Gedenken an den 9. November 1938: Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus München

Gedenken an den 9. November 1938:

Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus München


München gedachte auch an diesem 9. November der jüdischen Münchnerinnen und Münchner, die im Novemberpogrom 1938 und in den darauf folgenden Jahren entrechtet, deportiert und ermordet wurden.

Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus München

München gedachte auch an diesem 9. November der jüdischen Münchnerinnen und Münchner, die im Novemberpogrom 1938 und in den darauf folgenden Jahren entrechtet, deportiert und ermordet wurden. Am 81. Jahrestag der Pogromnacht sprachen Oberbürgermeister Dieter Reiter und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch; der Jurist, Philosoph und Publizist Prof. Dr. Dr. Michel Friedman hielt die Gedenkrede.

Gedenken an den 9. November 1938

Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus

Mit Oberbürgermeister Dieter Reiter, Prof. Dr. Dr. Michel Friedman und IKG-Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch

München, 9.11.2019. München gedachte auch an diesem 9. November der jüdischen Münchnerinnen und Münchner, die im Novemberpogrom 1938 und in den darauf folgenden Jahren entrechtet, deportiert und ermordet wurden. Am 81. Jahrestag der Pogromnacht sprachen Oberbürgermeister Dieter Reiter und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch; der Jurist, Philosoph und Publizist Prof. Dr. Dr. Michel Friedman hielt die Gedenkrede.

Am historischen Ort, von dem aus vor 81 Jahren mit der Hetzrede von Joseph Goebbels die reichsweiten Novemberpogrome initiiert wurden, fand heuer erneut die zentrale Gedenkfeier zum 9. November 1938 statt. 

Michel Friedmans zentrale Gedenkrede trug den Titel "Die Würde des Menschen ist unantastbar". 

Sowohl Oberbürgermeister Dieter Reiter als auch die Präsidentin der Kultusgemeinde Charlotte Knobloch gingen in ihrem Gruß- bzw. Schlusswort auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation ein und wiesen auf die Gefahren hin, die das Erstarken rechtsradikaler Kräfte und ein wieder aufflammender Antisemitismus mit sich brächten.

Oberbürgermeister Dieter Reiter verwies zunächst auf einen jüngst erschienen Zeitungsbeitrag von Michael Brenner, Professor für jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität, mit dem Titel "Packen wir die Koffer?". Die "regelmäßig enttäuschten Hoffnungen" und "gerade in letzter Zeit zunehmend schwindende Zuversicht" der jüdischen Gemeinschaft, die darin behandelt würden, seien vor dem Hintergrund der aktuellen Lage eine nachvollziehbare Reaktion, erklärte der Oberbürgermeister: "In Anbetracht der Vielzahl alltäglich gewordener antisemitischer Straftaten wie Schmierereien, Drohmails, offenen Beleidigungen und hetzerischer Propaganda, aber auch Beschädigungen jüdischen Eigentums und körperlichen Angriffen auf Jüdinnen und Juden ist diese Reaktion nur allzu verständlich."

Reiter verwies auch auf Äußerungen von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die im Sommer ein zunehmend von Hass durchdrungenes gesellschaftliche Klima beklagt hatte: "Das sind bittere Worte aus dem Mund der Münchner Ehrenbürgerin, die selbst immer wieder Wert darauf gelegt hat zu betonen, dass sie die sprichwörtlichen Koffer spätestens mit der Grundsteinlegung für die neue Münchner Hauptsynagoge und das Jüdische Gemeindezentrum am 9. November 2003 ausgepackt habe."

Dafür einzutreten, dass die Grundlagen dieses Miteinanders gewahrt blieben, sei heute wichtiger denn je, so der Oberbürgermeister weiter. "Wie dringend nötig das ist, hat nicht nur der Terror von Halle gezeigt, sondern beispielsweise auch eine aktuelle Studie des Jüdischen Weltkongresses zum Antisemitismus in Deutschland, wonach (…) ein Viertel der Deutschen antisemitische Gedanken hegt."

In Bezug auf die Pogromnacht des 9. November betonte Reiter, die Angriffe seien "ein Akt von verordnetem Staatsterror" gewesen, "der eben gerade nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit verübt wurde, sondern ganz bewusst unter deren Augen und Einbeziehung." Widerstand, gar einen Aufschrei dagegen habe es nicht gegeben.

Diese Untätigkeit dürfe sich nicht wiederholen, so Reiter abschließend. Mit der heutigen Gedenkveranstaltung wolle man "unseren entschiedenen Willen bekräftigen, gemeinsam und mit all unserer Kraft und Überzeugung gegen jedwede Form von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anzukämpfen." Der Ausspruch von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, "Wir sind hier, und wir bleiben hier!" sei Ausdruck eines festen Willens, der "niemals wieder ins Wanken" geraten dürfe.


Charlotte Knobloch, IKG-Präsidentin und Beauftragte für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress, dankte in ihrem Schlusswort den Vorrednern. Gerade Prof. Dr. Dr. Friedman sei in seiner Gedenkrede "mehr als klar" gewesen in seiner Botschaft: " Der Judenhass, den wir erleben, ist eine wachsende Gefahr – für die ganze Gesellschaft."

Knobloch erinnerte daran, dass es auch am 9. November 1938 vor allem die mangelnde Gegenwehr der breiten Gesellschaft gewesen sei, die das NS-Regime ermutigt habe, mit der Verfolgung und später systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung fortzufahren: "An diesem Tag erkannten die Nationalsozialisten, dass sich ihnen selbst bei brutalster Gewalt gegen die jüdische Gemeinschaft niemand in den Weg stellen würde." Schon die Errichtung des NS-Staates sei "nur möglich geworden, weil die Demokraten die Gefahren zuvor lange unterschätzt, kleingeredet oder ausgeblendet hatten – bis es schließlich zu spät war."

Diese Gefahr sehe sie in der Bundesrepublik heute nicht, betonte Knobloch. "Anders als zu Weimarer Zeiten konnte sich nach 1949 erfolgreich eine demokratische Tradition etablieren, die auf der Menschenwürde als zentraler politisch-moralischer Idee basiert." Dieses Prinzip sei bis heute "der Dreh- und Angelpunkt unserer Demokratie und Gesetz gewordenes 'Nie wieder'."

Das konstante Anwachsen von Hass, Extremismus und Antisemitismus beweise jedoch, "dass sich in unserem Land etwas in eine grundlegend falsche Richtung entwickelt". Dieselben Entwicklungen seien auch für die zunehmende Verunsicherung unter der jüdischen Gemeinschaft verantwortlich. Knobloch verwies dabei indirekt auch auf die AfD, die "aus den Parlamenten heraus die Arbeit der demokratischen Parteien untergräbt".
Umso wichtiger, so die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden weiter, sei es angesichts all dessen, aktiv gegen die Bedrohungen des friedlichen Zusammenlebens einzustehen. "Die berühmten Worte Primo Levis, dass, was einmal geschehen ist, auch erneut geschehen kann, sind heute mehr als nur eine zutreffende Beobachtung. Sie sind uns eine deutliche Warnung – oder müssen dies zumindest sein."

Dabei nahm Knobloch die Gesellschaft ausdrücklich in die Pflicht: "Heute vor 81 Jahren haben wir gesehen – und habe ich erlebt – wohin es führt, wenn die Demokratie nicht demokratisch verteidigt wird und wenn die Mehrheit einer bedrängten Minderheit nicht zur Seite steht." Politisches Handeln allein sei zwar notwendig, für sich genommen aber noch nicht ausreichend: "Niemand in unserem Land kann seine Hände in Unschuld waschen, wenn Menschen in Angst leben müssen."

Knobloch zitierte abschließend aus einem Interview von Anfang Oktober, in dem Prof. Dr. Dr. Friedman erklärt hatte, Ereignisse wie in Halle seien "Angriffe auf die Grundsubstanz der Demokratie". 81 Jahre nach dem Novemberpogrom, so der Appell der IKG-Präsidentin, "kämpfen wir erneut um diese 'Grundsubstanz der Demokratie'. Niemand von uns kann sich dieser Verantwortung entziehen. Aus praktischer Erinnerung muss tatkräftiges Handeln werden", und "aus dem Versprechen des 'Nie wieder' ein Land, in dem die Schrecken der Vergangenheit genau eines sind: Vergangen."


Autor: IKG
Bild Quelle:


Samstag, 09 November 2019

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