Die historische und die moderne Schlacht um die Rückeroberung Jerusalems

Die historische und die moderne Schlacht um die Rückeroberung Jerusalems


Jede Stadt hat ihre Symbole, es können Wahrzeichen oder Logos sein, die unser Kopf hervorzaubert, wenn wir an eine bestimmte Metropole denken.

Die historische und die moderne Schlacht um die Rückeroberung Jerusalems

Von Michael Freund, Jerusalem Post

Schon die einfache Erwähnung von New York, London oder Rom kann eine ganze Reihe visueller oder verbaler Bilder hervorrufen, was nicht nur viel über die Stadt selbst, sondern auch dazu offenbart, wie jeder von uns sie auf unsere eigene, einzigartige Weise wahrnimmt.

Jerusalem, dessen Befreiung und Wiedervereinigung durch Israel 1967 wir heute feiern, ist natürlich keine Ausnahme. Für manche ist es die Heilige Stadt mit der Westmauer, dem Grab von König David und anderen heiligen Orten. Für andere ist es der Sitz der Regierung Israels, Heimat der Knesset und Gastgeber einer Vielzahl internationaler Institutionen wie Yad Vaschem.

Tatsächlich ist Jerusalem für viele Leute Vieles, was Teil seiner Attraktivität und seiner Mystik ist. Wie aber viele von uns wissen ist es auch ein Ort, der irgendwie die inneren Tiefen unserer Seelen berührt, anders als irgendetwas anderes, das oft nur schwer auszudrücken ist.

Das ist Teil der Macht Jerusalems; es spricht uns als Individuen an, beschwört aber auch unser kollektives Gedächtnis als Volk.

Wenn ich über die Bedeutung dieses Datums, den 28. Tag des hebräischen Monats Iyar, nachdenke, als israelische Truppen die jordanische Besatzungsarmee besiegten und die Altstadt zurück unter jüdische Kontrolle brachten, fand ich mich daher immer wieder dabei, dass ich zu der Idee zurückkehre, dass sich die riesige und uralte Serie meta-historischer, konzentrischer Kreise schließt.

Auf einer einfachen Ebene würde das ziemlich offensichtlich erscheinen. Die Tatsache, dass man in Jerusalem über eine Stelle gehen könnte, an der einst König David stand oder Jeremiah eine Prophezeiung verkündete oder die Makkabäer Krieg führten, reicht als Grund aus, dass wir würdigen, wie gesegnet unsere Generation gewesen ist. Nach 1.900 Jahren Exil sind wir an unsere Quelle zurückgekehrt, um uns aus diesem Land nie wieder herausreißen zu lassen.

Ich denke aber, dass hier eine Kraft am Werk ist, die weit tiefgehender und inspirierender ist, die nicht nur zu jüdischer Geschichte eine Menge zu sagen hat, sondern auch zu jüdischem Schicksal.

Das wir am besten in einem Artikel zusammengefasst, dem ich am 30. Mai 1997 begegnete, in einer Ausgabe der heute untergegangenen Zeitung HaTzofeh, die die Geschichte von Yoram Zammusch erzählte, dem Soldaten, der nach seiner Befreiung die erste israelische Flagge auf dem Tempelberg hisste.

An diesem schicksalhaften Tag, dem 7. Juni 1967, feierte Zammusch, der als Kompaniechef im Bataillon 71 der IDF-Fallschirmbrigade diente, seinen 25. Geburtstag.

Es war ein Tag voller Bedeutung für seine Familie, denn an genau demselben Datum, an dem er 1942 geboren wurde, wurden 19 von Zammuschs Verwandten von den Deutschen im Ghetto Lodz in Polen ermordet, ihre Leichen in ein Massengrab geworfen.

Und hier war er, genau zweieinhalb Jahrzehnte später, und war dabei jüdische Soldaten in die Schlacht zur Zurückeroberung von Jerusalem zu führen.

Bedenken Sie die gruselige Ironie: Seine Verwandten in Europa waren mit Stacheldraht in ein Ghetto gesperrt worden, während Zammusch und seine Männer, als sie die Altstadt erreichten, „etwa acht Reihen Stacheldraht durchbrechen mussten“, um voranzukommen.

Im Viertel Beit Hakerem hatten Zammusch und seine Einheit im Haus der Familie Cohen ein vorübergehendes Hauptquartier eingerichtet. Als die Großmutter hörte, was sie planten, übergab sie Zammusch eine handgemalte Flagge, die sie herstellte, als sie 1947 Aliyah machte und sagte zu ihm: „Wenn du auf den Tempelberg und an die Westmauer kommst, hisse dort diese Flagge.“

So nahm Zammusch die Flagge und zog in den Krieg und verlor in vielen Stunden heftigem Kampf die Jordanier und verlor ein Drittel seiner Einheit. Schließlich rannte er, als er gefolgt von seinen Männern in die Altstadt vordrang, auf den Tempelberg, wo er als erstes ankam. „Sie nahmen den Berg ein“, hielt der Artikel in HaTzofeh fest, „und fand einige jordanische Soldaten, die sich im Felsendom versteckten.“

Auf die Bitte seine Gefühle in diesem Moment zu beschreiben, erinnerte sich Zammusch: „Ich fühlte, dass wir endlich eine Rechnung mit den Soldaten des Titus beglichen hatten. Es war das erste Mal, seit der Tempel von Titus zerstört wurde, dass Juden – und auch noch bewaffnete Juden – frei auf dem Tempelberg herumgingen. Plötzlich“, fügte er hinzu, „erinnerte ich mich an Oma Cohens Flagge und entfaltete sie auf dem Berg über der Mauer. Zweitausend Jahre Sehnen, Hoffnung, Planung und Liebe zu Jerusalem gingen diesem Moment voraus, zusammen mit dem Blut unserer besten Kämpfer.“

Als wäre das noch nicht bemerkenswert genug wird die Macht dieser Geschichte von einem Abschnitt im Talmud im Traktat Taanit (29a) weiter verstärkt, der die Zerstörung der zwei Tempel durch die Babylonier und die Römer beschreibt, die sich beide an einem Samstagabend ereigneten. Trotzdem sagten die Dienst habenden Leviten unerklärlicherweise das Tageslied für Mittwoch auf.

Warum, das wurde erst 1967 deutlich.

Rabbi Nachman Kahane von den Young Israel of the Old City erklärt, dass das Lied für Mittwoch in Psalm 94 steht; er beginnt mit den Worten: „Gott der Rache, HERR, Gott der Rache, erscheine!“

Die Leviten sahen, was geschehen würde und flehten in letzter Minute Gott an, die Eroberung Seines Heiligen Tempels zu rächen, daher entschieden sie sich das Tageslied für Mittwoch aufzusagen. Und, wie der Rabbi herausstellt, war der Tag, an dem die israelische Armee den Tempelberg befreite, der 7. Juni 1967, der natürlich – ein Mittwoch war. Zufall? Ich glaube nicht.

Die Befreiung der Hauptstadt Israels markiert eindeutig nicht nur die Vollendung eines persönlichen historischen Kreises für Yoram und seine Familie. Sie bedeutet auch die einer Reihe von größeren, kollektiven, einer Serie von Kreisen, die all diejenigen Juden einschließt, die sich die Zeitalter hindurch nach Jerusalem sehnten und für es beteten, aber nicht würdig waren es zu sehen.

Diese Kreise gehen durch die Jahrhunderte hindurch zurück bis zu diesen mutigen Leviten, die uns angesichts der Eroberung durch die Römer einen flüchtigen Blick in eine hellere Zukunft gaben.

Wenn Sie also das nächste Mal an Jerusalem denken, nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und denken Sie über das Tägliche und Banale hinaus. Denn unter der Oberfläche liegt die Schönheit dieser sehr besonderen Stadt und ihrer Geschichte, wie die eines Kreises, in ihrer Ganzheit und Vollendung.

 

Übersetzt von Heplev


Autor: Heplev
Bild Quelle: Bcohn / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)


Montag, 08 Juni 2020