Nach- und Weiterbildung von Senioren haben,
  • die Unternehmen geringere Kosten für krankheitsbedingte Ausfälle von Senioren haben,
  • die Senioren bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern in einer Vielzahl von Bereichen in höherem Maße die vom Unternehmen nachgefragten Kompetenzen besitzen als ihre jüngeren Kollegen. Bei der Rekrutierung neuer Ingenieure befinden sich zwei der Kernkompetenzen von Senioren unter den Top drei der am meisten nachgefragten Kompetenzen der Unternehmen.„

 

So sollte eigentlich, würden Unternehmen rein der ökonomischen Vernunft folgen, gerne und freudigst ältere Arbeitnehmenr anstellen wollen. Ja, sie sogar pro-aktiv suchen. Tun sie aber nicht. Es muss wohl an den Vorurteilen gegenüber älteren Menschen liegen, was natürlich niemand derart platt und glatt zugeben würde.

Ein zweiter Aspekt tut sich aus rechtlicher Sicht auf. Hier nicht gemeint, dass der ältere Arbeitsplatzbewerber auf Diskriminierung nach dem Antidiskriminierungsgesetz klagen könnte, sondern die Klage nach dem Gesellschaftsrecht, die auch nicht vom Jobbewerber geführt wird: Ein Geschäftsführer ist gegenüber den Shareholdern bzw. Gesellschaftern verpflichtet, für die GmbH oder AG beispielsweise, maximalen Profit und Effizienz zu erwirtschaften.

Tut er dies nicht, macht er sich straf- und belangbar. Augenscheinlich sagt die gesamte Forschung aus, dass ältere Arbeitnehmenr sogar besonders profitabel für ein Unternehmen seien. Hier kann ein Geschäftsführer sehr rasch in eine sehr unangenehme Lage kommen.

Zusammenfassend: Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer nicht anstellen, handeln ökonomisch nicht sinnvoll, suchen die under-performance, die sie aber gerne dem Kunden als super-performance voll verrechnen und Geschäftsführer bringen sich in eine rechtliche Schieflage gegenüber ihren Shareholdern.

Das Selbstexperiment

Zeit für eine teilnehmende, praktische Beobachtung und Experiment. Ich habe nun Bewerbungen an Unternehmen geschickt. Ich kann einen sehr beeindruckenden Lebenslauf vorweisen mit Auszeichnungen, Zusatzqualifikationen, nachweisbaren Achievements, Mehrsprachigkeit, technische Kompetenzen etc. pp.

Das Experiment läuft noch, brachte aber schon erste erstaunliche Mails hervor.

So schrieb eine sehr bekannte Werbe- und Kommunikationsagentur aus Berlin/Dresden, die einen New Business Manager sucht, nachdem ich in Reaktion auf das erste Ablehnungsschreiben sehr direkt und plump nach der Alterdiskriminierung gefragt habe. Da kam dann folgende Antwort: „… keine Sorge. Wir gucken nie nach dem Alter. Wir haben durchaus gesehen, dass du eine Bandbreite an Erfahrung mitbringst. Wir die aktuelle Stelle des New Business Managers wäre all diese Erfahrung nicht einsetzbar genug. Du kannst viel mehr als die Stelle hergibt. Dies bedauern wir sehr. Denn damit entsteht leider keine Zusammenarbeit zum jetzigen Zeitpunkt.“ (mit allen Fehlern zitiert).

Wie das beim Lesen eines CV möglich sei, nicht nach dem Alter „zu gucken“, möchte ich einmal dahingestellt lassen, zudem man ja im nächsten Satz dieses „Gucken“ einräumt.

Augenscheinlich will das Unternehmen nicht erfolgreich sein, will die Altersdiskriminierung nicht eingestehen und sucht daher die Flucht in der Argumentation von der Überqualifizierung: Da kann man nur sehr trocken entgegnen:

Man kann mit einem Ferrari oder SUV jenseits der 300 PS auch vernünftig im Stadtgebiet mit 50 km/h fahren. Diese große Agentur legt also eher die Mentalität eines Minderleisten-Wollers an den Tag und bevorzugt lieber under-performende Mitarbeietr statt over-performende.

Sicher wird es mein Netzwerk interessieren, welche Agenturen eher weniger leistungsorientiert sind und welche nicht. Solche Ansagen und dann auch noch grammatikalisch desaströs vorgetragen – dies drückt weder Wertschätzung noch Sorgfalt oder Kompetenz aus – lassen nur mehr wenig Raum für Interpretation.

Oder Formulierungen wie diese haben, sie stammt von einem bekannten Headhunter&Karriereberater, mich besonders gereizt und stehen gerade auf dem Prüfstein. In ihrer Hohlheit verraten sie sich selbst: „Obwohl wir von deinen Qualifikationen einen durchaus positiven Eindruck erhalten haben, müssen wir dir leider mitteilen, dass wir uns aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen auf andere Kandidaten konzentrieren werden, deren Profile unseren Anforderungen in besonderer Weise entsprechen. “

Die „besondere Weise“ zu erfahren, wird spannend bleiben, denn die Qualifikationen sind ja gegeben und werden ausdrücklich eingeräumt, wie man schreibt. Sie, diese „besondere Weise“, kann nur im Alter liegen. Die bloße Quanität der Mitbewerber ist per se kein Aus- noch Einschlußkriterium, sondern schlicht sachfremd.

Ein anderer Textbaustein, diesmal von einem sehr großen und namhaften Start-up aus Berlin, hat sich gleich selber in diese Sackgasse manövriert und man darf gespannt sein, wie es da raus steuert, denn es sagt klar, nein es lag nicht an „Deinen Qualifikationen“… da bleibt nur mehr wenig Raum für andere Begründungen: „Nach einer sorgfältigen Prüfung Deiner Unterlagen müssen wir Dir leider mitteilen, dass wir Dich nicht in die engere Auswahl einbeziehen können. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, denn oft sind es nur Nuancen die hier den Ausschlag geben. Bitte verstehe dies deshalb nicht als Abwertung Deiner Qualifikationen.“

Ich werde dies lose fortsetzen und mit den Antworten aktualisieren. Aber es zeigt sich deutlich: Alterdiskriminierung – zum Schaden des Unternehmens – existieren und es müssen gegen diese Form der Diskriminierung endlich Exempel statutiert werden, denn die größten Hindernisse für Innovation sind eben Diskrimierung, Ineffizienz und double standards.

Dies haben Unternehmen gelernt bzw. sind dabei es zu lernen in Hinsicht auf Gender, nun müssen sie es lernen in Bezug auf Age, denn Diskriminierung ist gegen ökonomische Vernunft und behindert Innovation. Da ich gegen Quoten bin, muss man solche Unternehnmen outen und es den Kräften des Marktes überlassen, die under-performance und Diskriminierung nicht schätzen … jetzt soll mal nur ein Warnschuss gesetzt werden.

Link:

 

Foto: Aktive Senioren bei einer Demonstration der Gewerkschaft verdi (Foto: By selber erstellt [Copyrighted free use], from Wikimedia Commons)


Autor: Dr. Naftali Neugebau
Bild Quelle: By selber erstellt [Copyrighted free use], from Wikimedia Commons


Donnerstag, 04 Oktober 2018

Waren diese Infos wertvoll für Sie?

Sie können uns Danke sagen. Geben Sie einen beliebigen Betrag zurück und zeigen Sie damit, wie viel Ihnen der Inhalt wert ist.




weitere Artikel von: Dr. Naftali Neugebau

Folgen Sie und auf:


meistgelesene Artikel der letzten 7 Tage