Israel im Corona-Modus: Ihr müsst zuhause bleiben!

Israel im Corona-Modus: Ihr müsst zuhause bleiben!


Israel hat schneller und konsequenter auf das Corona-Virus reagiert als als alle Länder außerhalb Asiens. Nun kommt auch in die erstarrte Politik Bewegung.

Israel im Corona-Modus: Ihr müsst zuhause bleiben!

Von Thomas M. Eppinger

Angesichts des derzeit alles überschattenden Themas wirkt es beinahe surreal, was uns noch vor kurzem beschäftigt hat. Zum Beispiel, wer die nächste Regierung in Israel bilden würde. Doch das Virus löst die bestehenden Aufgaben nicht ab, es überlagert sie nur, und nichts kann Israel in dieser schwierigen Zeit weniger brauchen als einen vierten Wahlgang. So scheint nun ausgerechnet die Corona-Krise die längst überfällige Bewegung in die Politik zu bringen.

Denn auch die dritte Wahl hatte die Pattstellung nicht aufgehoben. Das Dilemma der Blau-Weißen unter Benny Gantz: „Gegen Netanjahu“, ist zwar ein taugliches Wahlkampfthema, als Regierungsprogramm ist es zu wenig. Die 61 Abgeordneten, die Gantz unterstützen, sind politisch sehr viel weiter auseinander als Gantz und Netanjahu. Unter der Vereinigten Arabischen Liste gibt es „Terror-Verherrlicher, Islamisten, rassistische Agitatoren und Vertrauenspersonen der feindseligen Autonomiebehörde“, wie Ulrich W. Sahm schreibt, und deshalb sei es „undenkbar, ihnen als Minister alle Militärgeheimnisse oder gar die Methoden der Terrorbekämpfung des Geheimdienstes Schin Beth anzuvertrauen“.

Ganz abgesehen davon, dass Gantz im Wahlkampf immer wieder versprochen hatte, keine Regierung mit der Joint-List zu bilden, hätte auch der säkulare Rechtsaußen Avigdor Lieberman gegenüber seinen Wählern ziemlichen Erklärungsbedarf, eine solche Regierung zu unterstützen. So war bereits klar, dass Gantz ohne Netanjahus Likud keine Regierung zustande bringen würde, als ihn Präsident Reuven Rivlin verfassungsgemäß mit der Regierungsbildung beauftragte.

Nun erklärte Gantz am Donnerstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Kanal 12, er würde es nicht ausschließen, in einer Koalition unter der Führung von Premierminister Benjamin Netanyahu zu sitzen und sei bereit, sich einer Einheitsregierung anzuschließen. Haaretz berichtete, dass Gantz wenn nötig auch die Spaltung der Blau-Weiß-Partei in Kauf nehmen würde – ein Szenario, das aufgrund der heftigen internen Meinungsverschiedenheiten nicht unwahrscheinlich ist.

Im Wesentlichen geht es nun nur noch um die Dauer der Amtsperiode Netanjahus und die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Amtsübergabe, bis Gantz das Amt des Premierministers übernehmen soll. Lösbare Themen, wie es scheint, und dann sollte einer stabilen, von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung getragenen Regierung nichts mehr im Weg stehen.

Jetzt ist es ein Befehl – Ihr müsst zu Hause bleiben!

Am selben Tag verkündete Benjamin Netanjahu, dass die bisherigen Verhaltens-Empfehlungen zur Eindämmung der Epidemie ab nun Gesetz seien. „Netanjahu sagt den Israelis: Jetzt ist es ein Befehl – Ihr müsst zu Hause bleiben“, titelt Times of Israel und zählt auf, für welche Aktivitäten die Israelis ihr Zuhause noch verlassen dürfen:

  1. Zur Arbeit gehen und zurückkommen;
  2. sich mit Lebensmitteln, Medikamenten und notwendigen Produkten eindecken und wesentliche Dienstleistungen beziehen;
  3. medizinische Behandlung erhalten;
  4. Blut spenden;
  5. Teilnahme an Demonstrationen;
  6. Unorganisierte sportliche Aktivitäten in Gruppen von nicht mehr als fünf Personen;

Spaziergänge für kurze Zeit und zu einem Ort in der Nähe des Wohnsitzes der Person, ohne sich Menschen zu nähern, mit denen sie nicht zusammenlebt.

Zu einer Hochzeit, Beerdigung oder zum Gebet gehen;

Hilfe für eine Person, die aufgrund ihres Alters, ihrer Krankheit oder einer Behinderung Unterstützung benötigt;

Ausgehen für ein lebenswichtiges Bedürfnis, das in den Punkten 1-9 nicht angegeben ist.

So massiv diese Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auch sind, bezeugt man mit den Punkten 5 und 8 den individuellen Bürgerrechten Respekt.

Israel als Vorbild für Österreich

Israel hat schneller und konsequenter auf die Corona-Bedrohung reagiert als alle anderen Länder außerhalb Asiens und diente damit auch dem österreichischen Kanzler als Vorbild, wie Rainer Nowak in der österreichischen Tageszeitung Die Presse schreibt:

„Es war übrigens Benjamin Netanjahu, Israels Immer-Noch-Premier, der mit zwei Gesprächen mit Kurz und der emotionalen Aufforderung, der Virus-Ausbereitung nicht wie fast alle Regierungschefs in Europa weiter nur zuzuschauen, dem österreichischen Kanzler den letzten Anstoß gab, vor den anderen Mittel- und Westeuropäern Fakten zu schaffen.“

Doch die Lage ist in Israel problematischer als die in Österreich. Das Land liegt mit 2,99 Krankenhausbetten je 1.000 Einwohner im unteren Drittel bei den Bettenkapazitäten aller OECD-Länder, knapp hinter Italien (3,18). Spitzenreiter in dieser Statistik ist Japan (13,05) vor Korea (12,27), Russland (8,05), Deutschland (8) und Österreich (7,37).

Im Falle des unkontrollierten Ausbruchs einer Epidemie würde Israel sehr rasch an die Grenzen des Machbaren stoßen. Dazu kommt, dass Israel immer auch Palästinenser aus den von der Autonomiebehörde kontrollierten Gebieten in seinen Spitälern aufnimmt und behandelt, wenn die bescheidenen medizinischen Möglichkeiten in der Westbank nicht ausreichen. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich die internationalen Schlagzeilen vorzustellen, würden Araber in der Westbank reihenweise an Covid-19 sterben, während die israelischen Spitäler mit eigenen Staatsbürger überfüllt sind.

So sehr das Virus das Leben zurzeit beeinträchtigt: die Israelis wären nicht die Israelis, würden sie nicht das Beste aus ihrer Situation machen. Zum Ballspielen an der frischen Luft braucht es schließlich nicht einmal einen Balkon.

 

schlaglichter.at

 


Autor: Thomas Eppinger
Bild Quelle: Facebook


Samstag, 21 März 2020