Lausig Linientreu

Lausig Linientreu


„Ich bin spät zum ‚demokratischen Aufbruch‘ gekommen, weil ich lange gesucht habe, wo ich mich engagieren soll und irgendwo ein tiefes Misstrauen zu basisdemokratischen Gruppierungen habe und mich dort nicht wohl gefühlt habe.“ Angela Merkel, 1991

Lausig Linientreu

Mit mächtig viel Zoff ist der jüngste Parteitag der AFD im niederrheinischen Kalkar über die Runden und zu Ende gegangen. Entsprechend einseitig und armselig fielen die Begleitkommentare unserer Leitmedien aus. Sie überschlugen sich in Häme und Spott, wie denn der Freudentaumel darüber, dass sich die mit Abstand erfolgreichste Partei der letzten fünf Jahre angeblich selbst zerlegt hat, keine Grenzen mehr kannte. Ganz klar: Es ging hoch her bei den ´Rechtskrakeelern´. Laut und vernehmlich machten die einander befehdenden Flügel und Fraktionen ihrem Unmut Luft. Freilich: Ähnlich ´chaotisch´ verliefen bis Anfang der Neunziger Jahre die Parteitage der GRÜNEN, damals eine interessante, vielgestaltige und innovative Partei, und in den Siebzigern bot auch die alte Tante SPD noch ein ähnlich erfrischendes, in Resten buntes Bild, dessen unterschiedliche Farbanteile mittlerweile verblasst sind, auch wenn ´Multikulti´ wie ein greller Suchscheinwerfer sämtliche Winkel und Fluchten durchblendet.

Themen und Inhalte wurden seinerzeit im Politischen sehr ernst genommen. Hartnäckig, mitunter bis ins Detail, diskutierte man aus, was auf Anhieb keinen Konsens versprach. Hat das besagten Parteien geschadet? Ganz und gar nicht. Die Basis, heute nur noch zum abnicken zu gebrauchen, redete stets und gewichtig mit, war immer mittendrin in der Debatte, die nicht abgewürgt sondern unerbittlich ´durchgekämpft´ wurde. Auf Lokalebene klappt das bis heute leidig gut, aber je größer die Foren werden, die sich eine Karriere geile Parteielite nach Wunsch und Maß zimmern lässt, umso kleinscheißiger fallen die Ergebnisse aus, denen in aller Regel langweilige, ´in der Sache´ einmütige ´Verhandlungen´ vorauseilen. Eine lässig vorgetragene Prinzipientreue hat die heißblütigen Auseinandersetzungen um echte Anschauungen verlässlich verdrängt. Traurig, das. Divergierende, einander nur zäh befruchtende Ideen und Ansätze zu sondieren, um sich deren vitale, Volksnahe Potenzen programmatisch einzuverleiben: Solches zählte einmal zu den dringlichsten Aufgaben begleitender Großveranstaltungen. Das machte die Klasse der SPD aus, auch und gerade Anfang der Siebziger, als sie ein einziges Mal die mächtige Union überflügelte. Nach heutiger Lesart hätten sich die Genossen damals eigentlich gegenseitig ausbremsen müssen, weil ´tief gespalten´, verwirrend vielfältig aufgestellt, nicht ´mittig´ genug, aber genau das versprach eine Dynamik, die offenbar weite Teile der Wählerschaft über die alteingesessene Klientel hinweg mitriss und, sie werden lachen: entlang der seinerzeit großen ´Aufreger´ (Ostpolitik) sogar einte. So entstand eine breite Mitte statt der dürren, allzu vorsichtig justierten. Auch wenn es auf Anhieb seltsam klingt: Vielfalt stiftet Identität – hinter der Einheit monolithischer Blöcke verbirgt sich nur Einfalt, die als ´Haltung´ den großen Zusammenhang wieder löst, der in der sturen, starren Fertigung mächtig wirkt und schon beim ersten Nachtfrost langsam zu bröckeln beginnt. Solche Monumente werden immer aufs Geratewohl zusammengekloppt. Das Material ist nämlich nichts wert, es fehlt die passende Mischung der Baustoffe, die als anteilige Elemente über den tatsächlichen Wert des Gebildes entscheiden. Heute sind Parteitage aufwändig inszenierte, multimedial aufgebockte, unendlich überflüssige Quatschveranstaltungen, die substantiell wenig bringen und deren abschließende Appelle denen gleichen, die man eigentlich vom Militär her kennt: nach dem Abrücken brav-biederer Gardetruppen regt sich nichts mehr auf dem öden Kasernenhof, den die aussickernde Stickluft angrenzender Baracken und Unterkünfte nachträglich in trägen Nebel hüllt.

Kraft und Jugend, Herzblut und Kampfgeist einer politischen Bewegung zeigen sich in ihrem Ungestüm. In der Authentizität ihrer Regungen, die jedes einzelne Glied bewirkt. Ohne resultierende Reibereien können weder die vorhandenen Profile überprüft und geschärft noch bestehende Differenzen nachhaltig ausgelotet werden. Übrig bleibt, jenseits dieser Dialektik, nur der monotone Gleichtakt, neulich nahezu karikaturenhaft vorgeführt auf dem Digitalparteitag der GRÜNEN; eine einzige Zirkusnummer mit Handverlesenen Clowns und Zugpferdchen. Man mag zur AFD stehen wie man will, man kann und soll sie auch immer wieder kritisieren, aber man darf es den Delegierten nicht verübeln, das sie mit so viel Engagement und Herzblut um die Berücksichtigung ihrer Haltungen und Überzeugungen fechten. Meuthen murkste mit seinem Machtwort ja genau das ab, was diese Partei bis jetzt so stark gemacht hat. Und da geht eben noch mehr, lässt man die Leute nur machen. Ein Beispiel. Wenn manche in der Partei mit gehöriger Verspätung mehr soziales Profil einfordern, dann kann der Möchtegern-Obermufti Meuthen diesem Ansinnen doch nicht ernsthaft mit dem Vorwurf begegnen, das käme aus der ´Prollecke´. Merken sie was? Ähnlich abfällig äußern sich die Systemparteien, geht es um ´Nazi´ oder ´Rassisten´ – in seiner Partei. Das ist so bequem wie verharmlosend – echtem Rassismus, echter Hakenkreuzgesinnung gegenüber. Nicht die Partei, der Herr Meuthen ist das Problem. Was man eben daran erkennt, das die Mainstream-Medien aus ihm einen ´Realo´ machen, der die ´Fundi´- Meute in eigenen Stall zu zähmen hat; und damit kläglich scheitert.

Demokratie lebt vom Streit der Meinungen. Auch die vorsätzlich unverdaulichen oder unvereinbaren gehören in den Ring. Dafür sorgte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Dienstälteste Partei Deutschlands, Europas und der Welt, eben: die olle SPD. Als klassische Arbeiterpartei war sie zugleich progressiv und innovativ, fortschrittlich bzw. Zukunftsweisend über bloße Erbfolgen und Standesdünkel hinweg, alles andere also als eine reine ´Lagerpartei´. SPD – das steht heute nur noch für Schleimen, Paktieren, Ducken: Augen zu und durch. Deswegen sind die Genossen auch so aus dem Häuschen, knallt es bei den ´Rechtspopulisten´: Sie selbst kriegen das auf ihren eigenen, anämisch-langweiligen Parteitagen gar nicht mehr hin. Erinnern Sie sich an die Wahl des Herrn Europa-Schulz zum Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten der Bundes-Partei. Peinlicher, weil einstimmiger, geht nimmer. Kein Wunder, das den danach keiner mehr wählen wollte.

Einig sind sich die Polit-Eliten auch in puncto Meinungsfreiheit. Soll heißen: Überall auf der Welt ist das ein echtes Problem, so was von schlimm vor allem in Osteuropa, Weißrussland oder Trumps Amerika. Bei uns hingegen: allererste Schlagsahne. Mit Schlagstock und Wasserwerfer allerdings. Die Proteste in Leipzig und Berlin haben das drastisch unter Beweis gestellt. Dabei ist schon der einseitige Umgang mit den derzeit aufmuckenden ´Leugnern´, die ganz unterschiedliche Schichten der Bevölkerung zusammenbringen, bezeichnend, denn diese Leute werden diffamiert, indem man ihre Sorgen und Nöte ignoriert, die begleitenden Ansichten aber auf üble Allgemeinplätze reduziert. Demos gegen Rechts hingegen vertragen auch einen Haufen Antifaler, die bei der Gelegenheit gerne mit Steinen werfen, weil es keine Kanonen mehr gibt, die man auf Spatzen abfeuern kann.

Die Kommandopresse sucht und findet ihrerseits passende Zielscheiben. Geliefert werden sie von einigen wenigen zuungunsten der breiten Mehrheit, die dann gleich gar nichts mehr zählt. Eine dumme Gans etwa, die sich für Sophie Scholl hält, reichte schon aus, um kraft ihrer ´Bedeutung´ eine im Ganzen sehr vielfältige Protestbewegung per se zu erledigen. So geht Quali-Journalismus. Covidioten, Antisemiten, Rechtspopulisten und Rassisten: Alle mal in einen Topf geworfen und feste umgerührt und dann mit Rattengift fett nachgewürzt: Fertig ist die Kotzgülle. Gewollt ist also ein schnöder, grauer Einheitsfraß. Derlei ´Bescherung´ verdirbt den Magen. Prost Mahlzeit.


Autor: Shanto Trdic
Bild Quelle:


Donnerstag, 03 Dezember 2020

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