BER endlich in Betrieb: Er ist eine Attraktion auch für Nichtflieger

BER endlich in Betrieb: Er ist eine Attraktion auch für Nichtflieger


Was bei der Grundsteinlegung im September 2006 für das Jahr 2011 vorgesehen war, ist nun endlich im Oktober 2020 vollbracht worden – der BER wurde in Betrieb genommen. Um ein Urteil gleich zu Beginn zu fällen – Berlins neuer Flughafen kann sich nicht nur sehen lassen, er ist sogar eine Attraktion auch für Nichtflieger.

BER endlich in Betrieb: Er ist eine Attraktion auch für Nichtflieger

Von Wolfgang Will

Diesen Eindruck vermittelt bereits der große Bahnhof unter dem Terminal. Auf seinen sechs Bahnsteigen stehen eindrucksvolle grau-mosaikartige Säulen, die das Gebäude darüber tragen. Sie sind jeweils als Zwillinge angeordnet und wirken allein deshalb schon als Blickfang. Eine architektonische Meisterleistung. Von diesem Erste-Klasse-Bahnhof geht es mittels Rolltreppen oder Fahrstühlen direkt in die Haupthalle des Flughafens. Hier begegnen einem die ersten Geschäfte, darunter ein Rewe-Supermarkt. Allein eine Ausstellung im Geschoss über dem Bahnhof rechtfertigt einen Besuch des BER. Was für Flugreisende, die es ja generell eilig haben, wenig interessant ist, kann als historischer Überblick der Luftfahrtgeschichte der deutschen Hauptstadt bezeichnet werden. Da werden die Biographien von sieben Flugplätzen erzählt, mit denen die Stadtgeschichte Berlins unmittelbar verbunden ist, darunter längst vergessene Namen wie Johannisthal oder Staaken. Da steht auch Ferdinand Graf von Zeppelin im Vordergrund, der mit seinem Luftschiff LZ6 in Berlin Furore machte. Da erfährt man, dass von der berühmten DC 3, die während der sowjetischen Blockade West-Berlin 1948/49 als Versorgungsflieger eine Rolle spielte, mehr als 16 000 Exemplare gebaut wurden - davon können Airbus oder Boeing heutzutage nur träumen. Als der fliegerische Linienverkehr am 8. Oktobe1923 in Berlin begann, wurden München und Königsberg angeflogen, und bis Ende 1923 gab es in Berlin 100 Starts. Mit 150 Passagieren und 300 Kilogramm Fracht. Und im April 1945, als die Rote Armee bereits große Teile der Reichshauptstadt besetzt hatte, startete von Tempelhof eine einmotorige Siebel 104 – Pilotin war eine junge Frau mit ihrem zweijährigen Sohn: Beate Uhse. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt als Unternehmerin in Sachen Sexartikel. Diese Ausstellung ist aber auch bemerkenswert, weil sie nichts von den Pannen und Pleiten des BER auslässt, dessen Eröffnungstermine ja immer und immer wieder verschoben werden mussten – weil nichts, aber auch gar nichts klappte. Dazu heißt es in der Ausstellung: „Es fehlte nicht nur an der Planung, es mangelte auch an Aufsicht“. Eine schallendere Ohrfeige für Politik und Management kann man sich kaum vorstellen. Dieser BER mit seinen zwei Flugpisten war einst mit weniger als drei Milliarden Euro kalkuliert worden. Bis heute hat er schon fast sieben Milliarden verschlungen. Und er bleibt ein Sanierungsfall – allein schon wegen der CoronaProblematik, die den weltweiten Luftverkehr in die größte Krise der Geschichte gestürzt hat. Die Zukunftsplanung will ähnliche Versäumnisse vermeiden. Für heutige Verhältnisse allerdings klingt sie abenteuerlich, geht sie doch davon aus, dass der BER eines Tages bis zu 65 Millionen Passagiere bewältigen kann. Dafür sind nunmehr, weil der BER von Anfang an viel zu klein geplant war, insgesamt fünf Terminals vorgesehen – Nummer eins wurde jetzt in Betrieb genommen, Terminal 2 gleich nebenan ist fertiggestellt, wird aber der Krise wegen noch eingemottet bleiben, und für die Terminals 3 und 4 ist ebenso wie für eine dritte Startbahn genügend Platz vorhanden. Terminal 5 ist die Bezeichnung für den ehemaligen DDR-Flugplatz Schönefeld, der weiterhin genutzt wird. 2019 übrigens – also vor Corona – wurden in Berlin 35,6 Millionen Fluggäste gezählt. Der bisherige Berliner Flugplatz Tegel wird am 8. November geschlossen – bis auf seinen militärischen Teil. Völlig offen ist, was aus dem Gelände einmal werden soll. Angesichts chaotischer Stadtregierungen und deren Unvermögen, zu planen, ist nichts Vernünftiges zu erwarten – siehe Tempelhofer Feld, den einstigen Zentralflughafen der deutschen Hauptstadt. Eine Brache mitten in der Stadt! Der BER ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Der Airportexpress braucht vom Hauptbahnhof 30 Minuten. Die gleiche Strecke dauert mit der S-Bahnlinie 9 etwa eine Stunde – mit Zwischenstopps u.a. an der Friedrichstraße, den Hackeschen Höfen, Alexanderplatz und Ostbahnhof. Autofahrer finden in vielen Parkhäusern ausreichend Platz. Der BER ist bereits jetzt ein Magnet für Ansiedlungen jeglicher Art. Der Bauboom wird auch durch die Corona-Krise kaum beeinträchtigt. Industrielle Anlagen wie auch der Wohnungsbau florieren. Eine ganze Stadt scheint zu entstehen.

 

Wolfgang Will arbeite jahrelang als Auslandskorrospodent für den Axel-Springer-Verlag und als Chefredakteur u.a. in New York.


Autor: Wolfgang Will
Bild Quelle: euroluftbild.de at German Wikipedia, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons


Montag, 02 November 2020

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