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Ein Lied geht (nicht) um die Welt:

Ein Lied geht (nicht) um die Welt:


Vom merkwürdigen Umgang des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) mit engagierten Berliner Schüler-Sängern.

Ein Lied geht (nicht) um die Welt:

Warum der MDR im rechtsextrem gefährdeten Sendegebiet eine große Chance verpaßte.

MDR-Redakteure zeigten ihrem Hörfunk-Chef die kalte Schulter.

Eine kritische Betrachtung von Rodetraut W e i r a u c h

Wie das Leben so spielt in diesen pandemischen Tagen:

Da meldet sich ein alter Freund mit der typischen Frage: „Wußtest du eigentlich?“

Nein, woher auch?

Aber Recherchen bringen, glücklicherweise, manches ans Licht:

Zum Beispiel, wie ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), immerhin nach jüngsten Zahlen mit knapp 600 Millionen Einnahmen die viertgrößte ARD-Anstalt, mit dem Engagement junger Menschen umgeht.

Besser: Es beiseite schiebt, negiert oder – schlimm genug – Potential und Inhalt nicht begreift, was nicht für die 2095 „Festen“ und immerhin 1575 „Freien“ Journalisten (Statistik 2018) im Sender spräche...

Aber der Reihe nach:

Lena Simmat, heute Studentin, entdeckte vor geraumer Zeit als Schülerin des international aufgestellten und in diesem Sinne pädagogisch hochambitionierten Barnim-Gymnasiums in Berlin- Lichtenberg den Text und die Noten zu einem Lied - „Kinder Europas“. Mit einem Refrain, wie er sinnvoller nicht in unsere Zeit passen könnte:

„Kinder Europas, nehmt Euch bei der Hand.

Laßt Liebe eure Farbe sein, schreibt es auf jede Wand.

Kinder Europas, stellt Herz über Verstand.

Und macht aus diesem Kontinent ein Land.

Eine klare Botschaft: Eingängig, knapp, optimistisch, zukunftsorientiert, dem Leben zugewandt – also, denkt der Laie, a l l e s dies, was – neben unseren Politikern – auch der einflußreiche öffentlich-rechtliche Rundfunk vermitteln sollte.

Und beispielsweise Manfred Stolpe (ehemaliger Ministerpräsident Brandenburgs) seinerzeit zu einem fulminanten Lob brachte: „In Dankbarkeit für das wunderschöne Lied“, nahm er die CD entgegen – eingesungen von Lena, Joel, Dat, Isabella und dem Schulchor des Gymnasiums.

Sie nahmen den mitreißenden Song aus der Feder von Texter und Komponist Robert Makowsky auf – ein Lied, bereits 1989 verfaßt, aber über die Einheits-Querelen offenbar zunächst in Vergessenheit geraten.

Lena schrieb an die damalige Vorsitzende der ARD-Intendanten- Konferenz, Karola Wille. Die Schülerin formulierte, wie energisch ihre Mitstreiter ihr Ziel verfolgten: „Wir Kinder sind die Zukunft unseres Landes, Europas...unser Glaube ist, daß dieses Lied in einer Sendung der ARD, die musikalisch solche Genres präsentiert, seine Premiere finden könnte.“

So weit, so gut: Frau Wille reichte, wie man dies als Intendantin tut, den Vorgang weiter: Und siehe, Johann Michael Möller, MDR-Hörfunkchef und seinerzeit Vorsitzender der ARD- Hörfunkkommission, meldete sich schriftlich mit begeistertem Ton: „Es ist aus meiner Sicht sehr erfreulich, wenn sich gerade junge Menschen für gesellschaftliche und politische Belange interessieren. Deshalb habe ich ihr Schreiben mit Respekt und besonderer Aufmerksamkeit gelesen. Ihr Song paßt gut in das Familienprogramm des MDR.“

Er gab das Projekt an die drei Landesprogramme des Senders weiter – hoffend, „daß sie von den zuständigen Redaktionen eine positive Rückmeldung erhalten“.

Irrtum, – denn siehe, so weit reichte offenbar die Überzeugungskraft des Hörfunk-Chefs nicht – denn es kam alleweil k e i n Echo mehr aus dem Rundfunk-Land zwischen Kyffhäuser und ziemlich sächsischer Schweiz. Auch ein Kontakt zu Peter Dreckmann, Hauptredaktionsleiter des MDR „Unterhaltung“, führte zu nichts.

Möller – muß sich von seinen Redakteuren nicht für voll genommen gefühlt haben. Sie zeigten ihm – eine offenbar relativ verbreitete ostdeutsche Mentalität, nicht über den eigenen Gartenzaun zu schauen – drastisch ihre stumme Absage: Nein, die „Kinder Europas“, das möge wohl, so dachten sie vermutlich, ein privates Sanges-Hobby von europa- begeisterten Schülern bleiben – irgendwo in der Bundeshauptstadt zu Hause.

Was aber hätte das Europa-Thema, meinten die engstirnigen Damen und Herren im öffentlich-rechtlichen System wohl, mit dem Sendegebiet zu tun – oder liegt es nicht mitten in Europa? Oder verpflichtet der MDR-Staatsvertrag den Sender in Paragraf 6, Absatz 4, nicht geradezu, sich einem derartigen Projekt aufgeschlossen zu zeigen? Dort heißt es: „Die Sendungen des MDR sollen auch einen angemessenen Anteil von Werken europäischen Ursprungs enthalten.“ Das heißt doch wohl, weitergedacht: Das Thema EUROPA müßte einen Sender –im Herzen dieses Kontinents – ans Herz gehen.

Aber, offenbar weit gefehlt: Obwohl der Text des Liedes und der Sound vieles hergibt, was der Publizierung des Songs den Weg hätte ebnen können.

Also allesamt europäische Werte, wie man sie eigentlich kaum präziser beschreiben könnte – aber am Ende alles nur politische Lyrik, billige Schlagworte ohne Inhalte?

Jedenfalls geht, folgt man der provinzlerischen MDR-Attitüde , (k) ein Lied um die Welt – anders als der Welterfolg des jüdischen Tenors aus den Dreißigern, Josef Schmidt, den die Nazis aus dem Land jagten und der – zu Fuß! – aus Frankreich in die Schweiz geflüchtet, hinter der Grenze tot zusammenbrach. „Ein Lied geht um die Welt“, sein größter Erfolg – und auch er eine europäische Geschichte, aus der diese jungen, engagierten Menschen aus Berlin lernen wollten.

Und von einer guten, europäischen Zukunft singen wollten – öffentlich, mit Verve und Lust auf das, was sie sich vom Europa von morgen erträumen.

Diese Kinder singen von unserer Zukunft – sie sind unsere Hoffnung. Und am Ende siegt die Hoffnung.

Izi Aharon

 

 


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot


Samstag, 31 Oktober 2020

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