Der willkommene Feind: Wie sich die Politik Corona zunutze macht

Der willkommene Feind: Wie sich die Politik Corona zunutze macht


Die Politik lebt von Feindbildern. Diese dienen dazu, Maßnahmen durchzusetzen, die ohne Angst vor einer realen oder imaginären Bedrohung von einer Mehrheit nicht akzeptiert würden.

Der willkommene Feind: Wie sich die Politik Corona zunutze macht

Von Ramin Peymani, Liberale Warte

Mit dem Ende des „Kalten Krieges“ mussten neue Feindbilder her. Und so entstanden Umweltsünder, unbelehrbare Ostdeutsche und kapitalistische Heuschrecken. Zu ihnen gesellten sich im vergangenen Jahrzehnt die sogenannten Anti-Europäer, Asylgegner, Islamhasser und Klimaleugner. Zwar fordert der weitaus größte Teil der auf diese Weise Stigmatisierten lediglich, die Europäische Union demokratischer zu machen, Zuwanderer gegenüber allen anderen Bevölkerungsgruppen nicht zu bevorzugen und bei Klimaschutzmaßnahmen Ideologien außen vor zu lassen, doch hindert dies Politik und Medien nicht daran, sie zu Rechtspopulisten zu erklären, immer mit dem Hinweis, unter ihnen befänden sich auch Rechtsextreme. Dies ist ein perfider Trick, mit den man Kritiker nicht nur aus dem gesellschaftlichen Diskurs verbannt, sondern dort, wo sie genügend Anhänger finden, vorsichtshalber auch gleich noch zu kriminalisieren versucht. Nun ist ein Virus der neue Feind und mit ihm alle, die sich der medialen Dauerpanik nicht anschließen wollen. Es handelt sich dabei um eine geschickte Weiterentwicklung der Feindbild-Politik, entzieht sich ein Virus doch jeder Argumentation. Es wird sich weder dagegen wehren, mit allen möglichen Bedrohungen aufgeladen zu werden, noch wird es ungewollt erlahmen. Die Politik hat ein neues Feindbild aufgebaut, das – zusammen mit seinen schon heute absehbaren Nachfolgern – ebenso lange tragen dürfte, wie die Feindbilder zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“.

Was die aktuelle Corona-Diskussion offenbart, ist eine ausgeprägte Neigung, den Neustart zur Durchsetzung aller denkbaren Ideologien zu nutzen

Mit Corona lassen sich selbst Entscheidungen rechtfertigen, die in einer Demokratie normalerweise undenkbar wären. Und noch leichter als sonst können Kritiker getroffener Regelungen und künftiger Maßnahmen als Rechtspopulisten gebrandmarkt werden. Um es deutlich zu sagen: Ich halte nichts von Theorien, die das Bild einer großen Weltverschwörung zeichnen, bei der ein Krankheitserreger nur zu dem Zweck gezüchtet worden wäre, einen Teil der Menschheit zu vernichten. Ebenso absurd erscheint mir der Gedanke, ein Geheimnetzwerk wolle die Weltherrschaft mittels implantierter Chips übernehmen. Was die Krise jedoch offenbart, ist eine ausgeprägte Neigung, den in vielen Bereichen notwendigen Neustart nach dem Durchschreiten des vor uns liegenden Tals zur Durchsetzung aller denkbaren Ideologien zu nutzen. Und es entspringt keiner Verschwörungstheorie, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass der aktuelle Krisenmodus für manche Verantwortlichen nicht lange genug andauern kann. Dies liegt nicht nur daran, dass die Regierenden und deren Parteien raketenhafte Zustimmungszuwächse verzeichnen, wie dies in großen Krisen üblich ist. Es liegt vor allem daran, dass es sich in Zeiten des Notstands weitaus einfacher durchregieren lässt. Wo man sich sonst in zähen Parlamentsdebatten vieles mühsam erkämpfen muss und manches gar nicht erst auf den Weg bringen kann, wird nun quasi per Dekret regiert. Formal hat das vielleicht seine Richtigkeit, doch die unter Ausschluss der Öffentlichkeit im kleinen Kreis stattfindenden Videokonferenzen sind nun einmal auf Dauer mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar.

Die Politik will nicht, dass die Krise vorzeitig endet – sie hat Blut geleckt, und der seit zwei Monaten laufende Feldversuch scheint ihr recht zu geben

Corona erscheint als willkommener Feind. Während Grüne das Virus als schlagenden Beweis für die lebensbedrohlichen Folgen der Umweltzerstörung werten und die Vollendung des Ökosozialismus herbeireden, sehen Linke die Zeit für das bedingungslose Grundeinkommen gekommen, von dem sie seit jeher träumen. Andere möchten die Bürger gerne dauerhaft an der kurzen Leine wissen, wofür eine Überwachungs-App wie gerufen kommt. Und jene, die sich der Errichtung einer allumfassenden Transferunion verschrieben haben, können gar nicht genug Geld verteilen, das nach ihrem kruden Verständnis anschließend ja lediglich neu gedruckt werden muss. Dass SPD-Dauertalker Lauterbach den regulären Schulbetrieb noch mindestens ein Jahr lang aussetzen möchte, spricht ebenso Bände wie die regierungsamtliche Mitteilung, es werde ohne einen Impfstoff keine Rückkehr zur Normalität geben. Schon sinniert die Große Koalition über eine wohlgemerkt erst im Herbst 2021 stattfindende Bundestagswahl als reine Briefwahl. Dies zeigt, mit welchem Horizont die Verantwortlichen an die Sache herangehen. Sie wollen nicht, dass die Krise vorzeitig endet. Die große Zeit der Ideologen ist angebrochen. Die Politik hat Blut geleckt. Und der seit zwei Monaten laufende Feldversuch scheint ihr recht zu geben. Die breite politische Einigkeit, es werde anschließend nie wieder so sein können wie zuvor, lässt tief blicken – und darf durchaus als Drohung verstanden werden. Unsere Demokratie muss jeden Tag aufs Neue verteidigt werden. Auch und vor allem gegen diejenigen, die ein Virus als Rechtfertigung dafür benutzen, Grundrechte dauerhaft einzuschränken.

 

Liberale Warte


Autor: Ramin Peymani
Bild Quelle: muffinn


Mittwoch, 13 Mai 2020