Hanau: Aufregung statt Aufklärung

Hanau: Aufregung statt Aufklärung


Der rechtsextremistische Anschlag von Hanau liegt über ein Jahr zurück und die Hanauer regen sich auf. Nicht etwa über die mangelnde Aufklärung in diesem Fall, sondern über den Regisseur Dr. Uwe Boll.

Hanau: Aufregung statt Aufklärung

Von Sharon Oppenheimer

Über die Ermordung von John F. Kennedy wurden viele Filme gedreht, auch über 9/11, der Ermordung von Abraham Lincoln und Robert F. Kennedy. Aber nun, da Uwe Boll einen Film über den Anschlag in Hanau dreht, schreibt der Bürgermeister Claus Kaminski einen offenen Brief und fordert Boll auf, das Vorhaben einzustellen – allerdings ist der Film bereits abgedreht.

Der Bürgermeister behauptet, dass es Uwe Boll allein darum geht, einen persönlichen Nutzen aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu ziehen. Dabei hat der Regisseur keine Förderung erhalten, sondern finanziert das Projekt aus seinem privaten Vermögen. Allein der Begriff "Deckmäntelchen [...] der Kunst" in dem offenen Brief riecht nach Zensurbestreben, das in einer Demokratie nichts verloren hat.

„Die Unverfrorenheit Ihres Vorgehens zeigt sich auch darin, dass Sie im Vorfeld keinen Kontakt zu den betroffenen Familien gesucht haben.“ schreibt Bürgermeister Kaminski.

Das entspricht nicht der Wahrheit, denn Dr. Boll hatte sowohl telefonisch als auch per Email Korrespondenz mit der Leiterin der Bildungsinitiative Ferhat Unvar gehabt. Das dies anscheinend weder den Angehörigen, noch der Stadt mitgeteilt wurde ist nicht Bolls Fehler. Ihm wurde Anfang Februar mitgeteilt:

Sehr geehrter Herr Dr. Boll,

nach Rücksprache mit Frau Temiz Unvar teile ich Ihnen heute mit, dass wir kein Interesse an einer Mitwirkung Ihres Films haben und auch kein Interview geben möchten.

Freundliche Grüße

Daher wollte Boll aus Pietätsgründen nicht weiter bohren oder sich aufdrängen. Da es neun Opferfamilien sind, musste er annehmen, dass die Leiterin der Bildungseinrichtung die Telefonate mit ihm und die Emails mit allen besprochen hatte, bevor sie ihre Absage schrieb. Sie schrieb nicht, dass die Angehörigen oder die Stadt gegen den Film sind.

Das nun der Bürgermeister auf der Informationsbasis von zwei Fotos in einem BILD-Artikel den Film bewertet und vorverurteilt ist eher lächerlich und im Grunde eine Unverschämtheit. Unterschrieben ist die Schmähschrift gegen Uwe Boll laut Claus Kaminskis Facebook-Eintrag vom hauptamtlichen Magistrat der Stadt Hanau, der Stadtverordnetenvorsteherin, den Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung und den Familien der Opfer.

Wir können nur vermuten, wie der Bürgermeister und seine Getreuen reagiert hätten, wäre Steven Spielberg, Martin Scorsese oder Quentin Tarantino an sie herangetreten.

Sicher ist, dass sich keine Erlaubnis von Jackie oder der Kennedy-Familie abgeholt wurde für jedes Mal, wenn das Attentat an JFK verfilmt wurde.

 

Fakt ist, dass kein Filmemacher eine Genehmigung braucht, um einen Spielfilm über ein öffentliches Ereignis zu drehen. Sowohl das Breivik Massaker, als auch Entebbe, Kennedy, Kopenhagen, 9/11, Baader Meinhof und hunderte andere Filme über Anschläge, Amokläufe und Attentate sind gedreht worden. Uwe Boll hat mit DARFUR, SIEGBURG und BARSCHEL – MORD IN GENF? schon drei wichtige und ähnlich, gute Filme vorgelegt.

Bürgermeister Kaminski und seine Mitstreiter regen sich erstaunlicherweise über einen Film auf, nicht jedoch, dass ein nachweislich rechtsradikaler, psychisch Erkrankter Waffen besitzen durfte, mit denen er elf Menschen erschoss, neun davon mit Migrationshintergrund; mindestens fünf weitere Personen wurden nach Angaben des Landeskriminalamts durch Schüsse des Täters verletzt. Keine Rede ist von den Versäumnissen der Polizei.

Und die Moral von der Geschichte: wir haben Wahljahr. Herr Bürgermeister und seine Anhänger sind um den Ruf der Stadt besorgt und wünschen sich, dass Ruhe herrscht.

Die Angehörigen, die seit einem Jahr Aufklärung und Konsequenzen verlangen, sollten nicht gegen den Film sein, denn er wird den Druck auf Hessen erhöhen und dem Behördenversagen auch Taten folgen zu lassen, so dass „Hanau“ so nicht nochmal passiert.

 

 


Autor: Sharon Oppenheimer
Bild Quelle: User: (WT-shared) Volksparker at wts wikivoyage, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons


Dienstag, 16 März 2021