Eine Kanzlerin, 15 Minister und 40 Fallschirme

Eine Kanzlerin, 15 Minister und 40 Fallschirme


Je länger ich darüber nachdenke, was in den letzten 10 Wochen passiert ist, desto unsicherer werde ich.ausgeben und auf die Einnahmen aus den Übertragungsrechten angewiesen sind?

Eine Kanzlerin, 15 Minister und 40 Fallschirme

Von Henryk M. Broder

War der „Lockdown“, der die Gesellschaft, die Wirtschaft, das Kultur- und das Privatleben lahmlegte, eine katastrophale Fehlentscheidung, oder ist es die schrittweise „Lockerung“ der Maßnahmen, wie zum Beispiel die Wiederzulassung von Fußballspielen vor leeren Rängen mit Rücksicht auf die „prekäre“ Lage von Fußballvereinen, die Millionen Euro für den Ankauf von Spielern

Die erste Ahnung, dass etwas schiefgehen würde, überkam mich Ende März, als ich den Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag sagen hörte, er habe soeben eine „Sternstunde des Parlamentarismus“ erlebt, „weil alle Fraktionen an einem Strang gezogen haben“, und das „war wirklich eine tolle Erfahrung“.

Der Mann, 1981 geboren, muss ausgerechnet an dem Tag die Schule geschwänzt haben, als im Sozialkundeunterricht „das Wesen des Parlamentarismus“ behandelt wurde. Er wird es in der Politik bestimmt weit bringen, notfalls auch in der Bundeszentrale für politische Bildung.

Der Wasserstand am Deutschen Eck

Seitdem ist viel Wasser den Rhein heruntergeflossen, aber eines ist immer gleichgeblieben: der mentale Wasserstand am Deutschen Eck. Was immer die Regierung beschloss, verfügte, auf den Weg brachte, zwei Drittel bis drei Viertel der Deutschen waren dafür. „Der Untertan“, 1914 von Heinrich Mann geschrieben und 1918 erschienen, erlebte seine triumphale Wiederkehr. „Ziviler Gehorsam“ wurde zur Bürgerpflicht.

Nichts macht den Deutschen mehr Spaß, als zu gehorchen, strammzustehen und sich darauf zu verlassen, dass die Regierung es gut mit ihnen meint. Die gleiche Regierung, von der sie enteignet und in die Irre getrieben werden, die ihnen sagt, wie sie „Demokratie leben!“ sollen, die von einer „Wende“ in die andere stolpert, der ganzen Welt als „Vorbild“ dienen will und sich 40 „einsatzfähige Fallschirme“ aus US-Produktion bei einem privaten Anbieter ausleihen muss, weil es bei dem hauseigenen Zulieferer „unvorhersehbare Verzögerungen“ gegeben habe.

Schon möglich, dass die Regierung in der Corona-Krise alles richtig gemacht hat. Aber 40 Fallschirme für eine Kanzlerin und 15 Minister, ist das nicht ein wenig zu viel des Guten? 

 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche und der Achse des Guten - Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Creative Commons CC0 Pixabay


Samstag, 23 Mai 2020