Henryk M. Broder: Stange halten und den Rücken stärken

Henryk M. Broder:

Stange halten und den Rücken stärken


Es passiert nicht oft, aber wenn es doch mal passiert und ein Minister, ein Landrat, ein Beamter oder sonst ein Funktionsträger zurücktritt, das heißt zurückgetreten wird, weil er aufgrund der Umstände nicht zu halten ist, dann werden erst einmal seine enormen Verdienste gerühmt, was er alles geleistet und vollbracht hat, wie beliebt er war und wie sehr man ihn vermissen wird.

Stange halten und den Rücken stärken

Von Henryk M. Broder

Was dabei nicht gesagt wird: Wenn der/die Betroffene so toll war, warum lässt man ihn/sie dann gehen?

Genau das ist dem Direktor des JMB (Jüdisches Museum Berlin) passiert. Er trat zurück. Der Anlass war eine Bagatelle: Ein Tweet des JMB, der sich seinerseits auf einen taz-Beitrag über BDS bezog. Das war aber nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ein Bauernopfer, um weiteren Schaden vom Museum abzuwenden.

Nun gibt es eine neue „Pressemitteilung des Stiftungsrates der Stiftung Jüdisches Museum Berlin" zu der Causa „JMB oder: Wir machen weiter“. Die Überschrift lautet:

Der Stiftungsrat und Staatsministerin Prof. Monika Grütters stärken dem Jüdischen Museum Berlin den Rücken

Das ist saukomisch, beinah so komisch wie der Satz einer Spielerfrau, die auf die Frage, was die Spielerfrauen während eines Fußballspiels machten, antwortete: „Wir halten unseren Männern die Stange!"

Etwas Ähnliches muss wohl gemeint sein, wenn der Stiftungsrat der Stiftung Jüdisches Museum und Staatsministerin Prof. Monika Grütters gemeinsam bekannt geben, sie würden dem Jüdischen Museum „den Rücken stärken“. Bei dieser Gelegenheit „dankte“ der Stiftungsrat „Professor Peter Schäfer ausdrücklich für seine Arbeit in den zurückliegenden Jahren und wünschte ihm persönlich alles Gute“.

Wer sich bei irgendjemand für irgendetwas „ausdrücklich“ bedankt, und sei es nur dafür, dass er seinen Job gemacht hat, der bringt es auch fertig und wünscht ihm „persönlich“ alles Gute. Und zwar ausdrücklich, nicht etwa beiläufig. Dazu passt auch, dass Staatsministerin Grütters sich „immer wieder aktiv darum bemüht“ hat, „das JMB vor Unterstellungen und unberechtigter Vereinnahmung zu schützen“. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sich die Staatsministerin lediglich „passiv“ darum benüht hätte, das JMB zu schützen.

Der stalinistische Sound der Erklärung – Der Stiftungsrat hat sich zugleich geschlossen hinter das JMB gestellt und alle Vorwürfe, das JMB verfehle seine Stiftungsziele oder hätte seine inhaltliche Richtung verloren, zurückgewiesen – macht deutlich, was der Stiftungsrat der Anstalt von Kritik hält, nichts bis gar nichts. Genau genommen will das JMB auch kein jüdisches Museum sein, allenfalls ein Mausoleum der jüdischen Geschichte in der Diaspora, ein virtueller Friedhof. Außerdem will es „produktive Unruhe in die Gesellschaft tragen“, ausdrücklich und aktiv.

 

Erstveröffentlicht bei der Achse des Guten - Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. - Foto: Jüdisches Museum Berlin


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Wikimedia


Sonntag, 23 Juni 2019