Zum 1. Mai

Zum 1. Mai


Wenn Sie jemanden aus der Geschichte der letzten zweihundert Jahre entfernen könnten, wen würden Sie beseitigen?

Zum 1. Mai

Von Ramiro Fulano

Zeit für ein kleines Gedankenexperiment, meine Damen und Herren: Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten die Möglichkeit, an einen Zeitpunkt ihrer Wahl zurückzureisen und dürften die Geschichte zum Wohl der gesamten Menschheit korrigieren. Auf welche Zeit-Raum-Koordinaten würden Sie ihre Zeitmaschine einstellen? Und wen würden Sie aus der Geschichte entfernen?

Nun ist die Geschichte der letzten zweihundert Jahre nicht gerade arm an Schurken und Halunken jeder Art, die nicht nur sich selbst ins Unglück gestürzt haben, sondern auch ihre Mitmenschen. Mao zum Beispiel. Oder Stalin. Und natürlich Hitler, der mäßig begabte Kunstmaler aus Österreich. Alle drei Personen, ohne die der Menschheit unsägliches Elend erspart geblieben wäre. Doch wenn Sie aus Ihrer Geschichtskorrektur das Maximum herausholen möchten, müssen Sie schon etwas weiter zurückreisen. Denn diese drei Menschheitsverbrecher sind auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen.

„Napoleon?“, werden einigen von Ihnen jetzt vielleicht sagen. „Bismarck?“, „der Kaiser?“. Ich bin kein Freund von allen drein. Der kleine Korse, der die Welt erobern wollte, hat sich und seinen Armeen gewiss keinen guten Dienst erwiesen. Vor allem nicht seinen Mitmenschen um 1800, als die Napoleonischen Kriege in Dänemark, Ägypten, Italien, Russland und auf der Iberischen Halbinsel wüteten. Nicht nur am Aktionsradius des Franzosen-Kaisers (und seiner kriminellen damaligen Sippschaft) erinnert vieles an den ebenfalls gescheiterten Diktator aus Österreich, der die Welt 120 Jahre später in einen vergleichbaren Weltkrieg stürzte.

Auch 1815 ließ sich der Lauf der Welt nur durch das entschlossene Eingreifen einer heute etwas unwahrscheinlich anmutenden Britisch-Niederländisch-Hannoverschen Allianz mit Preußen retten. Und genau aus diesem Grund muss man zugestehen, dass der kleine Korse zwar Menschen und Dingen jede Menge Schaden zugefügt hat, den Lauf der Welt jedoch nicht wesentlich verändern konnte. Letztlich hatte Napoleon mit seiner hunderttägigen Rückkehr alles für seine Abschaffung Nötige selbst in die Wege geleitet - sodass es hier keiner Korrektur der Geschichte bedarf. Die nächsten hundert Jahre waren (vom Krim-Krieg abgesehen) eine Epoche des Friedens, des Wohlstands und des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, maßgeblich unter britischer Führung.

Was nun Bismarck und den Kaiser anbelangt, muss ich sagen, dass ich kein großer Freund ihrer Reichseinigung, vor allem der militärischen Interventionen gegen Dänemark, Österreich, Sachsen, Bayern und Hannover bin und ihre Reichsgründung von 1871 als maßgebliches Ergebnis eines chauvinistischen preußischen Binnen-Imperialismus gegenüber den kleineren Mitgliedsstaaten des Zollvereins ansehe (vieles daran nimmt das deutsche Auftreten in der EU vorweg). Aber das größtmögliche Glück für die ganze Menschheit ließe sich nicht erreichen, indem man die Geschichte ihrer entledigt.

Nein, meine Damen und Herren, nein. Wenn man mit minimalem Aufwand das größtmögliche Glück für die gesamte Menschheit erreichen will, muss Karl Marx aus der Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte verschwinden. Zweifellos. Denn mit der Beseitigung des deutschen Misanthropen, zumindest aber seiner gescheiterten Ideologie, ließe sich mehr bewirken als mit der Beseitigung jedes anderen Verbrechers: In einer Welt ohne Marx gibt es keinen Lenin, keinen Stalin, keinen Mussolini, keinen Hitler. Demzufolge auch keinen Zweiten Weltkrieg, keinen Holocaust und vielleicht sogar keinen Great War von 1914 bis 1918.

„Aber, aber“, werden die gläubigen Kommunisten unter Ihnen jetzt sagen, „was ist mit allen sozialen Fortschritten seit Marx?“ Die, meine Damen und Herren, haben völlig ohne den Einfluss des deutschen Menschheitsfeindes stattgefunden. Keine einzige Errungenschaft der bürgerlichen Emanzipation auf dem Kontinent und den britischen Inseln ist der pseudo-wissenschaftlichen Selbstermächtigungsideologie namens Marxismus geschuldet. Die Ausweitung des Wahlrechts (Reform Act von 1867) im Vereinigten Königreich beispielsweise ist die logische Folge eines bürgerlichen Selbstverständnisses, gemäß diejenigen, die an den Staat ihre Steuern zahlen, auch bestimmen, was damit geschieht. Eine US-amerikanischen Idee, die nach dem Sieg der Union über die Konföderation auf den britischen Inseln einen zweiten Frühling erlebte.

Eine dem Second Reform Act vergleichbare Leistung ließ sich auf dem Kontinent erst nach dem Ersten Weltkrieg verwirklichen, in Form der Weimarer Verfassung, die maßgeblich auf Druck der Demokratien des Westens zustande kam. Auch die Bismarck’sche Sozialgesetzgebung (Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung) scheint weniger der ruhelosen kommunistischen Agitation als der schlichten Einsicht in die Notwendigkeit geschuldet: Bevor der deutschen Industrie noch mehr Arbeitskräfte verloren gingen - durch Auswanderung in die damaligen Boom-Länder USA, Argentinien, Kanada, Australien - wollte die preußische Beamtendiktatur „ihre“ Bevölkerung lieber in einem goldenen Käfig einsperren. Was die deutsche Arbeiterklasse auch wirklich nur zu gerne mit sich machen ließ. Dass sie für ihre Domestizierung auch noch freiwillig bezahlte, ist die wesentliche Leistung der deutschen Sozialkleptokratie (SPD).

Im vorrevolutionären Russland geschahen vorsichtige politische Reformen vor allem, um der kommunistischen Agitation den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mehr oder weniger erfolgreich, denn ohne die von der preußischen Beamtendiktatur eingefädelte Entlassung Lenins aus dem Schweizer Exil wäre es wahrscheinlich nicht zur russischen Revolution von 1917 gekommen. Lenins Revolution entlastete die deutsche Ostfront bis zu dem Punkt, dass während der deutschen Frühjahrsoffensive von 1918 sogar ein Sieg über die alliierten Westmächte in Reichweite schien - bevor die USA zu deren Gunsten intervenierten. In Russland hingegen verursachte die kommunistische Diktatur ein ungeahntes Blutbad, zerstörte die bereits angeschlagene, ohnehin nur schwach entwickelt russische Industrie und warf die Gesellschaft auf ein prämodernes Niveau zurück. Millionenfaches Leid und Elend waren die unmittelbare Folge.

Die Zwischenkriegs-Phase von 1919 bis 1933, ist bei historischer Betrachtung als Zwillingsstreit zwischen zwei rivalisierenden sozialistischen Ideologien zu verstehen: Hier die kommunistische Planwirtschaft, dort die gesteuerte Volkswirtschaft. Beiden sozialistischen Ideologemen ist die Vorstellung gemeinsam, dass Friede, Freude, Eierkuchen fast zwangsläufig ausbrechen, sobald die Herrschaft des Geldes gebrochen ist. Wurde die Notwendigkeit, aus einem Taler zwei zu machen, in den Demokratien des Westens als Voraussetzung für individuellen und sozialen Fortschritt verstanden, zäumt der Sozialismus das Pferd von hinten auf: Nach dem Sieg des Sozialismus (und der Umwertung aller Werte) sind wir zwar alle gleichermaßen arm und elend - aber vor allem sind wir dann endlich alle gleich! Nationaler und internationaler Sozialismus entscheiden sich in ihren wesentlichen politischen Forderungen vor allem hinsichtlich der Frage, in welchem Maßstab der Sozialismus zuerst verwirklicht werden soll: auf nationalem (Hitler, Mussolini) oder internationalem Niveau (Stalin, Mao).

Das antikapitalistische Streben nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner beflügelt den Kommunismus noch heute. Sein Ziel ist nicht etwas eine Steigerung des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands aller, sondern die „sozial-gerechte Umverteilung“ vermeintlich knapper Ressourcen. Also das, was Churchill die gelichmäßige Verteilung des Elends nannte. Eine qualitative Verbesserung des Lebensstandards wird in der marxistischen Theorie nicht nur zur Nebensache, sondern zum Hindernis erklärt: Der Mensch soll arm, elend und geknechtet sein, um einen Anreiz für den „Aufbau des Sozialismus“ zu erhalten - damit eine jeder demokratischen Kontrolle entzogene Verbrecherbande in Saus und Braus leben kann. So, wie in der DDR. Und der UdSSR. Und wie heute noch in der VR China.

Meine Damen und Herren, es ist möglich, allen Menschen für eine gewisse Zeit etwas vorzumachen. Es  ist ebenfalls möglich, einigen Menschen die ganze Zeit etwas vorzumachen. Aber es ist unmöglich, allen Menschen die ganze Zeit etwas vorzumachen. Deshalb - und weil den Sozialisten irgendwann das Geld anderer Leute ausgeht (Thatcher) - wurde der Marxismus vom größten Teil der Bevölkerung als gescheiterte Ideologie durchschaut. Abgesehen von den 16% bzw. 8%, die am nächsten Sonntag SPD oder Links-Partei wählen würden. Weil sie immer noch nicht kapiert haben, dass ihnen der Staat nichts zurückgeben kann, was er ihnen nicht vorher weggenommen hat.

Was vom Marxismus übrig blieb, ist pseudowissenschaftlich verbrämtes Geschwätz, das von den üblichen Verdächtigen als Selbstermächtigungsgesetz zum Anzetteln von Krawallen, Brandstiftungen und Mordanschlägen aller Art benutzt wird. Zu nichts anderem ist der Marxismus heute noch gut - aber zu nichts anderem war er bei historischer Betrachtung je gut. Millionen von Toten gehen unmittelbar auf das Konto des internationalen Sozialismus: Mao, Stalin, Khmer Rouge, Ho-Chi-Minh, die Liste ist lang. Diese Opfer des Marxismus werden von seinen Anhängern mit einer menschenverachtenden Handbewegung unter den Teppich der „Wissenschaftlichen Weltanschauung“ gekehrt als wären sie Dreck. Marxismus, Sozialismus und Kommunismus werden immer nur ein weiteres Massengrab von ihrer Utopie entfernt sein.

Aber auch die indirekten Opfer des Marxismus sind nur in Millionen zu zählen. Ohne Marx kein Lenin, und ohne beide kein Hitler und kein Mussolini. Und damit kein Holocaust, kein Zweiter Weltkrieg. Vermutlich auch kein Pearl Harbour und kein Hiroshima. Selbstverständlich auch keine deutsche Teilung, keine DDR, keine Stasi-Angie. Die wesentlichen sozialen Errungenschaften der Moderne wären trotzdem verwirklicht worden, nur vermutlich schneller und auf höherem Niveau. Das steht zumindest zu vermuten, wenn man einmal begriffen hat, in welchem Ausmaß der Sozialismus dort, wo er verwirklicht wurde, den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt der Menschheit zurückgeworfen hat.  Deshalb wäre mit der rechtzeitigen Beseitigung von Karl Marx mit minimalem Aufwand das Maximum an Glück, Frieden und Wohlstand für die ganze Menschheit zu erreichen gewesen. 

 

Foto: Linksextreme Krawalle am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg


Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Wikimedia - Screenshot


Donnerstag, 30 April 2020