Länderberichte über Menschenrechtspraktiken - 2019

Länderberichte über Menschenrechtspraktiken - 2019


Das Büro für Demokratie, Menschenrechte und Arbeitsfragen des US-Außenministeriums gibt jedes Jahr den Bericht über Menschenrechtspraktiken heraus. Der Bericht für das Jahr 2019 wurde am 11. März 2020 veröffentlicht. Wir haben den Deutschlandteil übersetzt.

Länderberichte über Menschenrechtspraktiken - 2019

Zusammenfassung

Deutschland ist eine Verfassungsdemokratie. Die Staatsbürger wählen ihre politischen Vertreter in regelmäßigen Abständen in freien und fairen Mehrparteienwahlen. Der Bundestag, die erste gesetzgebende Kammer, wählt den Regierungschef, den Bundeskanzler. Die zweite gesetzgebende Kammer ist der Bundesrat. Er vertritt die 16 Bundesländer auf Bundesebene und ist aus Regierungsmitgliedern der Bundesländer zusammengesetzt. Die 16 Bundesländer verfügen über beträchtliche Unabhängigkeit, auch in Strafverfolgungs- und Bildungsangelegenheiten. Beobachtern zufolge verliefen die Bundestagswahlen im September 2017, ebenso wie die Landtagswahlen in den Jahren 2018 und 2019, frei und fair.

Die Zuständigkeit für die innere Sicherheit und den Grenzschutz liegt bei der Polizei der 16 Bundesländer, dem Bundeskriminalamt (BKA) sowie der Bundespolizei. Die Landespolizei ist dem Innenministerium des jeweiligen Bundeslandes, die Bundespolizei dem Bundesministerium des Innern unterstellt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die jeweiligen Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) sind neben anderen Sicherheitsaufgaben für die inlandsnachrichtendienstliche Aufklärung über Gefahren für die öffentliche Ordnung zuständig. Das BfV ist dem Bundesministerium des Innern unterstellt, die Landesämter für Verfassungsschutz unterstehen den jeweiligen Innenministerien der Länder. Zivile Behörden hatten weiterhin die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen waren unter anderem die Zurückweisung von Menschen, deren Asylanträge sich noch in Bearbeitung befanden, antisemitisch oder anderweitig extremistisch motivierte Gewaltverbrechen sowie Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle (LGBTI) sowie Mitglieder anderer Minderheitengruppen.

Der Staat hat Maßnahmen zur Ermittlung gegen und zur strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung von Beamten und Angestellten im Bereich Sicherheit und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes ergriffen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Abschnitt 1. Achtung der Integrität des Menschen, einschließlich Freiheit von:

 

A. WILLKÜRLICHER UND ANDERER UNRECHTMÄSSIGER ODER POLITISCH MOTIVIERTER TÖTUNG

Es gab keine Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch den Staat oder seine Vertreter.

Im Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke vor seinem Wohnhaus erschossen. Die Polizei verhaftete einen Tatverdächtigen, der sich im Umfeld rechtsextremer Organisationen bewegte und für sein gewalttätiges Verhalten bekannt war. Der Tatverdächtige gestand den Mord, zog sein Geständnis aber später zurück. Lübcke war bekannt geworden, nachdem er sich im Oktober 2015 bei einer Veranstaltung in einer Erstaufnahmeunterkunft gegen Störer gestellt hatte. Er hatte den Zwischenrufern gesagt, sie könnten das Land gerne verlassen, wenn sie dessen christliche Werte, beispielsweise Menschen in Not zu helfen, nicht teilten. Der Tatverdächtige soll bei dieser Veranstaltung anwesend gewesen sein. Seine Bemerkungen machten Lübcke insbesondere im Internet zum Ziel von Flüchtlingsgegnern; er erhielt Todesdrohungen und wurde vorübergehend unter Polizeischutz gestellt. Der Mord erinnerte an eine Reihe politischer Morde, die zwischen 2000 und 2006 von der Terrorzelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) verübt worden waren. Der letzte Mord des NSU wurde ebenfalls in Kassel verübt. Im November untersuchte die Polizei Verbindungen zwischen den rechtsradikalen Netzwerken des NSU und dem Tatverdächtigen im Fall Lübcke.

B. VERSCHWINDENLASSEN

Es lagen keine Berichte über das Verschwindenlassen von Personen im Auftrag des Staates oder durch staatliche Behörden vor.

C. FOLTER UND ANDERER GRAUSAMER, UNMENSCHLICHER ODER ENTWÜRDIGENDER BEHANDLUNG ODER BESTRAFUNG

Die Verfassung verbietet solche Praktiken, es gab allerdings einige wenige Berichte, wonach Staatsbedienstete sie einsetzten. Einigen Menschenrechtsorganisationen zufolge untersuchten die Behörden Vorwürfe von Misshandlungen durch die Polizei nicht wirksam und versäumten es, solche Anschuldigungen durch ein unabhängiges Verfahren zu überprüfen. Einer laufenden Studie von Forschern der Universität Bochum zufolge hatte die Polizei in etwa 12.000 Fällen exzessive Gewalt angewandt. Die Behörden ermittelten in etwa 2.000 dieser Fälle. Der Studienleiter sagte gegenüber den Medien, dass viele Fälle von Polizeigewalt unter anderem deshalb nicht gemeldet würden, weil die häufig von Polizeigewalt betroffenen gesellschaftlichen Gruppen, zu denen auch Obdachlose und Geflüchtete gehörten, diese Gewalt selten meldeten. Die Ermittlungen wurden in 90 Prozent der Fälle abgebrochen, in etwa zwei Prozent der Fälle wurden die Beamten offiziell angeklagt. Weniger als ein Prozent der Fälle führten zu Verurteilungen der beschuldigten Beamten. Im Oktober wurden zwei Polizeibeamte in Thüringen verhaftet, die eine Frau vergewaltigt hatten, während sie im Dienst waren.

Nachdem sie die Ausweise eines polnischen Ehepaars überprüft und festgestellt hatten, dass sie gefälscht waren, führen die Beamten die Frau zu ihrer Wohnung, wo sie sie angeblich vergewaltigten. Der Staatsanwaltschaft zufolge könnte es bei einem Schuldspruch zu Freiheitsstrafen von drei bis 15 Jahren kommen. Um festzustellen, ob die beiden Beamten zuvor bereits ähnliche Straftaten begangen hatten, überprüft die Polizei außerdem ihre vorherigen Einsätze. Im November waren die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.

BEDINGUNGEN IN GEFÄNGNISSEN UND HAFTANSTALTEN

Es gab keine maßgeblichen Berichte über Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten, die Bedenken im Hinblick auf die Menschenrechte ausgelöst hätten.

Materielle Haftbedingungen: Es gab keine maßgeblichen Bedenken bezüglich der Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten oder über die Misshandlung von Insassen.

Verwaltung: Glaubwürdige Vorwürfe der Misshandlung wurden von den Behörden angemessen untersucht.

Unabhängige Überwachung: Die Regierung ließ Kontrollbesuche unabhängiger Beobachter von Nichtregierungsorganisationen zu.

D. WILLKÜRLICHER FESTNAHME ODER INHAFTIERUNG

Das Grundgesetz verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sieht das Recht vor, die Rechtmäßigkeit einer Festnahme vor Gericht anzufechten. Die Regierung hielt sich im Allgemeinen an diese Anforderungen.

Zwischen 2017 und 2019 erweiterten einige Landesparlamente die Befugnisse der Polizei.

Die neuen Landesgesetze erlauben der Polizei, Präventivmaßnahmen gegen „drohende Gefahren“ zu ergreifen.

Kritiker wenden ein, diese Bestimmungen gäben der Polizei das Recht, einzugreifen, bevor eine Straftat verübt wurde, und weite ihre Überwachungsbefugnisse aus, die traditionell den Sicherheitsdiensten vorbehalten sind. Im August kam eine Kommission zu dem Schluss, dass das neue bayerische Gesetz geändert werden müsse, und das bayerische Innenministerium kündigte an, im November seinen neuen Vorschlag vorzulegen. Im November waren Klagen gegen die neuen Polizeigesetze in Bayern und Baden-Württemberg beim Bundesverfassungsgericht anhängig, und am 1. August beantragten Abgeordnete der Parteien Die Grünen und Die Linke, Teile des neuen sächsischen Polizeigesetzes für nichtig zu erklären.

Im Dezember 2018 erließ Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar eine rechtsverbindliche Anordnung, die die Hamburger Polizei verpflichtete, eine Datei mit Modellen menschlicher Gesichter zu löschen, in die zum Teil Inhalte aus Videoüberwachung an öffentlichen Orten eingeflossen waren. Er bestand nicht darauf, dass die Polizei die entsprechende Software nicht mehr nutze, bezeichnete allerdings die Datenbank als illegal, die diese füttert, da diese in Echtzeit automatisch und ständig Bilder unschuldiger Bürgerinnen und Bürger erstelle.

Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International Deutschland kritisierte, dass es keine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Polizisten gebe; in einigen Bundesländern besteht sie allerdings.

Im April wurde ein 28-Jähriger in Köln zum zweiten Mal von dem Vorwurf des Widerstands gegen die Polizeigewalt, der Körperverletzung und der Beamtenbeleidigung freigesprochen. Der Richter am Kölner Landgericht wies die Klage als offensichtlich unbegründet ab und bat den Angeklagten mit den Worten um Entschuldigung, er schäme sich für das Verhalten des Staates. Der Richter sprach auch einer Polizeibeamtin seine Anerkennung aus, die gegen ihren Kollegen ausgesagt hatte. Sie schilderte, wie er einen inhaftierten Tatverdächtigen geschlagen hatte. Gegen die Polizeibeamten war ebenfalls ermittelt worden, aber die Presse berichtete im Juli, dass der Staatsanwalt erneut in Berufung gehen werde und es in dem Fall zu einer dritten Verhandlung kommen könne.

VORGEHEN BEI VERHAFTUNG UND BEHANDLUNG IN GEWAHRSAM

Eine Festnahme erfordert einen von einer Justizbehörde ausgestellten Haftbefehl.

Die Polizei kann auch Personen festnehmen, wenn sie diese beim Verüben einer Straftat antrifft, oder wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Person plant, eine Straftat zu verüben. Das Grundgesetz verlangt die Vorstellung von Verdächtigen bei einem Justizbeamten am Folgetag der Festnahme. Der Richter muss Tatverdächtige über die Gründe der Festnahme informieren und ihnen die Möglichkeit geben, zu widersprechen. Anschließend muss das Gericht entweder einen Haftbefehl ausstellen, aus dem die Gründe für die Fortsetzung der Inhaftierung hervorgehen, oder die Freilassung der Person anordnen. Die Behörden respektierten diese Rechte im Allgemeinen.

Obwohl es die Möglichkeit der Kaution gibt, ließen die Richter Personen, die auf ihr Verfahren warteten, in der Regel ohne Kaution auf freien Fuß. Eine Kaution wird nur fällig, wenn ein Gericht erklärt hat, dass Fluchtgefahr besteht. In solchen Fällen können die Behörden die Freilassung auf Kaution verweigern und Tatverdächtige für die Dauer der Ermittlungen und des anschließenden Prozesses inhaftieren, allerdings unterliegt dies der gerichtlichen Überprüfung. Die Untersuchungshaft wird von den Gerichten auf eine mögliche Haftstrafe angerechnet. Wenn ein Angeklagter von einem Gericht freigesprochen wird, muss der Staat für die während der Untersuchungshaft entstandenen finanziellen Einbußen und den immateriellen Schaden Entschädigung leisten. Obwohl die Zahl der Straftaten und Verurteilungen rückläufig war, nahm die Zahl der Personen in Untersuchungshaft im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent zu. Die Landesjustizminister führten die Zunahme auf die Konzentration auf bestimmte Vergehen, lange Gerichtsverfahren und einen Anstieg der Zahl ausländischer Tatverdächtiger zurück.

Festgenommene Personen haben das Recht, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen. Wer seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann, erhält einen Rechtsbeistand auf Staatskosten. Laut Gesetz steht es festgenommen Personen jederzeit zu, einen Rechtsbeistand zu beauftragen, auch vor Befragung durch die Polizei. Die Behörden müssen die Tatverdächtigen über ihr Recht, einen Rechtsbeistand zu konsultieren, vor der Befragung informieren.

E. DER VERWEIGERUNG EINES FAIREN ÖFFENTLICHEN PROZESSES

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, und der Staat respektierte die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz im Allgemeinen.

VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Die Verfassung schreibt das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren vor, und die unabhängige Justiz setzte dieses Recht im Allgemeinen durch.

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung. Sie haben das Recht, umgehend und detailliert über die gegen sie vorliegenden Anschuldigungen informiert zu werden. Der Prozess soll fair, öffentlich und ohne unangemessene Verzögerung stattfinden. Laut Gesetz besteht für die Angeklagten Anwesenheitspflicht bei ihren Verhandlungen. Angeklagte haben das Recht, sich von einem Anwalt ihrer Wahl vertreten zu lassen, und der Staat stellt, wie oben erwähnt, einen Rechtsbeistand auf Staatskosten, wenn der Angeklagte seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann. Angeklagte und ihre Anwälte haben das Recht auf einen angemessenen Zeitraum und angemessene Örtlichkeiten zur Vorbereitung ihrer Verteidigung. Der Staat stellt jedem Angeklagten, der kein Deutsch spricht oder versteht, kostenlos einen Dolmetscher zur Seite, wenn der Angeklagte seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann oder freigesprochen wird. Angeklagte haben Zugang zu allen Beweisen, die dem Gericht vorliegen und für ihren Fall relevant sind. Angeklagte dürfen die Zeugen der Anklage befragen und ihre eigenen Zeugen und Beweise zu ihrer Verteidigung anführen. Angeklagte dürfen nicht gezwungen werden, auszusagen oder ein Geständnis abzulegen. Angeklagte haben das Recht, Berufung einzulegen.

Laut Gesetz dürfen Gerichte niemanden zweimal für dieselbe Straftat verurteilen. Gerichte können jedoch bei wegen Vergewaltigung, Mord oder Totschlags Verurteilten nach Verbüßen der Strafe eine zusätzliche „anschließende Sicherungsverwahrung“ anordnen. Das Gericht kann nur dann Sicherungsverwahrung anordnen, wenn es zu dem Schluss kommt, dass der Täter an einer psychischen Störung leidet oder eine dauerhafte, ernsthafte Bedrohung für die Öffentlichkeit darstellt. Sicherungsverwahrung kann laut Gesetz unbefristet angeordnet werden, muss aber regelmäßig überprüft werden.

Da die Sicherungsverwahrung rechtlich nicht als Strafe gilt, müssen die Behörden Sicherungsverwahrte in separaten Gebäuden oder in abgetrennten Teilen der Justizvollzugsanstalten mit besseren Bedingungen unterbringen. Die Behörden müssen Sicherheitsverwahrten außerdem sozial- und psychotherapeutische Programme anbieten. Nach Informationen des Statistischen Bundesamtes befanden sich Ende März 566 Personen in Sicherungsverwahrung.

POLITISCHE GEFANGENE UND INHAFTIERTE

Es gab keine Berichte über politische Gefangene oder Inhaftierte.

ZIVILVERFAHRENSRECHT UND RECHTSBEHELFE

Bei Petitionsausschüssen und Bürgerbeauftragten können Beschwerden eingereicht werden, wenn Menschenrechte verletzt wurden. Diese Kontaktstellen werden meist als Ombudsstellen bezeichnet. In zivilrechtlichen Angelegenheiten bietet eine unabhängige und unparteiische Justiz zudem Zugang zu Gerichten, um in Fällen von Menschenrechtsverletzungen auf Schadensersatz oder Unterlassung zu klagen. Wenn die nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft sind, besteht die Möglichkeit, bei mutmaßlichen Verstößen des Staates gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu klagen.

Seit dem 1. Januar hat in Nordrhein-Westfalen (NRW) jeder (auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit) die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof zu erheben. Diese Beschwerden waren zuvor Gruppen oder den Städten und Gemeinden vorbehalten. Im April stimmten die führenden Parteien im Landtag einstimmig für die entsprechende Änderung der Landesverfassung. Im Mai beantragte eine sehbehinderte Frau, deren Ersuchen zuvor abgelehnt worden war, auf diesem Weg erfolgreich Prozesskostenhilfe.

RÜCKERSTATTUNG VON EIGENTUM

Der Staat verfügt über Gesetze und Mechanismen zur Wiedergutmachung, und Nichtregierungsorganisationen sowie Interessengruppen berichteten, dass bei der Bearbeitung von Ansprüchen aus der Zeit des Holocaust, auch von ausländischen Staatsbürgern, maßgebliche Fortschritte gemacht wurden. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis Ende 2018 zahlte Deutschland dem Bundesfinanzministerium zufolge Holocaust-Opfern rund 76,7 Milliarden Euro an Rückerstattung und Entschädigung. Außerdem unterstützte das Land zahlreiche öffentliche und private internationale Initiativen für Reparationen und Sozialleistungen zugunsten Holocaust-Überlebender und ihrer Familien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedete der Bundestag Gesetze zur Regelung von Ansprüchen aufgrund von NS-Gräueltaten und Enteignungen aus der Zeit des Holocaust. 1952 bestimmte die Bundesregierung die Conference on Jewish Material Claims against Germany (auch Jewish Claims Conference oder JCC) zu ihrem Hauptpartner für die Regelung von Rückerstattungs- und Entschädigungsansprüchen von jüdischen Opfern der NS-Verfolgung.

Bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 wurden die Rückgabe von Eigentum und die Entschädigungszahlungen für Immobilien und Unternehmen, die während des Holocausts beschlagnahmt oder übertragen worden waren, von den westdeutschen Behörden im Einklang mit dem Bundesentschädigungsgesetz geregelt. Die JCC hat die Rechte an Eigentum, für das es keine Erben gibt, übernommen und dieses versteigert. Die Erlöse kamen der Finanzierung von Maßnahmen der Organisation zur Unterstützung von Holocaust-Überlebenden zugute. Weitere Entschädigungsansprüche für konfisziertes jüdisches Eigentum im ehemaligen Ostdeutschland machte die JCC nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen von 1990 geltend, das nach der Wiedervereinigung verabschiedet wurde. Seit 1990 haben die Behörden in 4.500 Fällen Restitutionsansprüche genehmigt und bewilligt und in etwa 12.000 Fällen Entschädigungen gezahlt. Beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen waren etwa 5.000 Fälle noch ungeklärt, bei denen es um Sachanlagen ging, darunter Grundstücke, Immobilien und Unternehmensanteile.

Regelmäßige Verhandlungen zwischen der JCC und der Bundesregierung führten zur Erweiterung bestehender und zur Einführung zusätzlicher Initiativen, darunter ein Fonds für überlebende Kinder sowie Hauspflegedienste für ältere Überlebende. Bei Verhandlungen im Laufe des Jahres stimmte die Regierung zu, die Gesamtfinanzierung für 2020 auf 524 Millionen Euro anzuheben und erstmalig auch Renten von Holocaust-Opfern an verwitwete Ehepartner auszuzahlen, worauf etwa 30.000 Personen Anspruch haben.

2015 gründete die Bundesregierung zur Erforschung der Provenienz von Kunst- und Kulturgütern die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (DZK). Die DZK unterhält im Internet die sogenannte Lost Art-Datenbank. Darin werden Kulturgüter erfasst, die vermutlich oder nachweislich von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. 2013 stellte das Auktionshaus Christie anhand dieser Datenbank fest, dass zwei Vasen, die für den Verkauf bestimmt waren, 1939 von den Nationalsozialisten gestohlen worden waren. Nach weiteren Ermittlungen organisierte ein Team zur Aufklärung von Kunstdiebstählen bei einer Zeremonie am 1. August die Rückgabe an die Erben der ursprünglichen Eigentümerin.

Im Juli entschied die Stadt Düsseldorf positiv über den Rückerstattungsantrag der Familie des verstorbenen jüdischen Holzhändlers Curt Schueler, der in der NS-Zweit gezwungen worden war, ein seltenes zweiseitiges Gemälde von Emil Nolde zu einem sehr niedrigen Kaufpreis zu veräußern.

Die Erben von Max Emden, einst Hamburgs größter Immobilienbesitzer, beschuldigten das Land Hamburg, nicht genug für die Rückerstattung zu tun und riefen den Hamburger Senat dazu auf, ihre Familie angemessen für NS-Enteignungen zu entschädigen. Die Nationalsozialisten hatten mehr als 30 Immobilien, die heute Milliarden von Euro wert sind, entweder direkt konfisziert oder Emden gezwungen, sie zu sehr niedrigen Preisen zu verkaufen. Die Erben Emdens erhoben keinen formellen Rechtsanspruch, da es ihnen nicht um eine „eins-zu-eins“ Erstattung des Geldwertes geht, sondern um die offizielle Anerkennung des Unrechts, das Emden widerfahren war.

F. WILLKÜRLICHER EINMISCHUNG IN PRIVATSPHÄRE, FAMILIE, WOHNUNG ODER SCHRIFTVERKEHR

Das Grundgesetz verbietet derartige Maßnahmen, und es gab keine Berichte über die Missachtung dieser Verbote durch den Staat.

Das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz setzten ihre Beobachtung potenziell verfassungsfeindlicher politischer Gruppen, einschließlich linksextremer Gruppierungen innerhalb der im Bundestag vertretenen Partei Die Linke und der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), fort. Für die Beobachtung ist eine Erlaubnis der Innenministerien der Länder oder des Bundesinnenministeriums erforderlich, die regelmäßig von den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Länder oder des Bundes überprüft werden muss.

Im Januar teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit, dass es den sogenannten Flügel beobachte, ein loses Netzwerk innerhalb der rechtsnationalen Partei Alternative für Deutschland (AfD), weil er „auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung“ von Minderheiten gerichtet sei und „die Menschenwürdegarantie sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip“ verletze. Das BfV führte außerdem an, Mitglieder des Flügels hätten Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen.

Alle Aktivitäten der Landesämter für Verfassungsschutz können vor Gericht angefochten werden, auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2014 teilte die Regierung mit, es finde keine Beobachtung von Mitgliedern des Bundestags durch das BfV mehr statt.

Das Hamburger Kultusministerium bestätigte im März, eine Sekundarschule in Hamburg angewiesen zu haben, linksextremistische Aufkleber zu entfernen, nachdem über das Portal „Neutrale Schule“ der Hamburger AfD eine Beschwerde eingegangen war.

Abschnitt 2. Achtung bürgerlicher Freiheiten, einschließlich:

 

A. MEINUNGS- UND PRESSEFREIHEIT

Meinungsfreiheit: Im Allgemeinen respektierte der Staat dieses Recht, schränkte es aber für Gruppen ein, die er als extremistisch einstuft. Mehrere Personen wurden wegen Volksverhetzung, Verherrlichung des Nationalsozialismus oder Leugnung des Holocaust verhaftet, vor Gericht gestellt und zu Freiheitsstrafen verurteilt (siehe auch Abschnitt 6, Antisemitismus).

Im Mai teilte Facebook mit, dass es zwischen Januar und März 2,19 Milliarden falsche Profile entfernt habe, darunter auch Profile, die die AfD bewarben, nachdem die NGO Avaaz sie als Quellen gezielter Desinformation ausgemacht hatte. Die saarländische AfD-Politikerin Laleh Hadjimohamadvali gab an, ihre Posts seien gelöscht oder blockiert worden, was sie ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beraubte.

Im März verabschiedete die sächsische Landesregierung ein Gesetz, das Richtern und Staatsanwälten die offene Zurschaustellung religiöser Symbole während öffentlicher Verhandlungen untersagt. Darunter fallen (muslimische) Kopftücher, (christliche) Kreuze und (jüdische) Kippas. Ähnliche Gesetze gab es bereits in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Bremen, während Hessen und Thüringen die Zurschaustellung religiöser Symbole bei Richtern und Staatsanwälten weniger konkret einschränkten.

Georg Restle, der Moderator der linksgerichteten politischen Fernsehsendung „Monitor“ des Westdeutschen Rundfunks (WDR) erhielt per Post eine Morddrohung, nachdem er sich am 11. Juli kritisch zur AfD geäußert hatte. Der WDR erstattete Anzeige gegen Unbekannt und 44 WDR-Journalisten erklärten sich in einer Anzeige der lokalen Tageszeitung „Kölner Stadtanzeiger“ solidarisch mit Restle. Nach der Drohung forderte Restle einen stärkeren Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit.

Der Drohbrief schien vom gleichen Verfasser zu sein wie die Briefe an die Kölner Oberbürgermeisterin Reker und den Altenaer Bürgermeister Hollstein. Die Bundestaatsanwaltschaft ging von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. Die Polizei Köln ermittelte.

Presse, einschließlich (Online-)Medien: Die Verfassung sieht Meinungsfreiheit vor, die auch für die Presse gilt, und der Staat achtete diese Bestimmung im Allgemeinen. Das Zusammenspiel aus unabhängiger Presse, effektiver Justiz und einem funktionierenden demokratischen politischen System förderte Meinungs- und Pressefreiheit. Nationalsozialistische Propaganda, das Leugnen des Holocausts und Volksverhetzung sind gesetzlich verboten.

Gewalt und Schikane: Am 1. Mai wurde während einer Kundgebung der rechtsextremen Bürgerbewegung PRO CHEMNITZ ein Journalist der lokalen Tageszeitung „Freie Presse“ von Demonstranten bedroht. Statt das Recht des Journalisten zu verteidigen, über die Demonstration zu berichten, zwang die Polizei ihn, seine Bilder zu löschen und erteilte ihm einen Platzverweis. Die Polizei erklärte später, es habe sich um ein „Missverständnis“ gehandelt. PRO CHEMNITZ ist eine rechtspopulistische Organisation, die vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird, um über ein Verbot zu entscheiden.

Im August 2018 demonstrierten Vertreter der islamfeindlichen Bewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) und der AfD gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden (Sachsen). Während der Demonstration behauptete ein Demonstrant – ein Mitarbeiter der Polizei, der sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Dienst befand –, das Datenschutzrecht verbiete es einem Kamerateam des ZDF, ihn zu filmen, und erstattete noch vor Ort Anzeige bei der Polizei. Die Polizei hielt das Kamerateam 45 Minuten lang fest, angeblich, um die Personalien festzustellen. Bundeskanzlerin Merkel gab eine Erklärung ab, in der sie sich für die Pressefreiheit einsetzte und anmerkte, Demonstranten müssten damit rechnen, gefilmt zu werden. Der Dresdner Polizeipräsident entschuldigte sich bei den Journalisten, und der Mitarbeiter der Polizei wurde im September 2018 in die Landesdirektion Sachsen versetzt. Im Juni verklagte der Beamte das ZDF wegen Verstoßes gegen das Medienrecht und gegen seine Persönlichkeitsrechte. Im November war der Fall noch nicht abgeschlossen.

FREIHEIT IM INTERNET

Weder beschränkte oder störte die Regierung den Zugang zum Internet, noch zensierte sie Online-Inhalte – mit einer nennenswerten Ausnahme –, und es gab keine glaubwürdigen Berichte darüber, dass Regierungsbehörden private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnis überwachten. Bei der Ausnahme handelt es sich um die Tatsache, dass die Regierung befugt ist, Internetseiten zu sperren, die von verbotenen Organisationen betrieben werden, zur Volksverhetzung aufrufen, den Nationalsozialismus verherrlichen oder den Holocaust leugnen. Die Behörden arbeiteten bei der Überwachung und Entfernung derartiger Inhalte unmittelbar mit den Internetanbietern zusammen. Die Behörden beobachteten mehrere hundert Internetseiten und Social-Media-Accounts, die mit Rechtsextremisten in Verbindung gebracht wurden (Stand: Juli).

Im Juli kündigte der nordrhein-westfälische Justizminister an, eine zentrale Anlaufstelle für gravierende Fälle politisch motivierter Hassrede im Internet, wie beispielsweise Morddrohungen gegen Politiker in den sozialen Medien, zu schaffen.

Im Februar 2018 rief NRW die landesweite Initiative „Verfolgen statt nur löschen – Rechtsdurchsetzung im Internet“ ins Leben. Bis November gingen dort 378 Berichte über Verstöße ein, die zu 182 Ermittlungsverfahren und der Identifizierung von 73 Angeklagten führten. An der Initiative beteiligten sich auch das Justizministerium und das Innenministerium des Bundeslandes, die Polizei sowie die Zeitung „Rheinische Post“ und der Fernsehsender RTL.

FREIHEIT DER WISSENSCHAFT UND KULTURELLE VERANSTALTUNGEN

Es gab staatliche Beschränkungen der Freiheit der Wissenschaft und kultureller Ereignisse, die rechtsextrem es, nationalsozialistisches Gedankengut unterstützten.

B. VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Obwohl das Grundgesetz die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsieht, schränkte die Regierung diese Freiheiten in einigen Fällen ein.

VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Die Regierung schränkte die Versammlungsfreiheit in einigen Fällen ein. Kundgebungen im Freien und Demonstrationen müssen genehmigt werden. Bundes- und Landesbehörden können die Genehmigung verweigern, wenn es Bedenken wegen der öffentlichen Sicherheit gibt oder es sich bei den Antragstellern um Mitglieder verbotener – insbesondere rechtsextremer – Organisationen handelt. In einigen wenigen Fällen wurden solche Anträge auf öffentliche Versammlungen im Berichtszeitraum von den Behörden nicht genehmigt. Die Behörden genehmigten öffentliche Kundgebungen oder Demonstrationen einiger nicht verbotener rechtsextremer Gruppen oder Neonazi-Organisationen, sofern sie nicht gegen Gesetze verstießen.

Das Behindern offiziell angemeldeter Demonstrationen verstößt gegen das Gesetz. Viele Nazigegner weigerten sich, derartige Auflagen zu akzeptieren und versuchten, Demonstrationen von Neonazis zu behindern oder Gegendemonstrationen abzuhalten, sodass es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Nazi-Gegnern kam.

Die Polizei hielt bekannte oder mutmaßliche Aktivisten fest, wenn sie der Auffassung war, dass diese Personen an illegalen oder nicht genehmigten Demonstrationen teilzunehmen beabsichtigten. Die Dauer der Inhaftierung war von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Im Februar erklärte das Verwaltungsgericht Düsseldorf das durch die Polizei ausgesprochene Verbot der geplanten kurdischen Demonstration „Gegen den Krieg in Afrin“ für unrechtmäßig. Das Gericht erklärte die Annahme der Polizei, die Demonstrierenden gehörten einer Unterorganisation der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK an, als falsch und das Verbot der Demonstration daher als unverhältnismäßig. Das Gericht wies die Polizei an, der betroffenen Gruppe eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro auszuzahlen.

VEREINIGUNGSFREIHEIT

Die Regierung schränkte die Vereinigungsfreiheit in einigen Fällen ein. Laut Gesetz können Organisationen verboten werden, wenn das Bundesverfassungsgericht, die Bundesregierung oder die Landesregierungen ihre Aktivitäten als gesetzwidrig oder gegen die verfassungsmäßige demokratische Ordnung verstoßend eingestuft haben. Zwar können politische Parteien aus diesen Gründen nur vom Bundesverfassungsgericht verboten werden, aber sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierungen können andere Organisationen verbieten oder deren Aktivitäten einschränken; dazu zählen auch Gruppierungen, die von den Behörden als extremistisch oder kriminell eingestuft werden. Die Organisationen haben das Recht, gegen ein solches Verbot oder die Einschränkung ihrer Aktivitäten Einspruch zu erheben.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz überwachten mehrere hundert Organisationen. Die Überwachung umfasste die Erhebung von Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen, Schriftdokumenten sowie Berichten aus erster Hand, aber auch offensive Maßnahmen, die einer Rechtgrundlage bedürfen, wie der Einsatz verdeckter Ermittler. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz veröffentlichten Listen der überwachten Organisationen, zu denen auch links- und rechtsgerichtete politische Parteien gehörten. Obwohl die Überwachung rechtmäßige Aktivitäten der Organisationen laut Gesetz nicht beeinträchtigen dürfen, beschwerten sich Vertreterinnen und Vertreter einiger betroffener Organisationen, beispielsweise von Scientology, dass die Veröffentlichung der Namen ihrer Organisationen Vorurteilen gegen sie Vorschub leiste.

C. RELIGIONSFREIHEIT

Den Bericht über Internationale Religionsfreiheit des US-Außenministeriums finden Sie hier: https://www.state.gov/religiousfreedomreport. Die deutsche Übersetzung des Deutschlandteils finden Sie hier: https://de.usembassy.gov/de/laenderberichte-ueber-religionsfreiheit-2018-bundesrepublik-deutschland/?_ga=2.109588293.130892454.1584349510-498809321.1541781007.

D. FREIZÜGIGKEIT

Die Verfassung sieht Freizügigkeit im Inland, bei Auslandsreisen, Auswanderung und Rückführung vor, und der Staat respektierte diese Rechte im Allgemeinen. Die Regierung arbeitete mit dem Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Geflüchteten, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zukommen zu lassen.

2016 verabschiedete die Regierung ein Gesetz, wonach Flüchtlinge mit anerkanntem Asylstatus, die Sozialleistungen erhielten, drei Jahre lang in dem Bundesland wohnhaft bleiben müssen, das ihren Asylantrag bearbeitet hat. Mehrere Bundesländer setzten diese Residenzpflicht um. Darüber hinaus können einzelne Bundesländer zusätzliche Aufenthaltsbeschränkungen verfügen und einzelnen Personen beispielweise Residenzpflicht in einer bestimmten Stadt auferlegen. Die Kommunalbehörden, die die Regelung unterstützten, gaben an, sie erleichtere die Integration und die Planung der erforderlichen Infrastruktur, wie beispielsweise Schulen.

E. BINNENVERTRIEBENE

Entfällt.

F. SCHUTZ VON FLÜCHTLINGEN

Misshandlung von Migranten, Flüchtlingen und Staatenlosen: 21. August trat das Abschiebe-Gesetz unter dem Namen „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ in Kraft. 22 Nichtregierungsorganisationen, darunter auch Anwalts- und Richterverbände sowie Organisationen im Bereich der Kinderrechte, der allgemeinen Sozialfürsorge und Menschenrechtsorganisationen riefen die Bundestagsabgeordneten in einem offenen Brief dazu auf, dem Gesetz aufgrund seines ausgrenzenden Charakters gegenüber Migranten und aufgrund des Vorwurfs der Menschenrechtsverletzungen nicht zuzustimmen. Diesem Gesetz zufolge sind Asylsuchende verpflichtet, bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens – bis zu 18 Monate lang – in ihrer jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtung wohnen zu bleiben. Vor der Verabschiedung dieses Gesetzes galt dies nur für Asylsuchende aus „sicheren Herkunftsländern“. Für abgelehnte Asylbewerber, die bei der Beschaffung ihrer Heimreisedokumente nicht ausreichend mitwirken, kann die Residenzpflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung auch über 18 Monate hinaus verlängert werden. Die Behörden können ausreisepflichtige Personen jetzt ohne Gerichtsbeschluss festnehmen. Gegen ausreisepflichtige Personen, die einen Botschaftstermin zur Bestimmung ihrer Identität nicht wahrnehmen, kann 14 Tage Mitwirkungshaft verhängt werden. Das Gesetz sieht die Inhaftierung von Personen in Abschiebehaft, auch von Familien und Kindern, in regulären Haftanstalten vor.

Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl, Amnesty International und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst kritisierten dies als einen klaren Verstoß gegen die „deutliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes“, die eine klare Trennung zwischen Abschiebe- und Strafhaft fordert. Wenn Fluchtgefahr gegeben ist, können Geflüchtete vorsorglich inhaftiert werden. Beamte, die Informationen über eine geplante Abschiebung weitergeben, machen sich strafbar. Rechtswissenschaftler unterstreichen die rechtlichen Unzulänglichkeiten des Gesetzes, da sowohl das deutsche Grundgesetz als auch die EU-Rückführungsrichtlinie hohe Hürden für Abschiebehaft vorsehen. Personen, denen in einem anderen EU-Staat ein Asylstatus zuerkannt wurde, können dem Gesetz zufolge zwei Wochen danach deutsche Sozialleistungen entzogen werden. Von 16 Bundesländern haben 11 angekündigt, das Gesetz nicht umsetzen zu wollen.

Es kam weiterhin zu Angriffen auf Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten sowie auf staatlich bereitgestellte Unterkünfte. Am 14. April wurde ein Video veröffentlicht, in dem vier Mitarbeiter des Wachschutzes der zentralen Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) auf einen Asylbewerber einschlagen. Der Innenminister Sachsen-Anhalts entließ die vier Wachschutzmitarbeiter und ordnete eine Untersuchung des Vorfalls an. Im November waren die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.

Im Mai kritisierte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) Deutschlands Abschiebepraktiken bezüglich abgelehnter Asylbewerber, darunter auch die Tatsache, dass Personen in Abschiebehaft das genaue Datum ihrer Abschiebung nicht mitgeteilt wird. In seinem Bericht rief das CPT die Bundesregierung auch dazu auf, bei Abschiebungen auf „unverhältnismäßige und unangebrachte“ Gewaltanwendung zu verzichten, die zu Erstickung oder starken Schmerzen führen können. Auf einem Rückführungsflug im August 2018 wurden CPT-Beobachter Zeugen eines Vorfalls, bei dem ein begleitender Beamter einem Passagier mit seinem Arm den Hals abdrückte, sodass dessen Atmung behindert wurde. Ein weiterer Beamter quetschte wiederholt die Genitalien desselben Mannes, der zudem mit Klebeband gefesselt war. Das CPT verurteilte ganz konkret die Situation in der Flüchtlingsunterkunft in Eichstätt (Bayern), deren Wachpersonal keine entsprechende Schulung absolviert hatte und deren Bewohner unter gefängnisähnlichen Bedingungen lebten, da sie nur begrenzt Zugang zu Gemeinschaftsräumen, teils keinen Zugang zu ihrer eigenen Kleidung und keine Möglichkeit hatten, direkt mit einem Arzt zu sprechen. Das Bundesjustizministerium wies den Vorwurf zurück, dass persönliche Arztbesuche nicht möglich gewesen sein sollen. Es erklärte weiterhin, dass die Bewohner regelmäßig nicht genug eigene Kleidung besäßen und daher von der Einrichtung gestellte Kleidung genutzt werden müsse, während die eigene Kleidung gewaschen wird.

Refoulement: 2018 hob die Regierung den Abschiebestopp nach Afghanistan auf, so dass in der ersten Jahreshälfte ca. 200 Flüchtlinge in das Land abgeschoben wurden. Im Rahmen der Bundespolitik war zuvor lediglich die Abschiebung von verurteilten Straftätern und Personen zugelassen, die als Sicherheitsrisiko eingestuft wurden. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International kritisierten diese Politik als Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung.

Asylberechtigung: Das Gesetz sieht die Gewährung von Asyl oder die Anerkennung als Flüchtling vor, und der Staat hat ein System zum Schutz von Flüchtlingen eingerichtet. Die Bundesrepublik Deutschland war mit der Aufgabe konfrontiert, zwischen 2015 und 2017 rund 1,3 Millionen Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten sowie weitere 305.943 Personen, die in der ersten Hälfte des Jahres 2018 Asyl beantragten, zu integrieren. Der starke Zustrom von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten stellte eine Belastung für die Infrastruktur und die Ressourcen des Landes dar.

Die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl kritisierte das „Flughafenverfahren“ für Asylbewerber, die an einem Flughafen des Landes ankommen. Die Behörden erklärten, das Flughafenverfahren werde lediglich in weniger komplexen Fällen genutzt. Kompliziertere Asylfälle würden zur regulären Bearbeitung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwiesen. Die Behörden erklärten, dieses beschleunigte Verfahren werde lediglich bei Personen angewendet, die aus von der Regierung als „sicher“ (s.u.) eingestuften Herkunftsländern stammen oder nicht im Besitz gültiger Ausweispapiere sind. Das Schnellverfahren ermöglichte es dem BAMF, innerhalb von zwei Tagen über Asylanträge zu entscheiden, während die Antragsteller am Flughafen festgehalten wurden. Wenn die Behörden den Antrag ablehnten, hatte der Antragsteller das Recht, Widerspruch einzulegen. Widersprüche wurden innerhalb von zwei Wochen bearbeitet, während der Antragsteller am Flughafen festgehalten wurde. Wenn die Behörden den Widerspruch ablehnten, wurde der Antragsteller abgeschoben. Die NGO Flüchtlingsrat Berlin kritisierte ein ähnliches beschleunigtes Verfahren oder Direktverfahren, das bei einigen Asylbewerbern in Berlin angewandt wurde. Die Organisation gab an, Asylbewerber erhielten nicht ausreichend Zeit und Zugang zu Rechtsberatung.

Im April beurlaubte das BAMF die Leiterin der Bremer Außenstelle aufgrund von Anschuldigungen, sie habe bis zu 2.000 positive Asylbescheide zu Unrecht erlassen. Ergebnisse einer Untersuchung durch das BAMF zeigten im April allerdings, dass lediglich 50 der 2.000 Entscheidungen (0,9 Prozent) geprüft werden müssten – ein Anteil weit unter dem landesweiten Durchschnitt von 1,2 Prozent.

Im Februar bestätigte ein Hamburger Anwalt und ehemaliger Abgeordneter der Partei die Grünen im Landesparlament, dass er vier deutsche Familien mit insgesamt sieben Kindern im Alter zwischen zwei und 14 Jahren rechtlich vertrete, die das Auswärtige Amt um Rückführung aus Syrien und dem Irak ersuchten, wo sie sich der Terrormiliz Islamischer Staat angeschlossen hatten. Im April erlaubte die Regierung einer der Mütter mit ihren drei Kindern die Rückkehr nach Deutschland. Sie wurde unmittelbar bei ihrer Ankunft festgenommen. Im November entschied ein Berliner Berufungsgericht, dass die Bundesregierung die deutsche Ehefrau eines Mitglieds der Terrormiliz und ihre drei Kinder aus Syrien zurückführen müsse. Der Anwalt gab an, er hoffe, damit einen Präzedenzfall für seine weiteren 20 deutschen Mandantinnen und ihre 40 Kinder geschaffen zu haben.

Sicheres Herkunfts- oder Transitland: In Deutschland gilt die Dublin-III-Verordnung der EU, die es Behörden erlaubt, Personen, die über „sichere Transitländer“, also ein EU-Mitgliedsland, die Schweiz, Norwegen, Island oder Liechtenstein, nach Deutschland eingereist sind, abzuweisen oder dorthin abzuschieben. Zu den „sicheren Herkunftsländern“ gehören darüber hinaus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien. Die Behörden schickten keine Asylbewerber nach Syrien zurück. Flüchtlinge, die nach der Dublin-III-Verordnung in den Zuständigkeitsbereich eines anderen EU-Landes fielen, aber nicht dorthin zurückgeschickt werden konnten, befanden sich der Nichtregierungsorganisation Pro Asyl zufolge häufig in einer rechtlichen Grauzone. Sie durften weder einer Erwerbstätigkeit nachgehen noch an Integrationsmaßnahmen wie Deutschunterricht teilnehmen.

Beschäftigung: Wer Anspruch auf Asyl hatte, erhielt ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt. Asylbewerber, über deren Antrag noch nicht entschieden worden war, durften in den ersten drei Monaten nach Antragstellung in der Regel keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge waren im Juli rund 200.000 Flüchtlinge arbeitslos. Die Arbeitssuche wurde Flüchtlingen und Asylbewerbern durch zahlreiche Hürden wie lange Bearbeitungszeiten für die Prüfung ihrer Qualifikationen, fehlende offizielle Nachweise und begrenzte Deutschkenntnisse erschwert.

Das Gesetz schloss bestimmte Asylbewerbergruppen von einzelnen Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen und Beschäftigungsmöglichkeiten aus. Dazu zählten Asylbewerber aus „sicheren Herkunftsländern“ sowie Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden, die aber nicht in das Land im Gebiet der Dublin-III-Verordnung zurückgeschickt werden können, in das sie zuerst eingereist waren. Die Behörden verwehrten Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus aus „sicheren Herkunftsländern“, die ihren Asylantrag nach August 2015 gestellt hatten, eine Erwerbstätigkeit.

Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen: Die Entscheidungsbefugnis darüber, wie Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten untergebracht werden und ob sie finanzielle oder andere Leistungen erhalten, liegt bei den Landesbeamten.

Mehrere Bundesländer gaben Gesundheitsversicherungskarten an Asylbewerber aus. Mit den Versichertenkarten können Asylbewerber ohne vorherige Genehmigung der Behörden einen Arzt ihrer Wahl aufsuchen. In anderen Bundesländern erhielten Asylbewerber erst nach 15 Monaten eine Versichertenkarte und mussten sich eine Genehmigung von den lokalen Behörden holen, bevor sie einen Arzt aufsuchen konnten. Die Hilfsorganisation Diakonie kritisierte jedoch das Versichertenkarten-System, da es Asylbewerbern lediglich das Recht auf Notfallversorgung einräume. Einige Gemeinden und private Gruppen organisierten zum Teil zusätzliche medizinische Versorgung.

Nachhaltige Lösungen: Die Regierung nahm insbesondere aus ihrem Heimatland geflohene Flüchtlinge, die gefährdeten Gruppen angehörten, zur Umsiedlung an und unterstütze ihre Integration (bis hin zur Einbürgerung). Zu diesen Gruppen gehörten Frauen mit Kindern, Flüchtlinge mit Behinderungen, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter oder Vergewaltigung. Die Behörden erteilten längerfristig in der Bundesrepublik aufhältigen Migranten, Asylbewerbern und Flüchtlingen und Migranten, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, Aufenthaltsgenehmigungen. Die Regierung half Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten bei der sicheren, freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer.

In der ersten Jahreshälfte unterstützten die Behörden 6.786 Personen mit jeweils 300 bis 500 Euro, um deren freiwillige Rückkehr in ihre Heimatländer zu ermöglichen. Dieses Angebot nutzten Personen, deren Asylantrag abgelehnt worden war, oder Ausländer ohne gültige Ausweispapiere.

Die Behörden boten allen Asylbewerbern mit noch nicht beschiedenen und wenig aussichtsreichen Anträgen eine Rückkehrerförderung zwischen 800 und 1.200 Euro pro Person an. Die meisten Antragsteller, die diese Förderung in Anspruch nahmen, kamen aus Albanien, Serbien, Nordmazedonien und Irak.

Vorübergehender Schutz: Der Staat bietet Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde, zwei Formen des vorübergehenden Schutzes – subsidiären und humanitären Schutz. In der ersten Jahreshälfte gewährten die Behörden 11.855 Personen subsidiären Schutz. Diesen Status erhalten in der Regel Personen, denen weder der Flüchtlingsstatus noch Asyl gewährt werden kann, denen aber in ihrem Heimatland aufgrund von Krieg oder Konflikten ernsthafte Gefahr droht. Im gleichen Zeitraum gewährten die Behörden 3.872 Personen humanitären Schutz. Humanitären Schutz erhält, wer die für einen anderen Schutzstatus notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt, aber aus anderen humanitären Gründen nicht in sein Heimatland zurückkehren kann (z. B. bei einer Krankheit, für die es im Herkunftsland keine medizinische Behandlungsmöglichkeit gibt). Beide Arten des vorübergehenden Schutzes werden für ein Jahr gewährt und können verlängert werden. Wer unter subsidiärem oder humanitärem Schutz steht, kann nach fünf Jahren einen unbegrenzten Aufenthaltstitel erhalten, wenn er oder sie nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen ist und über gute Deutschkenntnisse verfügt.

G. STAATENLOSE

Statistiken des UNHCR zufolge lebten Ende 2018 14.779 Staatenlose in Deutschland. Einige von ihnen verloren ihre frühere Staatsangehörigkeit mit dem Zerfall der Sowjetunion oder Jugoslawiens. Andere waren Palästinenser aus dem Libanon oder Syrien, die die Behörden als Staatenlose registrierten.

Die bestehenden Gesetze und Maßnahmen ermöglichen Staatenlosen die Einbürgerung ohne Diskriminierung. Staatenlose können nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Die Vorlage ausreichender Nachweise für die Staatenlosigkeit kann sich jedoch schwierig gestalten, da die Beweislast beim Antragsteller liegt. Im Allgemeinen schützten die Behörden staatenlose Personen vor der Abschiebung in das Land ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthaltes, wenn ihnen dort politische Verfolgung drohte.

Abschnitt 3. Das Recht, sich am politischen Prozess zu beteiligen

 

Das Grundgesetz ermöglicht es Staatsbürgern, ihre Regierung in freien, fairen und regelmäßig stattfindenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen zu wählen.

WAHLEN UND POLITISCHE TEILHABE

Letzte Wahlen: Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und 45 Abgeordnete aus 25 Ländern beobachteten die Bundestagswahl im September 2017 und beurteilten sie als gut organisiert, frei und fair.

Politische Parteien und politische Teilhabe: Die politischen Parteien waren im Berichtszeitraum ohne Einschränkungen oder äußere Einmischung tätig, es sei denn, die Behörden stuften sie als verfassungsfeindlich ein. Wenn die Bundesbehörden eine solche Bedrohung wahrnehmen, können sie beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Parteiverbot beantragen.

Im April beurteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Entfernung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis als rechtens. Der betroffene Beamte war von 2010 bis 2015 Mitglied der regionalen rechtsgerichteten Partei Pro NRW, die vom Verfassungsschutzamt des Landes Nordrhein-Westfalen als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Der Beamte war Vize-Vorsitzender von Pro NRW und kandidierte für die Partei bei der Landtagswahl 2012. Das Gericht befand, durch die aktive Parteiarbeit in einer solchen Partei habe der Polizist seine politische Treuepflicht verletzt.

Das Gesetz sieht vor, dass jede politische Partei entsprechend ihrer Ergebnisse bei Wahlen auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene öffentliche Mittel des Bundes erhält. Dem Grundgesetz nach haben extremistische und verfassungsfeindliche Parteien aber kein Anrecht auf staatliche Förderung. Im Juli reichten Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung einen Antrag auf Ausschluss der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) von der staatlichen Parteienfinanzierung zum Bundesverfassungsgericht ein, den sie mit den verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD begründeten. Im November war der Fall noch anhängig.

Am 15. Januar wies der Niedersächsische Staatsgerichtshof die Klage der AfD gegen die Verfassungsmäßigkeit eines neuen Gesetzes zurück, nach dem der AfD kein Sitz im Stiftungsrat der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten zusteht, die Trägerin der Holocaust-Gedenkstätte Bergen-Belsen ist. Das Gericht urteilte, der Antrag sei unbegründet und teilweise unzulässig gewesen, da die Stiftung kein Organ des Parlaments sei und insofern nicht die Repräsentanz aller im Parlament vertretenen politischen Parteien erforderlich sei. Es ist nicht möglich, am niedersächsischen Staatsgerichtshof Berufung einzulegen.

Teilhabe von Frauen und Minderheiten: Es gibt keine Gesetze, die die Teilhabe von Frauen und Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess einschränken, und sie hatten daran teil.

Abschnitt 4. Korruption und mangelnde staatliche Transparenz

 

Das Gesetz sieht für Korruption durch Amtsträger Strafen vor, und der Staat setzte dieses Gesetz im Allgemeinen konsequent um. Im Berichtszeitraum gab es vereinzelte Berichte über staatliche Korruption.

Korruption: Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (Council of Europe’s Group of States against Corruption – GRECO) hat in einem Bericht vom Juni das Land als „insgesamt nicht zufriedenstellend“ eingestuft und dem Bundestag vorgeworfen, ihre Empfehlungen zur Prävention von Korruption bei Parlamentsmitgliedern nicht umzusetzen. Von den acht Empfehlungen der GRECO aus dem Jahr 2014 hatte die Regierung nur drei in zufriedenstellender Weise umgesetzt. Unter anderem bemängelte die GRECO die unklaren Regelungen des Bundestags für den Umgang mit Lobbyisten und sehr laxe Meldepflichten für Parlamentarier, auch im Hinblick auf bestehende und potenzielle Interessenkonflikte.

Im April gingen verschiedene Medien bei ihren Recherchen dem Versuch Russlands nach, Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen, insbesondere durch die AfD. Sie enthüllten russische Dokumente von 2017, aus denen die Empfehlung hervorging, Russland möge den AfD-Kandidaten Markus Frohnmaier ganz konkret unterstützen, da Russland im Falle seines Wahlsieges „seinen ganz eigenen Abgeordneten im Bundestag“ hätte. Frohnmaier wurde 2017 in den Bundestag gewählt und vertritt seither konsequent pro-russische Positionen.

Im März stellte Transparency Germany, die deutsche Abteilung von Transparency International, Strafantrag gegen MdB Karin Strenz und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner wegen eines mutmaßlichen Falls von Bestechung durch die Regierung von Aserbaidschan. Seit den frühen 2000er-Jahren betrieb Aserbaidschan ein Geldwäscheprogramm, unter anderem mit dem Ziel, Politiker im Europarat zu bestechen, um Menschenrechtsresolutionen und Wahlbeobachtungsberichte abzuschwächen. Nach einer Untersuchung erteilte der Europarat Strenz und Lintner im Juni 2018 ein lebenslanges Hausverbot. Im Januar teilte das Bundestagspräsidium mit, dass Strenz gegen die Verhaltensregeln des Bundestags verstoßen habe.

Offenlegung von Finanzen: Landtags- und Bundestagsabgeordnete sind gesetzlich verpflichtet, ihre Nebeneinkünfte offenzulegen. Bei Nichteinhaltung können Ordnungsgelder verhängt werden, deren Höhe die Hälfte des Jahresgehalts eines Abgeordneten erreichen kann. Ernannte Amtsträger unterliegen den Offenlegungsregeln für Staatsbedienstete und müssen Nebenbeschäftigungen und Nebeneinkünfte offenlegen. Wenn die Vergütung eine bestimmte Grenze, die sich nach der Besoldungsgruppe richtet, übersteigt, muss der Bedienstete die darüber hinausgehenden Einkünfte an seine Dienstbehörde abführen. Die Sanktionierung von Staatsbediensteten bei Nichteinhaltung erfolgt nach dem Bundesdisziplinargesetz durch Geldbußen, Abmahnung oder Entlassung. Im Korruptionsfall Strenz verhängte der Bundestag im März ein Ordnungsgeld von über 19.000 Euro, weil die Abgeordnete Zahlungen einer Firma, die Gelder aus Aserbaidschan an sie weitergeleitet hatte, verspätet offengelegt hatte.

Abschnitt 5. Haltung der Regierung zu Untersuchungen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen durch internationale Gremien oder Nichtregierungsorganisationen

 

Verschiedene nationale und internationale Menschenrechtsgruppen unterlagen im Allgemeinen weder bei ihren Nachforschungen noch bei der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse zu Menschenrechtsverletzungen staatlichen Einschränkungen. Regierungsvertreter waren kooperativ und ihren Standpunkten gegenüber aufgeschlossen.

Für Menschenrechte zuständige staatliche Gremien: Eine Reihe von Regierungsbehörden setzte sich unabhängig und wirksam für den Schutz der Menschenrechte ein. Der Bundestag verfügt über einen Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie über einen Petitionsausschuss. Der Petitionsausschuss befasst sich mit Beschwerden aus der Bevölkerung, darunter auch Menschenrechtsfragen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist verantwortlich für die Überwachung der Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Landes, zu denen auch Verträge und Konventionen gehören. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine halbstaatliche Organisation, die sich mit Diskriminierung befasst und Opfer von Diskriminierung unterstützt. Die Verantwortung für den Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen liegt insbesondere beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die Beauftragte für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz überwacht die Umsetzung von Gerichtsentscheidungen zum Schutz der Menschenrechte.

Abschnitt 6. Diskriminierung, Übergriffe in der Gesellschaft, Menschenhandel

 

FRAUEN

Vergewaltigung und häusliche Gewalt: Vergewaltigung ist laut Gesetz eine Straftat; darunter fällt auch die Vergewaltigung von Frauen und Männern in der Ehe. Das Gesetz sieht ein Strafmaß von bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe vor. Behörden können Menschen, denen Missbrauch vorgeworfen wird, ohne Gerichtsbeschluss den Zugang zu ihrer Wohnung vorübergehend verwehren oder eine einstweilige Verfügung erwirken. In schweren Fällen von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt können diese Personen wegen Körperverletzung oder Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt und zu Schadensersatzzahlungen verurteilt werden. Das Strafmaß hängt vom jeweiligen Fall ab. Der Staat setzte die Gesetze wirksam durch.

2018 wurden 9.234 Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen und Männer zur Anzeige gebracht. Das ist eine deutlich geringere Zahl als im Vorjahr. Die Bundespolizei hat jedoch darauf hingewiesen, dass das teilweise einer Änderung der statistischen Methodik zuzuschreiben ist, nach der bestimmte Vergehen, die zuvor als „sexuelle Gewalt“ eingestuft wurden, jetzt der Kategorie „sexuelle Belästigung“ zugeordnet werden.

Im Juli verurteilte ein Gericht in Wiesbaden einen irakischen Asylbewerber wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Das Gericht stellte auch die „besondere Schwere der Schuld“ fest, was eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren Haft sehr unwahrscheinlich macht. Er hatte im Juni 2018 in Wiesbaden eine 14-Jährige vergewaltigt und getötet. Der Verdächtige wurde außerdem beschuldigt, im März 2018 in einem Flüchtlingslager ein elfjähriges Mädchen zweimal vergewaltigt zu haben. Der Verdächtige war zunächst in den Irak geflüchtet, wurde dann aber an Deutschland überstellt, wo ihm der Prozess gemacht wurde.

Im Dezember 2018 vergewaltigte ein Polizist, der sich zu dem Zeitpunkt nicht im Dienst befand, in Berlin eine 24-Jährige. Nach einvernehmlichen sexuellen Handlungen verlangte der Polizist weitere sexuelle Handlungen von der Frau, die sie ablehnte. Der Beamte schlug und vergewaltigte sie, bis der Partner des Opfers eingriff. Die Berliner Staatsanwaltschaft betonte, dass sich der Beamte nicht im Dienst befand und sein Status keinen Einfluss auf die mutmaßliche Tat habe. Im November war der Fall noch anhängig.

Bundesregierung, Bundesländer und Nichtregierungsorganisationen unterstützten zahlreiche Projekte, um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und darauf zu reagieren, einschließlich der Gewährung von umfangreicherem Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtshilfe. In ganz Deutschland gibt es rund 340 Frauenhäuser mit insgesamt 6.700 Betten. Die Nichtregierungsorganisation Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) berichtete über Zugangsprobleme, insbesondere in größeren Städten, da sich Frauen, die Zuflucht in Frauenhäusern fanden, aufgrund des Mangels an verfügbarem und bezahlbarem Wohnraum oft länger dort aufhielten. Die ZIF gab auch an, dass Flüchtlingsfrauen besonders gefährdet seien, da von ihnen verlangt werde, drei Jahre im gleichen Stadtteil zu wohnen und viele von ihnen in Stadtteilen lebten, in denen es keine Frauenhäuser gebe.

Weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung (FGM/C): Die Genitalverstümmelung und -beschneidung von Frauen und Mädchen ist ein Straftatbestand mit einem Strafmaß von einem bis zu 15 Jahren Haft, auch wenn die Tat im Ausland begangen wurde. Behörden können Personen, die mutmaßlich ins Ausland reisen, um ein Mädchen oder eine Frau einer Genitalverstümmelung oder -beschneidung zu unterziehen, den Reisepass entziehen. Die Behörden machten von dieser Maßnahme seit Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2017 jedoch keinen Gebrauch. Weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung betraf Teile der zugewanderten Bevölkerung, insbesondere jene aus Eritrea, dem Irak, Somalia und Ägypten, sowie deren in Deutschland geborene Kinder. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kooperierte im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung mit anderen Bundesbehörden und allen 16 Bundesländern. Während offizielle Statistiken 2018 nur vier Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung/-beschneidung dokumentierten, ergab eine Studie des Ministeriums aus dem Monat März, dass zwischen 1.558 und 5.684 Töchter von Zuwanderern von weiblicher Genitalverstümmelung/-beschneidung bedroht sind.

Andere schädliche traditionelle Praktiken: „Ehrenmord“ bezeichnet laut Gesetz den Tatbestand des Mordes mit einem Strafmaß bis hin zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Staat setzte das Gesetz effektiv durch und finanzierte Programme, deren Ziel es ist, Ehrenmorde zu stoppen.

Sexuelle Belästigung: Sexuelle Belästigung von Frauen ist ein anerkanntes Problem und gesetzlich verboten. Das Strafmaß sieht Geldstrafen sowie Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Es gibt unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen bei Belästigung am Arbeitsplatz, darunter auch die Entlassung des Täters. Arbeitgeber sind per Gesetz verpflichtet, Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung zu schützen. Das Gesetz stuft das Versäumnis eines Arbeitgebers, Maßnahmen zum Schutz seiner Angestellten vor sexueller Belästigung zu ergreifen, als Vertragsverletzung ein. Betroffene Arbeitnehmer haben das Recht, der Arbeit bei Lohnfortzahlung fernzubleiben, bis der Arbeitgeber den Missstand beseitigt hat. Gewerkschaften, Kirchen, staatliche Stellen und Nichtregierungsorganisationen unterhielten eine Reihe von Programmen zur Unterstützung betroffener Frauen und förderten Seminare und Kurse, um sexueller Belästigung vorzubeugen.

Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle: Es gab keine Berichte über Zwangsabtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen.

Diskriminierung: Frauen und Männer genießen laut Grundgesetz den gleichen rechtlichen Status und die gleichen Rechte, auch in den Bereichen Familie, Arbeit, Religion, Familienstand, Eigentum, Staatsangehörigkeit und Erbrecht. Der Staat setzte das Gesetz im Allgemeinen effektiv durch.

KINDER

Geburtsanzeigen: Die deutsche Staatsangehörigkeit wird in der Regel durch die Eltern übertragen. Die Staatsangehörigkeit kann laut Gesetz durch Geburt in Deutschland erworben werden, wenn ein Elternteil bereits seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebt oder seit mindestens drei Jahren eine Daueraufenthaltsgenehmigung besitzt. Die Eltern oder der Vormund müssen die Geburt eines neugeborenen Kindes anzeigen. Wenn die Behörden eine Geburtsanzeige erhalten, wird diese in der Regel zügig bearbeitet. Eltern, die die Geburt ihres Kindes nicht anzeigen, kann eine Geldbuße auferlegt werden.

Kindesmisshandlung: Es gibt Gesetze gegen Kindesmisshandlung. Gewalt oder Grausamkeit gegen Minderjährige sowie die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht werden mit einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten bis zehn Jahren bestraft. Es wurden Fälle von Kindesmisshandlung gemeldet. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend förderte im Berichtszeitraum eine Reihe von Programmen zur Vorbeugung von Kindesmisshandlung. Ziel des Ministeriums war es, Eltern, Jugendeinrichtungen, Schulen, Kinderärzte und Gerichte zu vernetzen und bestehende Programme auf Ebene der Bundesländer und Kommunen zu fördern. Andere Programme beinhalteten therapeutische Maßnahmen und Unterstützung für erwachsene und jugendliche Opfer sexuellen Missbrauchs.

Kinderehen und Zwangsehen: Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre.

Aufgrund eines 2017 verabschiedeten Gesetzes sollen bestehende, im Ausland geschlossene Ehen, bei denen einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung noch unter 16 Jahre alt war, unwirksam sein, auch wenn sie nach ausländischem Recht wirksam geschlossen wurden. 16- und 17-Jährige können auf Fallbasis vor Gericht die Anerkennung ihrer im Ausland geschlossenen Ehe beantragen, wenn die Nichtanerkennung ihrer Ehe für sie eine schwere Härte bedeutet. Zu diesen Fällen gibt es keine zentrale Gesamtstatistik.

Kinderehen und Zwangsehen betreffen hauptsächlich Mädchen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Offiziellen Angaben zufolge befanden sich nach dem 31. März 179 verheiratete Minderjährige im Land, ein deutlicher Rückgang seit 2016 (1.475). Die Mehrheit der verheirateten minderjährigen Antragsteller stammte aus Syrien.

Sexuelle Ausbeutung von Kindern: Das Gesetz verbietet die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern, den Verkauf, das Angebot oder die Beschaffung von Kindern zur Prostitution sowie Praktiken im Zusammenhang mit Kinderpornografie. Die Behörden setzten das Gesetz durch. Das Mindestalter für Geschlechtsverkehr in beiderseitigem Einvernehmen beträgt 14 Jahre, es sei denn, der ältere Partner ist über 18 Jahre alt und die sexuellen Handlungen finden unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt statt und der jüngere Partner ist unter 16 Jahre alt. Personen über 21, die Geschlechtsverkehr mit Kindern unter 16 Jahren haben, machen sich außerdem im Falle der Ausnutzung der fehlenden Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung des Opfers strafbar. Der unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung betreibt das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch sowie das Online-Hilfeportal Sexueller Missbrauch, deren Angebote anonym und kostenlos sind.

Im Januar informierte die Polizei die Öffentlichkeit über Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde (Nordrhein-Westfalen); in dem Fall waren mehr als 40 Kinder zwischen drei und 14 Jahren sexuell missbraucht worden. Der Missbrauch fand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren statt. Drei Verdächtige wurden in Gewahrsam genommen und gestanden die Taten. Im Juli wurde ein Mann wegen der Teilnahme an Webcamübertragungen und des Besitzes von kinderpornografischem Material zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Er muss sich außerdem einer Therapie unterziehen. Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen das aus ihrer Sicht zu milde Urteil ein. Die beiden anderen Männer wurden im September zu 13 bzw. 12 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Am 12. Juli wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, um mögliches Versagen, Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung NRW in dem Kindesmissbrauchsfall aufzuklären. Zu den in den Untersuchungen festgestellten Auffälligkeiten zählten das Verschwinden von 155 USB-Sticks von der örtlichen Polizeiwache, auf denen kinderpornographisches Material gespeichert war, die Unterbringung eines Pflegekindes bei einem der Haupttäter und die Tatsache, dass die Behörden einem schon früher geäußerten Verdacht auf Kindesmissbrauch nicht nachgegangen waren. Im November hatte der Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch nicht abgeschlossen.

Der Fall führte zur Schaffung neuer Ressourcen für Opfer von Missbrauch und Staatsanwälte. Im März wurde in Köln ein neues Büro als Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche eröffnet, im Mai nahm das erste landesweite Kinderschutzzentrum in Köln seine Arbeit auf. Das Büro bringt die Expertise von Rechtsmedizinern und Kinderschutzexperten zusammen, um mutmaßliche Fälle von Kindesmissbrauch zu untersuchen.

Vertriebene Kinder: Laut der Nichtregierungsorganisation Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), beantragten 2018 4.087 unbegleitete Minderjährige im Land Asyl; mehr als die Hälfte von ihnen kamen aus vier Ländern: Afghanistan, Somalia, Guinea und Eritrea. Das BAMF gewährte unbegleiteten Minderjährigen nur in 61,5 Prozent der Fälle irgendeine Form von Asyl – ein massiver Rückgang von 94,5 Prozent im Jahr 2016. Der BumF erklärte, einige dieser unbegleiteten Minderjährigen könnten Opfer von Menschenhandel geworden sein. Weitere Informationen hierüber finden Sie im Bericht zum Menschenhandel des US-Außenministeriums unter https://de.usembassy.gov/de/laenderberichte-zu-menschenhandel-2019-bundesrepublik-deutschland/.

Die Nichtregierungsorganisation Off Road Kids schätzt die Zahl der Kinder im Alter von 12 bis 18 Jahren, die jedes Jahr zumindest vorübergehend obdachlos sind, auf 2.500. Off Road Kids berichtete, dass die meisten Ausreißer nicht auf der Straße landeten, sondern bei Bekannten unterkämen. Diese Jugendlichen hätten in der Regel die Schule abgebrochen und erhielten keine Unterstützung vom Jugendamt oder ihren Eltern und nutzten stattdessen digitale Netzwerke, um vorübergehend bei Freunden und Internetbekanntschaften unterzukommen.

Internationale Kindesentführungen: Deutschland ist Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung aus dem Jahr 1980. Vergl. Annual Report on International Parental Child Abduction des US-Außenministeriums unter https://travel.state.gov/content/travel/en/International-Parental-Child-Abduction/for-providers/legal-reports-and-data/reported-cases.html.

ANTISEMITISMUS

Beobachter schätzten die jüdische Bevölkerung auf fast 200.000 Personen, von denen schätzungsweise 90 Prozent aus der ehemaligen Sowjetunion stammten. In jüdischen Gemeinden waren rund 107.000 Mitglieder registriert.

Bei öffentlichen Kundgebungen, Sportwettkämpfen und anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen, in Schulen, auf der Straße, in einigen Medien und im Internet kam es zu antisemitischen Äußerungen und antisemitischem Verhalten, einschließlich körperlicher und verbaler Angriffe. Neben antisemitischen Äußerungen gehörte die Schändung von jüdischen Friedhöfen und Holocaust-Gedenkstätten zu den häufigsten antisemitischen Taten. Die Bundesregierung schrieb die meisten antisemitischen Vorfälle Neonazi- oder anderen rechtsextremen Gruppen oder Personen zu. Jüdische Organisationen berichteten auch von einer zunehmend antisemitischen Haltung und entsprechendem Verhalten unter manchen muslimischen Jugendlichen und Linksextremisten. Nichtregierungsorganisationen waren sich einig, dass Rechtsextreme für die Mehrzahl der antisemitischen Vorfälle verantwortlich zu machen waren, gaben aber zu bedenken, dass nationale Statistiken viele von Muslimen begangene Taten als rechtsextrem einstuften.

2018 meldete das Bundesinnenministerium 1.799 antisemitische Straftaten, ein Anstieg im Vergleich zu 1.504 antisemitischen Straftaten im Jahr 2017. Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Bekämpfung von Antisemitismus einsetzen, stellten fest, dass die gemeldete Zahl antisemitischer Übergriffe wahrscheinlich zu niedrig sei und eine große Anzahl von Fällen aus Angst nicht gemeldet würde.

Dem jährlichen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz zufolge stieg die Zahl antisemitischer Vorfälle um mehr als 70 Prozent von 28 im Jahr 2017 auf 48 im Jahr 2018. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat drei gewalttätige antisemitische Vorfälle registriert, die von Linksextremen verübt wurden, sowie vier mit einem religiös-ideologischen Hintergrund und zehn mit einer ausländischen ideologischen Motivation. Die Bundesanwälte erhoben Anklage gegen Verdächtige und erhielten die dauerhaften Sicherheitsvorkehrungen im Umfeld zahlreicher Synagogen aufrecht.

Im Laufe des Jahres wurde Antisemitismus von zahlreichen prominenten Regierungsvertretern wiederholt verurteilt, auch von Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Maas. 2018 schuf die Bundesregierung das Amt des Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. In mehreren Bundesländern wurden Länderbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt. Die Verantwortungsbereiche sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, beinhalten aber Treffen mit der jüdischen Gemeinde, die Erstellung von Statistiken zu antisemitischen Vorfällen sowie die Erarbeitung von Aufklärungs- und Präventionsprogrammen.

Am 9. Oktober verübte ein bewaffneter Mann einen Angriff auf die Synagoge in Halle, wo anlässlich Yom Kippurs etwa 50 Personen einem Gottesdienst beiwohnten. Als es dem Bewaffneten nicht gelang, in die Synagoge einzudringen, erschoss er außerhalb der Synagoge in einem Imbiss zwei deutsche Staatsbürger. Kurz nach dem Angriff wurde er festgenommen. Die Ermittlungen der Bundesstaatsanwaltschaft über Hintergrund und Motive des Verdächtigen waren noch nicht abgeschlossen, aber Medienberichten zufolge hat er den Ermittlungsbehörden gegenüber zugegeben, mit dem rechtsextremen politischen Spektrum zu sympathisieren. Mehrere Oberhäupter jüdischer Gemeinden forderten in allen Synagogen Polizeischutz während Gottesdiensten. Führende Politiker versprachen, man werde entschlossener gegen Antisemitismus und gewalttätigen Rechtsextremismus vorgehen, und das Bundesinnenministerium führte ein Maßnahmenpaket ein, um die Sicherheit zu verbessern und von antisemitischen Straftaten abzuschrecken, das vom Bundestag voraussichtlich Anfang 2020 verabschiedet werden soll.

Im März berichteten lokale Medien, dass das Strafverfahren gegen vier Polizisten im Zusammenhang mit einem Vorfall in Bonn im Juli 2018 eingestellt worden sei. Bei dem Vorfall war ein [israelischer] Gastprofessor mutmaßlich von einem 20-jährigen Deutschen mit palästinensischen Wurzeln angegriffen worden. Als die Polizei eintraf, flüchtete der Angreifer; die Polizisten hielten fälschlicherweise das Opfer für den Angreifer und nahmen ihn unter Einsatz übermäßiger Gewalt fest. Die Polizei nahm den Täter später fest und legte ihm Volksverhetzung und Körperverletzung zur Last. Die Polizei in Köln eröffnete ein internes Ermittlungsverfahren und versetzte die am Vorfall beteiligten Polizeibeamten bis zum Abschluss der Ermittlungen in den Innendienst. Die Staatsanwaltschaft verwehrte dem Professor den Wunsch, im Rahmen der internen Ermittlungen auszusagen. Die Polizisten kehrten anschließend in den regulären Dienst zurück. Der Angreifer wurde wegen Volksverhetzung und Körperverletzung angeklagt. Der Prozess fand am 14. Oktober statt und führte zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung. Der Angreifer wurde zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, in die eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten für Raub, Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung und Schwarzfahren einfloss.

Medienberichten zufolge ermittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft im Dezember 2018 gegen fünf Polizeibeamte, die sich Textnachrichten mit rechtsextremem Inhalt gesendet hatten, darunter rassistische Parolen, Hakenkreuze und Bilder von Hitler. Die Ermittler nahmen die Arbeit auf, nachdem einer Anwältin, die in den Jahren von 2013 bis 2018 Familien von Opfern des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vertreten hatte, im August ein Drohbrief an ihre nicht öffentlich bekannte private Anschrift zugegangen war, der mit „NSU 2.0“ unterschrieben war. Nachdem sie die Drohung gemeldet hatte, stellten die Ermittler fest, dass ein Beamter in Frankfurt eine unerlaubte Suche nach ihrer Adresse durchgeführt hatte, und fanden die rechtsextremen Nachrichten. Im Juni darauf erhielt die Anwältin weitere Todesdrohungen, die abermals mit „NSU 2.0“ unterschrieben waren. Ebenfalls im Juni wurde ein weiterer Frankfurter Polizist im Zusammenhang mit dem Skandal, der sich bis März auf 38 Ermittlungen gegen Polizeibeamte in Hessen ausgeweitet hatte, für kurze Zeit festgenommen.

Im Juli wurden Rabbi Yehuda Teichtal und sein Sohn beim Verlassen einer Berliner Synagoge von zwei Arabisch sprechenden Männern beleidigt und bespuckt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte Teichtal später zu Hause, um seine Unterstützung zu signalisieren. Er sagte, für Antisemitismus dürfe es in Deutschland keinen Platz geben. Teichtal rief zu „Toleranz, Dialog und Bildung“ auf, um dem wachsenden Antisemitismus zu begegnen. Bei weiteren antisemitischen Vorfällen in Hamburg und München wurden Menschen teilweise bespuckt und antisemitisch beschimpft.

MENSCHENHANDEL

Den Deutschlandteil der Länderberichte zu Menschenhandel des US-Außenministeriums finden Sie unter https://de.usembassy.gov/de/laenderberichte-zu-menschenhandel-2019-bundesrepublik-deutschland/.

MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN

Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen ist laut Gesetz verboten. Das Gesetz führt Personen mit sensorischen oder kognitiven Beeinträchtigungen nicht gesondert auf, ihre Rechte werden als in den anderen Rubriken erfasst angesehen. Nichtregierungsorganisationen waren sich nicht einig, ob die Behörden diese Gesetze effektiv durchsetzten.

Am 15. März stimmte der Bundestag für die Ausweitung des Wahlrechts auf rund 80.000 Erwachsene mit Behinderungen in Deutschland, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung „Betreuung in allen Angelegenheiten“ erhielten, da sie nicht in der Lage seien, ihre administrativen und finanziellen Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Das Verfassungsgericht entschied im April, dass dieses Gesetz rechtzeitig vor der Wahl zum Europaparlament Ende Mai verabschiedet werden müsse, was geschah.

Eine Behindertenwerkstatt im nordrhein-westfälischen Leverkusen, die Menschen mit Behinderungen getrennt von Menschen ohne Behinderung beschäftigt, entließ zwei Betreuer, nachdem im Februar 2017 in einem Fernsehbericht heimlich dort gemachte Aufnahmen von 2015 zeigten, wie diese eine geistig behinderte junge Frau demütigten. Das Management der Behindertenwerkstatt kritisierte, dass der Sender ihm seine Erkenntnisse nicht früher zur Verfügung gestellt hatte. Im Juni verurteilte das Amtsgericht Opladen in Nordrhein-Westfalen eine entlassene Betreuerin zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro. Die Kölner Staatsanwaltschaft klagte zwei weitere Personen an, die Fälle wurden aber wegen Mangels an Beweisen nicht weiter verfolgt.

Menschen mit Behinderungen hatten es besonders schwer, Wohnraum zu finden.

Den Bundesländern obliegt die Entscheidung, ob Kinder mit Behinderungen am Regelunterricht teilnehmen können oder eine Förderschule besuchen müssen. Von 2017 bis 2018 gingen 544.630 Kinder mit Förderbedarf zur Schule, 317.480 davon in Förderschulen. Es gab einige Fälle von Eltern- oder Lehrerprotesten gegen die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf an Regelschulen, überwiegend deshalb, weil diesen Schulen keine ausreichenden Ressourcen und Fähigkeiten zur Verfügung standen, um deren Bedürfnissen gerecht zu werden.

NATIONALE/ETHNISCHE MINDERHEITEN

Der Jahresbericht des Verfassungsschutzes für 2018 verzeichnet 1.088 politisch motivierte Gewaltstraftaten, die von Personen mit rechtsextremem Hintergrund begangen wurden. Davon wurden 821 als fremdenfeindlich eingestuft.

Im Juli wurde in Wächtersbach (Hessen) ein 26-jähriger Eritreer von einem 55-jährigen Rechtsextremisten angeschossen und schwer verletzt. Vor dem Angriff hatte der Täter angekündigt, einen Flüchtling töten zu wollen. Eine Durchsuchung der Wohnung des Täters bestätigte den Verdacht, dass er ein fremdenfeindliches Motiv hatte, so ein Polizeisprecher. Die Polizei fand die Leiche des Täters in einem Auto in der Nachbarstadt, wo er sich selbst durch einen Kopfschuss getötet hatte.

Am 20. März gab es Presseberichte darüber, dass Justizbehörden 239 Strafverfahren im Zusammenhang mit Demonstrationen in Chemnitz im August 2018 aufgenommen hatten, als etwa 6.000 rechtsextreme Demonstranten und 1.500 Gegendemonstranten auf der Straße protestierten, weil ein Deutscher Berichten zufolge von zwei Zuwanderern erstochen worden war. In den Nachrichten sah man, wie Extremisten den rechtswidrigen Hitlergruß zeigten und ausländerfeindliche Parolen riefen. Am 22. August verurteilte das Amtsgericht Chemnitz einen 23-jährigen Asylbewerber aus Syrien für den tödlichen Messerangriff, der zu den Demonstrationen geführt hatte, zu neun Jahren und sechs Monaten Haft. Die Behörden nehmen an, dass der andere Verdächtige, ein 22-jähriger Iraker, aus Deutschland geflohen ist.

Anfeindungen richteten sich gegen Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika. Am 17. März warfen zwei Männer einen Brandsatz auf ein Asylbewerberheim in Nussdorf (Bayern); zwei Wochen darauf verübten sie einen weiteren, ähnlichen Anschlag auf dieselbe Einrichtung. Die Polizei nahm einen 20-jährigen und einen 23-jährigen Täter fest, beide wurden zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Menschen ausländischer Herkunft hatten besondere Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) berichtete von Vermietern, die sich weigerten, an Menschen nichtdeutscher Herkunft – insbesondere türkischer und afrikanischer Herkunft – zu vermieten.

Die Schikanierung von Mitgliedern ethnischer Minderheiten wie beispielsweise der Roma stellte bundesweit weiterhin ein Problem dar. Im März veröffentlichte das Bundesinnenministerium Statistiken, denen zufolge Übergriffe auf Sinti und Roma 2018 um 54 Prozent zugenommen hatten. Bis auf fünf Übergriffe stufte das Ministerium alle als rechtsextrem ein, und von den 36 Verdächtigen gehörten 32 der rechtsextremen Szene an. Das Bundesministerium des Innern erklärte, dass „die Fallzahl, auch wenn es einen Anstieg gegenüber 2017 gibt, noch immer auf niedrigem Niveau ist“. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, legte nahe, dass viele Straftaten gegen Sinti und Roma nicht angezeigt würden.

Im Mai wurde in Erbach (Baden-Württemberg) eine brennende Fackel auf ein Fahrzeug geworfen, in dem eine Roma-Familie mit ihrem neun Monate alten Baby schlief. Es wurde niemand verletzt, da die Fackel den Campingwagen verfehlte. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ging von einer politisch motivierten Straftat aus; im Juli nahm die Polizei in Zusammenhang mit der Straftat fünf Deutsche im Alter zwischen 17 und 20 Jahren fest.

GEWALTTATEN, DISKRIMINIERUNG UND ANDERE ÜBERGRIFFE AUFGRUND DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG UND GESCHLECHTSIDENTITÄT

Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität sind gesetzlich verboten. LGBTI-Aktivisten kritisierten, dass Transpersonen als „psychisch krank“ eingestuft werden müssen, damit ihr Geschlecht anerkannt wird.

Im März kündigte Bundesjustizministerin Katarina Barley an, dass homosexuelle Männer, die im Rahmen des Gesetzes über die Bestrafung sexueller Handlungen zwischen Männern zwischen 1949 und 1969 strafrechtlich verfolgt wurden oder in Untersuchungshaft kamen, Anspruch auf staatliche Entschädigung hätten. Die Regierung begann mit der sofortigen Auszahlung von Entschädigungen an Antragsteller. Barley sagte, das Gesetz gegen Homosexualität, bekannt als Paragraf 175 „hat Leben zerstört und zu Scheinehen, Schikanen, Erpressung und Selbstmorden geführt“. 2017 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Entschädigung homosexueller Männer, die im Rahmen des Gesetzes gegen sexuelle Handlungen zwischen Männern verurteilt worden waren, aber Barleys Erklärung bezog sich auch auf Männer, gegen die strafrechtlich ermittelt wurde, die aber nicht verurteilt worden waren. 1969 wurde Homosexualität in Westdeutschland entkriminalisiert, aber etwa 50.000 Männer waren zwischen 1949 und 1969 verurteilt worden.

Im Juni erklärte das Landgericht Chemnitz, es könne in dem Fall eines 27-jährigen Homosexuellen, der im April 2018 zu Tode geprügelt worden war, kein homophobes oder rechtsextremes Motiv erkennen. Das Gericht verurteile die drei Männer wegen Totschlags und nicht wegen Mordes. Die drei waren bekannte Mitglieder der rechtsextremen Szene, und einer der Männer hatte ein Hakenkreuz-Tattoo. Die Polizei hatte die Straftat als „rechts motiviertes Tötungsdelikt“ eingestuft.

SOZIALE STIGMATA HIV UND AIDS

Die Nichtregierungsorganisation Deutsche AIDS-Stiftung berichtete von Fällen gesellschaftlicher Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS, die von Ausgrenzung und negativen Äußerungen von Bekannten, Familie und Freunden bis hin zu Mobbing am Arbeitsplatz reichten. Eine deutsche AIDS-NGO wiederholte ihre Kritik an den bayerischen Behörden, die bei Asylbewerbern obligatorische HIV-Tests durchführten.

ANDERE FÄLLE VON GEWALT ODER DISKRIMINIERUNG IN DER GESELLSCHAFT

Im März 2018 schrieben unbekannte Täter islamfeindliche Parolen an die Fatih-Moschee im Bremer Stadtteil Gröpelingen. Der Staatsschutz der Bremer Polizei nahm Ermittlungen auf. Der Vorsitzende der Fatih-Moschee, Zekai Gumus, rief den Bremer Senat und die Behörden dazu auf, das Verbrechen aufzuklären und merkte an, dass die Polizei die Täter eines 2017 verübten Anschlags auf die Moschee bis dato noch immer nicht ermittelt habe. Bis Juli hatte die Polizei noch immer keine Verdächtigen für den Anschlag im März 2018 ermittelt.

Am 8. Juni schändeten in Bremen unbekannte Täter 50 Exemplare des Korans, indem sie sie in Toiletten warfen, als die Moschee öffentlich zugänglich war. Ab November ermittelte die örtliche Polizei.

Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten erneut über die Durchführung diskriminierender Personenkontrollen durch die Polizei bei Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten.

Abschnitt 7. Arbeitnehmerrechte

 

A. VEREINIGUNGSFREIHEIT UND DAS RECHT AUF TARIFVERHANDLUNGEN

Grundgesetz, Bundesgesetze und Verordnungen gewährleisten das Recht von Arbeitnehmern, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten sowie Tarifverhandlungen und rechtmäßige Streiks durchzuführen. Wilde Streiks sind nicht erlaubt. Die Diskriminierung von Gewerkschaftsmitgliedern ist laut Gesetz verboten, und es gibt Rechtsbehelfe, um Schadensersatz geltend zu machen, unter anderem zur Wiedereinstellung unrechtmäßig entlassener Arbeitnehmer.

Einige Gesetze und Verordnungen schränken diese Arbeitnehmerrechte ein. Beamten steht es frei, Gewerkschaften zu gründen oder sich ihnen anzuschließen. Ihre Gehälter und Arbeitsbedingungen werden aber per Gesetz und nicht durch Tarifverhandlungen bestimmt. Alle Beamten im öffentlichen Dienst (darunter auch einige Lehrer und Mitarbeiter von Post, Bahn und Polizei) sowie Angehörige der Streitkräfte sind vom Streikrecht ausgenommen.

Arbeitgebern steht es im Allgemeinen frei, zu entscheiden, ob sie einen Tarifvertrag abschließen wollen. Auch Unternehmen, die sich dagegen entscheiden, sind zur Anwendung von Tarifvertragsbestimmungen verpflichtet, wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Tarifvertrag für allgemein verbindlich für den gesamten Sektor erklärt. Arbeitgeber, die rechtlich nicht an einen Tarifvertrag gebunden waren, orientierten sich bei der Festlegung aller oder eines Teils der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten dennoch häufig an Tarifverträgen. Arbeitgeber können vor Gericht die Verhältnismäßigkeit eines Streiks sowie das Recht einer Gewerkschaft, Streikmaßnahmen zu ergreifen, anfechten. Das Gesetz gibt für Streiks keine klaren Regelungen vor; Gerichte berufen sich hier häufig auf die Rechtsprechung und Präzedenzfälle.

Der Staat setzte die vorhandenen Gesetze effektiv durch. Maßnahmen von Arbeitgebern, die die Vereinigungsfreiheit oder das Recht auf Tarifverhandlungen einschränken oder dagegen verstoßen, sind unrechtmäßig und werden mit Geldstrafen belegt. Die verhängten Strafen waren angemessen und die Abhilfemaßnahmen waren ausreichend.

Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Betriebsräten (der gewählten Arbeitnehmervertretung der Betriebe) ist gesetzlich geregelt. Darunter fällt auch das Recht der Arbeitnehmer, in betriebliche Maßnahmen des Unternehmens, die sie betreffen könnten, eingebunden zu werden. Die Betriebsräte sind von den Gewerkschaften unabhängig, haben aber häufig enge Verbindungen zur Arbeiterbewegung der jeweiligen Branche. Eine Einmischung des Arbeitgebers in die Betriebsratswahlen oder die Tätigkeit des Betriebsrats wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Untersuchungen aus dem Jahr 2018 haben ergeben, dass eine erhebliche Anzahl von Arbeitgebern Einfluss auf die Wahl von Mitgliedern des Betriebsrates genommen oder versucht hat, Beschäftigte von der Bildung eines Betriebsrates abzuhalten. Dieses Vorgehen wird von Gewerkschaften seit Langem kritisiert. Sie fordern strengere Gesetze, die Beschäftigte schützen, die im Rahmen der Gesetzgebung ihre Rechte ausüben möchten

B. VERBOT VON ZWANGS- ODER PFLICHTARBEIT

Das Grundgesetz und das Bundesrecht verbieten alle Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit. Das Strafmaß für Zwangsarbeit reicht von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und war in der Regel ausreichend, um abschreckend zu wirken.

Die Behörden setzten die Gesetze effektiv durch, wenn Verstöße festgestellt wurden, allerdings bezweifelten Nichtregierungsorganisationen, dass ausreichend Ressourcen für Ermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung solcher Straftaten zur Verfügung standen. Einige Menschenhändler erhielten milde oder Bewährungsstrafen, ein Vorgehen, das in Deutschland bei den meisten Straftaten üblich ist.

Es gab Berichte über Zwangsarbeit von Erwachsenen, hauptsächlich im Baugewerbe und in der Gastronomie. Darüber hinaus wurden auch Fälle aus Privathaushalten und Industriebetrieben gemeldet. 2018 schloss die Polizei 21 Ermittlungsverfahren in Fällen von Menschenhandel zum Zwecke der Zwangsarbeit ab. In diesem Zusammenhang wurden 63 Opfer erfasst, die mehrheitlich aus der Ukraine (29 Prozent), Vietnam (9 Prozent) und Ungarn (8 Prozent) stammten.

Wegen des Verdachts auf illegale Beschäftigung und Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung führten die Bundeszollbehörde und die Bundespolizei im August an mehr als 100 Standorten in Berlin Razzien gegen das Baugewerbe durch. Strafverfolgungsbeamte arbeiteten eng mit einer Nichtregierungsorganisation für Arbeitsschutz zusammen, um den Opfern (etwa 160 serbischen Staatsbürgern, die als Bauarbeiter tätig waren) unmittelbar Hilfe und Beratung zukommen zu lassen.

Im August führten 800 Bundespolizisten in den Bundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt Razzien wegen des Verdachts auf Menschenhandel und Arbeitsausbeutung von Arbeitnehmern aus Osteuropa durch. Die Polizei nahm zwei ukrainische Staatsbürger fest, die überwiegend illegalen, in Rinderzucht- und Fleischverarbeitungsbetrieben tätigen Arbeitskräften aus der Ukraine, Moldawien und Nordmazedonien mutmaßlich sehr niedrige Löhne gezahlt hatten.

Im September führten Polizeibeamte in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen an 33 Standorten Razzien in Zusammenhang mit Menschenhandel durch. Sie nahmen neun vietnamesische Staatsbürger fest, die mutmaßlich Scheinehen und falsche Vaterschaftsanerkennungen organisiert hatten, um für vietnamesische Staatsbürger in Deutschland eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis zu erhalten.

Weitere Informationen dazu finden Sie im Deutschlandteil des Berichts zu Menschenhandel des US-Außenministeriums auf https://de.usembassy.gov/de/laenderberichte-zu-menschenhandel-2019-bundesrepublik-deutschland/.

C. VERBOT VON KINDERARBEIT UND MINDESTALTER FÜR ERWERBSTÄTIGKEIT

Laut Gesetz sind die schwerwiegendsten Formen der Kinderarbeit verboten. Es schreibt ein Mindestalter für Beschäftigung, Beschränkungen der Arbeitszeiten, Sicherheit am Arbeitsplatz und Gesundheitsauflagen für Kinder vor. Das Gesetz verbietet die Erwerbstätigkeit von Kindern unter 15 Jahren mit wenigen Ausnahmen: 13- und 14-Jährige dürfen bis zu drei Stunden täglich in landwirtschaftlichen Familienbetrieben arbeiten und bis zu zwei Stunden täglich Zeitschriften oder Prospekte austragen oder andere Dienstleistungen übernehmen, beispielsweise Kinder hüten oder Hunde ausführen, wenn der oder die Erziehungsberechtigte das erlaubt. Kinder unter 15 Jahren dürfen nicht während der Schulzeit, vor 8 Uhr morgens oder nach 18 Uhr abends arbeiten, ebenso wenig an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen. Die Arbeit darf kein Risiko für die Sicherheit, die Gesundheit oder die Entwicklung des Kindes darstellen und darf das Kind nicht von der Schule oder der Ausbildung abhalten. Kinder dürfen nicht mit gefährlichen Materialien arbeiten, nichts tragen oder handhaben, das mehr als zehn Kilogramm wiegt, und keine Tätigkeiten ausüben, die eine schlechte Haltung verursachen oder sie erhöhter Unfallgefahr aussetzen. Kinder zwischen drei und 14 Jahren dürfen bei Kulturveranstaltungen auftreten, allerdings unter strengen Auflagen bezüglich der Art der Aktivität, der Stundenzahl und der Tageszeit.

Die Behörden setzten die betreffenden Gesetze effektiv durch und verhängten in der Regel Strafen, die eine abschreckende Wirkung hatten. Es gab einzelne Fälle von Kinderarbeit in kleinen Familienunternehmen wie Cafés, Restaurants, landwirtschaftlichen Familienbetrieben und Lebensmittelgeschäften. Kontrollen der regionalen Aufsichtsbehörden sowie die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Rechtsbehelfe waren angemessen, um die weitgehende Einhaltung des Gesetzes sicherzustellen.

D. DISKRIMINIERUNG AM ARBEITSPLATZ UND IN BEZUG AUF BESCHÄFTIGUNG

Das Gesetz schützt vor Ungleichbehandlung in allen Bereichen des Arbeitslebens, von der Einstellung über Selbstständigkeit und Beförderung bis hin zum beruflichen Aufstieg. Herkunft und Staatsangehörigkeit werden im Gesetz zwar nicht explizit als Diskriminierungsgründe aufgeführt, aber Opfer dieser Art von Diskriminierung haben andere Möglichkeiten, rechtliche Ansprüche geltend zu machen. Das Gesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber Arbeitnehmer vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen müssen.

Die Behörden setzten diese Gesetze und Vorschriften im Laufe des Jahres wirksam durch. Arbeitnehmer, die meinen, Opfer von Diskriminierung geworden zu sein, haben das Recht, offiziell Beschwerde einzulegen und angehört zu werden. Schützt ein Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht wirksam, sind die Beschäftigten berechtigt, sich diskriminierenden Situationen und Orten zu entziehen, ohne ihren Arbeitsplatz oder das Arbeitsentgelt zu verlieren. Bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgesetz können Opfer von Diskriminierung auf Unterlassung klagen und haben Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung sowie auf materiellen und immateriellen Schadensersatz, der durch Gerichtsbeschluss festgelegt wird. Das Strafmaß war angemessen, um abschreckende Wirkung zu entfalten.

Die ADS betonte, dass Bewerber ausländischer Abstammung und mit ausländischen Namen selbst dann diskriminiert wurden, wenn sie ähnliche Qualifikationen wie andere Bewerber nachweisen konnten oder sogar höher qualifiziert waren. Der ADS zufolge bezogen sich die meisten Beschwerden auf die Privatwirtschaft, wo weiterhin Hürden für Menschen mit Behinderungen bestanden.

Das Gesetz sieht gleichen Lohn für gleiche Arbeit vor. Im März gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass der Brutto-Stundenlohn von Frauen im Jahr 2017 durchschnittlich 21 Prozent unter dem der Männer lag. Das Amt nannte unterschiedliche Gehälter in den Branchen und Berufen, in denen Frauen und Männer tätig sind, sowie ungleiche Anforderungen im Hinblick auf Führungserfahrung und andere Qualifikationen als wichtigste Gründe für die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern. Frauen waren in gut bezahlten Führungspositionen unter- und in einigen Niedriglohnbereichen überrepräsentiert (siehe Abschnitt 7.d). Die ADS berichtete, dass Frauen bei Beförderungen ebenfalls benachteiligt würden, häufig aufgrund von Karriereunterbrechungen zur Kindererziehung.

Im Dezember 2018 reichten zwei Lehrerkräfte Klage beim Verwaltungsgericht Essen ein, um die gleiche Bezahlung aller verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer zu erreichen. Im Rahmen der gegenwärtigen Gesetzgebung verdienen Grundschullehrerinnen und -lehrer im Monat 500 Euro brutto weniger als Lehrkräfte an Oberschulen, obwohl die Ausbildungsanforderungen für diese Positionen seit 2009 identisch sind. Im November war der Fall noch anhängig.

Das Gesetz sieht einen Frauenanteil von 30 Prozent in den Aufsichtsräten bestimmter börsennotierter Unternehmen vor. Zudem verpflichtet es etwa 3.500 Unternehmen, sich eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen (Aufsichtsräte und oberste Management-Ebene) zu setzen und über die Zielgrößen und deren Erreichung öffentlich zu berichten. Infolgedessen stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der an dieses Gesetz gebundenen Unternehmen von ca. 20 Prozent im Jahr 2015 auf über 30 Prozent im Jahr 2018. Der Anteil von Frauen in Managementpositionen der 200 wichtigsten Unternehmen stagnierte derweil bei neun Prozent.

Es gab Berichte über die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen sank 2017 auf 11,4 Prozent und lag damit deutlich über den Zahlen für die Gesamtbevölkerung (2017: durchschnittlich 5,7 Prozent). Arbeitgeber mit 20 oder mehr Angestellten müssen mindestens 5 Prozent ihrer Stellen an Menschen mit schweren Behinderungen vergeben, Unternehmen mit 20 bis 40 Angestellten müssen eine Stelle an einen Menschen mit Behinderung vergeben und Unternehmen mit 40 bis 60 Angestellten müssen zwei Stellen an Menschen mit Behinderung vergeben. Unternehmen müssen jedes Jahr ein Formular beim Arbeitsamt einreichen, anhand dessen überprüft wird, ob sie die Einstellungsquoten für Menschen mit Behinderung erfüllen. Bei Missachtung wird für jede Stelle, die nicht mit einer Person mit Behinderung besetzt wurde, eine monatliche Geldbuße fällig. 2017 mussten mehr als 123.000 Arbeitgeber, die nicht genügend Menschen mit Behinderungen beschäftigten, Bußgelder zahlen.

Obwohl das Gesetz die Gleichbehandlung von ausländischen Arbeitnehmern vorsieht, gab es ein gewisses Maß an Lohndiskriminierung. So zahlten Arbeitgeber, insbesondere im Baugewerbe, Saisonarbeitern aus Osteuropa teilweise niedrigere Löhne als anderen.

E. ZUMUTBARE ARBEITSBEDINGUNGEN

Der bundesweite Mindestlohn liegt unter dem international festgelegten Niedriglohnniveau, das bei zwei Dritteln des nationalen Durchschnittslohns liegt. Der Mindestlohn gilt nicht für Personen unter 18 Jahren, Langzeitarbeitslose, die seit weniger als sechs Monaten eine neue Beschäftigung haben, oder Auszubildende in der Berufsausbildung, unabhängig von ihrem Alter. Einige Branchen legten durch Tarifverhandlungen ihre eigenen, höheren Mindestlöhne fest.

Die Behörden setzten die Gesetze effektiv durch und überwachten die Einhaltung der gesetzlichen und branchenweiten Mindestlöhne und Arbeitszeiten mithilfe der der Zollbehörde untergeordneten Arbeitseinheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die im Jahr 2018 53.000 Firmenkontrollen durchführte. Die Zahl der Ermittlungen wegen Nichteinhaltung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz stieg um 10 Prozent auf 2.744. Angestellte können gegen Unternehmen klagen, wenn der Arbeitgeber sich nicht an das Mindestlohngesetz hält. Gerichte können Arbeitgeber, die gegen die Vorschriften verstoßen, zu beträchtlichen Geldstrafen verurteilen.

Verordnungen auf Bundesebene legen eine reguläre Arbeitszeit von acht bis maximal zehn Stunden pro Tag fest und begrenzen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf maximal 48 Stunden. Für die 78 Prozent der Beschäftigten, für die direkt oder indirekt Tarifverträge gelten, betrug die durchschnittliche maximale Wochenarbeitszeit im Rahmen der gegenwärtigen Tarifverträge 37,7 Stunden. Dem Statistischen Bundesamt zufolge betrug die tatsächliche durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitangestellten im Jahr 2018 41 Stunden. Nach maximal sechs Arbeitsstunden ist eine gesetzliche Pause vorgeschrieben; es müssen regelmäßige Pausen mit einer Gesamtlänge von mindestens 30 Minuten eingehalten werden. Des Weiteren sieht das Gesetz zusätzlich zu den gesetzlichen Feiertagen mindestens 24 Tage bezahlten Jahresurlaub vor. Regelungen für Überstunden, Urlaub und die Bezahlung von Wochenendarbeit variierten je nach geltendem Tarifvertrag. Durch solche Tarifverträge oder Einzelverträge wurde die Verpflichtung, eine übermäßig hohe Zahl an Überstunden zu leisten, unterbunden und die Beschäftigten vor willkürlichen Forderungen des Arbeitgebers geschützt.

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sind durch umfangreiche Gesetze und Verordnungen geregelt. Ein umfassendes Netz von Versicherungsträgern für Arbeitnehmer setzte die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz durch.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die entsprechenden Behörden auf Länderebene überwachten die Einhaltung der Standards für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und setzten diese mithilfe eines Netzwerkes staatlicher Stellen, einschließlich der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, effektiv durch. Auf kommunaler Ebene überwachten Berufs- und Wirtschaftsverbände – selbstverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts, in denen Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften sitzen – sowie Betriebsräte die Sicherheit am Arbeitsplatz. Die Zahl der Inspekteure war ausreichend, um die Einhaltung zu gewährleisten.

Die Zahl der Arbeitsunfälle bei Vollzeitangestellten sank weiter, und auch die Zahl der tödlichen Unfälle am Arbeitsplatz sank 2018 auf 420 (2017: 451). Zu den meisten Unfällen kam es auf Baustellen, im Transportsektor, in der Postlogistik sowie in der Holz- und Metallverarbeitung.


Autor: Amerika Dienst
Bild Quelle: Vereinte Nationen


Dienstag, 31 März 2020