Folgen der Corona-Politik der Bundesregierung: Einzelhandel am Rande des Abgrunds

Folgen der Corona-Politik der Bundesregierung:

Einzelhandel am Rande des Abgrunds


Der Mittelstandsverband BVMW hat eine Umfrage veröffentlicht, nach der inzwischen die Mehrheit der befragten mittelständischen Unternehmer (52,43 Prozent) die Corona-Politik der Bundesregierung für sich als existenzgefährdend ansieht.

Einzelhandel am Rande des Abgrunds

Von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Die freiwilligen Mittelstandsverbände und auch die Mittelstandsforschung sehen die Existenzgefahr für unsere mittelständischen Personalunternehmen in Deutschland sehr viel kritischer als die öffentlichen Funktionärsverbände, zum Beispiel der DIHK. Während Letzterer den in der deutschen Geschichte einmaligen Wirtschaftstopp unserer Regierung verteidigt und meint, dass „die Unternehmen auch in diesem Jahr ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit beweisen müssen, um die wirtschaftlichen Folgen der Covid19-Pandemie zu bewältigen“, gehen die freien Mittelstandsverbände und das Mittelstandsinstitut Niedersachsen mit der Regierung hart ins Gericht:

Nie vorher hat es in der deutschen Geschichte eine Zwangsschließung der mittelständischen Betriebe gegeben. Nie wurde so pauschal ein gesamter Wirtschaftsstopp und insbesondere Verkaufsstopp verordnet, nie wurde die persönliche und Gewerbefreiheit aus angeblicher Gesundheitsvorsorge so beschränkt. Am schlimmsten für den Einzelhandel ist, dass diese Zwangsschließung nun schon mehrere Monate dauert.

Vor allem hat dem Einzelhandel die Zwangsschließung im Dezember geschadet mit einem Umsatzrückgang von 9,3 Prozent zum Vormonat (Statistisches Bundesamt).

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, Genth, hat für die Staatsmaßnahmen ebenso wenig Verständnis wie das Mittelstandsinstitut. „Sicheres Einkaufen gehe auch unter Pandemiebedingungen“. Insofern sei nicht zu verstehen, weshalb der Facheinzelhandel sein Angebot, selbst für und als Sicherung für seine Mitarbeiter und Kunden zu sorgen, nicht verwirklichen dürfe und der Staat dem Handel unbegründete Zwangsmaßnahmen verordne, während er zum Beispiel in Drogerien und im Lebensmitteleinzelhandel Selbstschutz für ausreichend halte. Nicht nur die Tatsache der Schließung, sondern auch die Willkür, wer schließen müsse, sei unerträglich.

Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen sieht dramatische Folgen der unnötigen öffentlichen Zwangsschließung unseres Einzelhandels:

In 40 Boom-Jahren sind die Innenstadtmieten für den Einzelhandel so dramatisch gestiegen, dass sie bei vielen Betrieben den größten Fixkostenblock ausmachen. Und die Politik hat die Forderung des Mittelstandsinstituts Niedersachsen einer Sonderkündigung von Mietverträgen für die Stillstandszeit leider nicht erfüllt. Deshalb werden hunderttausende von Betrieben, die nicht in eigenen, sondern in gemieteten Räumen der Innenstadt ihre Waren anbieten, trotz oder gerade wegen der unzureichenden öffentlichen Hilfen die Zwangsschließung nicht überstehen, an den anwachsenden Schulden zugrunde gehen. Das Mittelstandsinstitut rechnet mit mehr als 100.000 Betrieben.

Eigentlich müsste derjenige, der einen Wirtschaftsstopp verfügt, auch die Kostenfolgen dafür tragen. Die Regierung hat aber nur Nothilfen zugesagt. Nach der Umfrage des BMVW haben über 60 Prozent der mittelständischen Betriebe Hilfen beantragt, obwohl 71,4 Prozent von ihnen die Anträge als zu bürokratisch und kompliziert betrachteten. Die Hälfte aller Antragsteller wartete länger als vier Wochen, 24 Prozent länger als acht Wochen und 27 Prozent sogar länger als 12 Wochen auf Hilfe. Positiv wurde nur vermerkt, dass der Staat den Betrieben durch Kurzarbeitergeld ermöglichte, die Mitarbeiter zu halten und sie noch nicht entlassen zu müssen.

Die Umfrage des BMVW ergibt aber einen Aufschrei der Betriebe, die Zwangsschließung schnellstmöglich zu beenden und die Selbstverantwortung der Wirtschaft für Gesundheitsmaßnahmen wiederherzustellen statt unsachgemäß und übertrieben die Einzelhandelsbetriebe ganz geschlossen halten zu müssen. Der Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Banken hätten bewiesen, dass bei eigenen Gesundheitsvorsorgen auch die Öffnung der Betriebe möglich sei. Eine sachliche Begründung für eine weitere Schließung des Einzelhandels gäbe es deshalb nicht. Jede Verlängerung der Zwangsschließung des Einzelhandels sei also von Virologen geschürte Panikhaltung der Bundesregierung, nicht sachliche Wirtschaftspolitik.

Der Einzelhandel ist schon in den 1980er Jahren durch Untätigkeit der Regierung um mehr als 400.000 Lebensmittelhändler zusammengebrochen (Vgl. Hamer, E. „Machtkampf im Einzelhandel“, 1986), weil die Bundesregierung das Grundgesetz unserer Marktwirtschaft – die Chancengleichheit – bei den Rabatten nicht durchgesetzt hat. So konnten die mächtigen Supermarktketten sich umso höhere Rabatte erpressen, je größer sie waren und die kleinen selbständigen Einzelhändler ihre Ware im Großhandel und bei den Lieferanten nur noch teurer beziehen als die Verkaufspreise der Supermärkte betrugen. So hat damals schon Staatsversagen zum Verlust des dezentralen Lebensmitteleinzelhandels und zu den Versorgungsproblemen auf dem Lande geführt.

Auch jetzt bleibt die Bundesregierung wieder untätig, ihrer Pflicht zur Chancengleichheit im Einzelhandel zu genügen: Weil die Raum- und Personalkosten des stationären Einzelhandels zu teuer und die Steuern der einheimischen Betriebe mit ca. 70 Prozent zu hoch geworden sind, die internationalen Versandhandelskonzerne wie Amazon dagegen im letzten Jahr über 100 Milliarden Gewinne in Steueroasen verlegen, also steuerfrei bleiben konnten und nicht mit Fachpersonal, sondern Billiglöhnern arbeiten und sogar noch mit staatlich subventioniertem Transport liefern konnten, hat der lokale Einzelhandel gegen den Versandhandel immer weniger Chancen, steht der gesamte Einzelhandel an einem durch Corona beschleunigten Umbruch. Auch wegen dieses Umbruchs müssen nun im selbständigen Einzelhandel die Geschäfte schließen, kann nur die billigere Versandhandelskonkurrenz weiter liefern, so dass dem Facheinzelhandel immer weniger Chancen gegen die internationale Versandhandelskonkurrenz bleibt. Nicht zu Unrecht beklagt sich der Facheinzelhandel, dass der Staat nun zum zweiten Mal versagt und hunderttausende von Facheinzelhändlern damit vom Markt jagt.

Die Corona-Krise hat auch einen Langzeitstrukturwandel beschleunigt: Die Digitalisierung. Die Schließung der Schulen, ihre Umstellung auf digitales Lernen sowie die erzwungene digitale Heimarbeit, haben einen Digitalisierungsschub unserer Wirtschaftsstruktur bewirkt, der sich zusätzlich auf den Einzelhandel auswirkt. Wenn die Kinder nicht mehr zur Schule und die Menschen nicht mehr zum Arbeitsplatz laufen, sondern zu Hause an ihrem PC sitzen, bestellen sie auch von dort die gewünschten Waren, statt dafür extra in die Stadt zu fahren. Der Digitaltrend zum Versandhandel wird also langfristig anhalten und sich möglicherweise weiter verstärken, so dass teure innenstädtische Geschäftslagen wegen ausbleibender Besucherströme künftig nicht mehr bezahlbar sind, die Städte viel Einzelhandel verlieren – vielleicht dadurch veröden – und die bisher überwiegend auf den Handel ausgerichtete Struktur der Innenstädte sich verändern wird. Für diese Langzeitentwicklung hat die plötzliche Zwangsschließung des Facheinzelhandels verheerend und möglicherweise irreparabel gewirkt.

Das von der Bundesregierung durch die willkürliche Zwangsschließung verursachte Massensterben des Facheinzelhandels betrifft nicht nur diesen selbst, sondern uns alle – die Verbraucher. Verlust von Facheinzelhandel ist auch Verlust von Angebot, Wettbewerb und von Versorgung.

Die Monopoltheorie lehrt uns, dass Monopole nur unter Wettbewerbsbedingungen günstiger versorgen. Sobald der Wettbewerb aufhört, werden die Monopole teuer, streben sie ihre Monopolgewinne an. Monopolisierung des Versandhandels zum weiteren Verlust von Facheinzelhandel ist also nur kurzfristiges Vergnügen der Verbraucher, ist langfristige Schlechterversorgung zu höherem Preis. Auch hierfür trägt die Bundesregierung Verantwortung, weil sie ihrer gesetzlichen Pflicht zur Herstellung von Chancengleichheit nicht nachkommt.

Falsche Lockdown-Politik zu Lasten des Facheinzelhandels schafft somit nicht nur Existenzvernichtungen, sondern auch Angebotsbeschränkungen für alle, dramatische Folgen für die Innenstädte und letztlich auch Schaden für den Staat selbst, weil der Facheinzelhandel Milliarden Steuern und Sozialbeiträge brachte, die die internationalen Versandhandelskonzerne sparen. Und letztlich werden auch die Aussichten für die Beschäftigten im Einzelhandel düster, wenn es immer weniger Facheinzelhandel gibt, der durch mit nur ein Drittel Billiglöhnern arbeitenden Versandhandel ersetzt wird.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot YT


Freitag, 26 Februar 2021