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Rückblick auf den Grünen-Parteitag: Totentänze

Rückblick auf den Grünen-Parteitag:

Totentänze


Im Emotie-Sortiment von WhatsApp befindet sich ein Gelbköpfchen, das vor lauter Übelkeit giftgrüne Gülle kotzt.

Totentänze

Von Shanto Trdic

Das passt zum Thema. Am 17.11. ging der Parteitag von Bündnis 90 / GRÜNE zu Ende. Es war einer, der denen, die sich die Konkurrenz leistet, in nichts nachstand. Wiewohl das ´Event´ in der Bielefelder Provinz abgehalten wurde, zielte es doch auf ganz großes, blähbrünstig aufgedunsenes Erlebnis-Kino. Inszeniert wie eine Oscar-Preisverleihung, standen die Preisträger von Anfang an fest. Der Robbi und die Lena halt. Wer sonst? Letztere ließ sich mit einer Zustimmung im Amt bestätigen, die den Ergebnissen des in Hochmut und Würden ergrauten Politbüros der untergegangenen DDR gleicht. Nur ein gewisser Martin Schulz toppte das mal, aber nach dem kräht jetzt auch keine Henne mehr. Den schaulaufenden Einsatz der kuschelgrünen Doppelspitze schmälerte kein einziger Zwischenruf. Von einem Materialaufwand begleitet, der an Produktionen angelsächsischer Traumfabriken erinnert, sorgte die unvermeidliche Großleinwand im Hintergrund für animatorische Rundumberieselung. Peinlicher Tiefpunkt der ganzen Veranstaltung: der Auftritt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten. Kretschmann, staatsmännisch aufgeräumt wie eh und je, machte klar, dass mit ihm und den seinen unbedingt zu rechnen ist. Die werden es uns allen noch so richtig zeigen.

Alternativlos wie die Führungsspitze blieb auch das schlagwortartig heruntergenudelte Themensortiment. Klima, Umwelt – Nachhaltigkeit. Dazu eine Prise sozialen Engagements, für die der nette Habeck zuständig blieb. Die anschließende Jubelsause kam rüber, als habe gerade eine Revolution stattgefunden. Angeblich sei in Bielefeld auch über strittige Punkte debattiert worden, wovon freilich in der zur Hofberichterstattung heruntergekommenen medialen Aufarbeitung wenig bis nichts zu sehen oder hören war. Am Ende schwenkte die quotengerecht versammelte Parteibonzokratie bunte Fähnchen. Der Saal tobte. Wahrlich ein Akt der Befreiung und Befriedung. In summa ähnelte die Hype den vom Blitzlichtgewitter überblendeten Promi-Galas unserer Tage. Jenseits begleitender Show-Effekte bleibt da nur das Gekreische der Fans übrig. Wie in Bielefeld auch. Der reibungslose Ablauf der Hochglanz-Schmiere genoss oberste Priorität. Den Rest kannten wir schon. Habeck und Baerbock hatten eben jenseits der üblichen Allgemeinplätze wenig zu bieten. Kein einziger durfte ernsthaft in Frage gestellt werden. Merke: Die Partei hat immer Recht.

Es ist gar nicht so lange her, da liefen Parteitage ganz anders ab. Da wurde gerauft und gerungen, gestritten und gegeifert; und oft entlang inhaltlicher Schwerpunkte, die denen der Spitze keck widersprachen. Da wurde folgerichtig auch um jede Wendung, jedes Wörtchen gefeilscht. Und immer wieder auch die Machtfrage gestellt. Bei den GRÜNEN sowieso. In meiner Kindheit boten deren Zusammenkünfte noch echte Highlights basisdemokratischer Ringkämpfe. Ganz gleich, wie man zu den Inhalten und Überzeugungen derer stand, die sie mit so viel Herzblut verfochten: es ging zur Sache, und das zählte. Zu ernsthaften Grundsatzdebatten kam es ferner bei Union und SPD, und vor meiner Zeit soll das auch zwischen Jungen Demokraten und reaktionären FDP-Oberen üblich gewesen sein. Seltsam, dass von denen, die aufgrund ihres Alters locker den Vergleich herstellen könnten, keiner mehr auf die Idee kommt, die Anzeichen des Schwunds zu beanstanden oder nur zur Kenntnis zu nehmen. Nun mag man behaupten, dass die entsprechenden Kontroversen mittlerweile sowohl parteiübergreifend als auch intern in den Krawallformaten des Fernsehens ausgetragen werden; das hier sozusagen ein ´Outsourcing´ stattgefunden habe. Aber was wird dort tatsächlich auf, – oder abgearbeitet? Führt die vielzitierte Political Correctness, die das erwähnte Affentheater recht eigentlich hintertreibt, nicht in Wahrheit zu noch mehr Konformität und Gleichtakt? Tatsächlich haben sich die großen Trennlinien, denen unsere alten Volksparteien die eigenen, unverwechselbaren Konturen verdankten, längst aufgelöst. Was übrig bleibt ist, mit Verlaub: nur tagespolitischer Hühnermist. Damit kann man anderen die Nase verderben. Ein großer, auf Erträge zielender Acker lässt sich damit nicht mehr düngen.

Von der seinerzeit oft als lähmend empfundenen Theorielastigkeit befreit, aber auch der zeitgeistfernen Überzeugungen und Prinzipien ledig, wird Politik jetzt immer austauschbarer, also beliebig in der Sache und belanglos im Ergebnis. Daher wenden sich so viele Menschen von ihr ab. So erklärt sich auch der Aufschwung vermeintlicher Rechtspopulisten, die wieder mehr Schwung und Bewegung in den Laden bringen und von den Etablierten solange geschnitten werden, bis man an ihnen doch nicht mehr vorbeikommen kann. Vielleicht wird Politik dann wieder etwas interessanter, als sie es jenseits der üblichen Possen derzeit sein kann. Bis dahin bleiben die aufwendig aufbereiteten Parteitage der im Bundestag vertretenen Parteien Totentänze, die deren Niedergang mit viel Getöse begleiten.


Autor: Dr. Nathan
Bild Quelle:


Donnerstag, 21 November 2019