Die Rasse muss weg!

Die Rasse muss weg!


Die besten Pointen schreibt bekanntlich das Leben. Und die allerbesten kommen aus dem Umfeld des Berliner Senats.

Die Rasse muss weg!

Von Henryk M. Broder

Es handelt sich dabei um fünf Frauen und sechs Männer unter der Führung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der derzeit auch den Vorsitz im Bundesrat hat, der Länderkammer der deutschen Legislative.

Kurz bevor das letzte Jahr zu Ende ging, kommentierte Müller die wegen der Corona-Pandemie anstehenden Ladenschließungen nach Weihnachten mit den Worten: „Es gibt keinen Grund, sich wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen“, das könne man „auch vorher machen“, was wiederum einen bekannten Bonner Verfassungsrechtler zu der Bemerkung veranlasste, Michael Müller zeige „patriarchalische Anwandlungen“. 

Immer für eine Pointe gut ist auch die Berliner Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Dilek Kalayci. Auf die Anfrage eines Reporters der BZ, warum in Berlin „Blumenläden schließen müssen, Buchläden aber geöffnet bleiben“, antwortete sie: „Wegen des Gebots zu Hause zu bleiben und Kontakte zu beschränken, können Bücher einen gewissen Ausgleich schaffen.“ Was Blumen offenbar nicht können. Außerdem werde „damit der Kontakt und somit die Gefährdung einer Ansteckung auf dem Weg zu den Verkaufsstellen unterbunden“, aber eben nur zu den „Verkaufsstellen“ für Blumen, nicht für Bücher. 

Eine Wohngemeinschaft in Kreuzberg

Ein verlässlicher Pointenlieferant ist auch der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, ein promovierter Jurist, über den es mangels anderer Meriten bei Wikipedia heißt, er sei im Bezirk Reinickendorf aufgewachsen, bevor er in eine Wohngemeinschaft in Kreuzberg zog.

Vor Kurzem hat er sich dafür ausgesprochen, den Begriff „Rasse“ aus der Berliner Landesverfassung zu streichen. Das wäre „ein Signal, dass sich auch das Land Berlin klar gegen Rassismus wendet“. Klar, wo es keine Rasse gibt, läuft auch der Rassismus ins Leere.

Letzten Freitag gab die Pressestelle des Justizsenators das Erscheinen eines von der Europäischen Kommission gesponserten „Handbuchs“ zum Thema „Antisemitismus“ bekannt, in dem Berlin gleich „dreimal als Best-Practice-Beispiel genannt“ wurde, was man dahingehend verstehen konnte, dass Berlin in Sachen Antisemitismus die Nase vorne hat. Irgendwie. 

Eines der Best-Practice-Beispiele bezog sich auf die „Einrichtung der Antisemitismusbeauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2018“. Diese nutzte die Gelegenheit zu einer „Stellungnahme“ in eigener Sache.

„In den letzten Jahren ist es uns gelungen, ein weites Netzwerk mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu etablieren. Die daraus resultierenden Kooperationen ermöglichen uns einen vertrauensvollen Informations- und Erfahrungsaustauch sowie einen Perspektivwechsel und unterstützen uns bei unserem Ziel, antisemitische Straftaten konsequent und effektiv zu verfolgen.“

Netzwerken ist die hohe Schule der Bürokratie 

Die Antisemitismusbeauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin verlor kein Wort darüber, welche und wie viele antisemitische Straftaten „konsequent und effektiv“ verfolgt wurden, sie begnügte sich mit der Feststellung, es sei ihr gelungen, „ein weites Netzwerk mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu etablieren“. Bravo! Netzwerken ist die hohe Schule der Bürokratie. 

Der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, so der komplette Titel des Amtes von Dirk Behrend, gab seiner Freude darüber Ausdruck, „dass die vielfältigen Bemühungen des Landes Berlin im Kampf gegen Antisemitismus gesehen werden“ und stellte sogleich einen aktuellen Bezug her: „Wir dürfen aber nicht ruhen. Insbesondere die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben in den vergangenen Monaten eine Verschränkung mit antisemitischen Welterklärungsmodellen zutage gebracht.“ Hat es vor Corona in Berlin keine antisemitischen Welterklärungsmodelle gegeben oder waren sie dem Justizsenator nur nicht aufgefallen? 

Es gibt tatsächlich etwas, das Berlins „Kampf gegen Antisemitismus“ auszeichnet, einen unique selling point. Jedes Bundesland hat inzwischen einen Antisemitismus-Beauftragten, in Berlin sind es vier. Außer und neben der Antisemitismusbeauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft ist es der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Berlin und der „Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“.

Bald könnte es in jedem der 12 Stadtbezirke einen geben, damit der Kampf gegen Antisemitismus noch konsequenter und effektiver geführt werden kann.

 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche und der Achse des Guten.


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Foto: Olaf Kosinsky CC BY-SA 3.0 de, via Wikimedia Commons


Montag, 18 Januar 2021