#allesdichtmachen: Die Angst vor dem Applaus von der falschen Seite

#allesdichtmachen: Die Angst vor dem Applaus von der falschen Seite


Es war zu schön, um wahr zu sein. Für einige wenige Stunden keimte Hoffnung auf bei Millionen von Menschen, die darauf warten, dass ihnen endlich jemand eine Stimme gibt, die wirklich gehört wird.

#allesdichtmachen: Die Angst vor dem Applaus von der falschen Seite

Von Ramin Peymani, Liberale Warte

Sage und schreibe 53 mehr oder weniger Prominente aus dem Kulturbereich hatten es tatsächlich gewagt, aus dem staatlichen Kollektiv auszubrechen. Zwar verpackten sie ihre Kritik in eine Satire, darauf achtend, sich den eigenen Fluchtweg nicht zu verbauen, doch lösten die unter dem Hashtag #allesdichtmachen zusammengestellten Videobotschaften zum Irrsinn der Corona-Maßnahmen und der einseitigen Medienberichterstattung ein Beben aus. Anfangs hatte das Medienkartell die Initiative noch totzuschweigen versucht, wie es schlechte Sitte ist, wenn unliebsame Themen „weggedrückt“ werden sollen. Doch die enorme Resonanz ließ ihm am Ende keine andere Wahl, als zu berichten. Die polit-mediale Reaktion war dabei so vorhersehbar wie die Tatsache, dass ein Viertel der Aufmüpfigen umgehend zurückruderte. Es reichte der verrückte Vorwurf, hier hätten sich ein paar naive Künstler sehenden Auges ins gesellschaftliche Abseits manövriert, weil sie um den Applaus von der „falschen Seite“ hätten wissen müssen. Aus dem Funktionärsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kam gar die Forderung, die Wortführer sollten fortan nicht mehr im Fernsehen auftreten dürfen. Nur wenige der Kulturschaffenden wagten es hernach, sich öffentlich zu ihrem Meinungsbeitrag zu bekennen. Die meisten duckten sich lieber weg. Einige Bedauernswerte hielten dem enormen Druck nicht stand und distanzierten sich postwendend von ihrer eigenen Meinung. Es hatte offenbar sogar Morddrohungen gegeben. Schrecklich, wozu journalistische Hetze führen kann.

„Ihr trampelt auf denen herum, die jetzt selbstmordgefährdet sind. Ihr spuckt auf all die, die ihre Existenz verloren haben.“

An die Spitze der Aufrechten setzte sich der Berliner Regisseur Dietrich Brüggemann. Der 45-Jährige, der unter anderem bei mehreren „Tatort“-Folgen Regie geführt hat, dürfte schon allein deswegen nicht im Entferntesten im Verdacht stehen, rechte Gesinnungen bedienen zu wollen. Er hielt den Gegenwind aus und konterte die absurden Vorwürfe der polit-medialen Blase in einer Weise, die größten Respekt verdient. Nicht ganz so mutig war Jan Josef Liefers. Der bekannte „Tatort“-Schauspieler weigerte sich aber immerhin, die ihm angedichtete Ketzerei vollends zu widerrufen. Brüggemann hingegen las den Medienhyänen per Twitter die Leviten: „Ihr verhöhnt die Opfer. Ihr trampelt auf denen herum, die jetzt selbstmordgefährdet sind. Ihr spuckt auf all die, die ihre Existenz verloren haben. Ihr macht euch lustig über das Leid derer, die in ärmeren Schichten und ärmeren Ländern über die Klinge springen, die ihr ihnen hinhaltet. Ihr seid zynisch und menschenverachtend.“ So groß war Brüggemanns Wut, dass er elf Tweets benötigte. „Hat euch Tod und Sterben jemals interessiert? War es euch bisher egal, dass um euch herum jeden Tag Menschen aus vermeidbaren Gründen gestorben sind? Aber auf einmal gibt es für euch nur noch dieses Thema?“, brachte er die Doppelmoral einer „Vierten Gewalt“ auf den Punkt, die längst zu Merkels „Fünfter Kolonne“ verkommen ist. Die jahrelangen Hasstiraden des polit-medialen Meinungskollektivs, die mittlerweile in Gesetze gegossene Spaltung der Gesellschaft und das Dauernarrativ, mit dem jedwede Kritik am Kurs der Regierenden zur rechten Hetze erklärt wird, haben tiefe Spuren hinterlassen. Unsere Demokratie ist am Ende, wenn heute nur noch die Sorge vor dem Applaus der „Falschen“ bestimmt, was sich zu sagen geziemt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die vermeintlich Wohlmeinenden einen moralisierenden Totalitarismus errichtet haben

Schon 1962 beschrieb der Schriftsteller und Dichter Hans Magnus Enzensberger das Problem: „Die Angst vor dem ‚Beifall von der falschen Seite‘ ist nicht nur überflüssig. Sie ist ein Charakteristikum totalitären Denkens“, mahnte er in seiner Essay-Sammlung Einzelheiten. Der Befund ist also nicht neu, doch wurde der Meinungskorridor seither immer weiter eingeengt. Inzwischen dürfte der 91-Jährige seinen Augen und Ohren nicht mehr trauen. Enzensbergers treffende Analyse, Kritik verhalte sich in einem solchen Klima nur noch taktisch oder verstumme ganz, gilt mehr denn je. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die vermeintlich Wohlmeinenden einen moralisierenden Totalitarismus errichtet haben. Gelten darf das Richtige nur dann, wenn es nicht von den „Falschen“ gesagt oder beklatscht wird. Die Folge ist, dass eine Mehrheit lieber gar keine Meinung mehr vertritt, weil sie riskiert, dafür an den Pranger gestellt zu werden, dass ihre Ansicht von jenen geteilt wird, denen die polit-medialen Demokratiegegner am liebsten keine Grundrechte mehr zugestehen möchten. Schon im vergangenen Sommer hatte sich vor diesem Hintergrund eine Initiative formiert, die sich gegen die Verengung des öffentlichen Diskurses wandte. Der Weckfruf „für freie Debattenräume“ verhallte allerdings, obwohl namhafte Journalisten und Kabarettisten aus allen politischen Lagern sich angeschlossen hatten. Es dürfte die nackte Existenzangst gewesen sein, die eine Reihe verzweifelter Allesdichtmachen-Seelen angetrieben hat. Die polit-medialen Attacken, denen sie sich gegenüber sehen, zeugen von der Panik, Millionen von Bürgern könnten plötzlich Mut fassen und den Corona-Irrweg nicht mehr mitgehen. Den Architekten des neuen deutschen Totalitarismus wird jedes Mittel recht sein, um dies zu verhindern.


Autor: Ramin Peymani
Bild Quelle: Screenshot


Samstag, 01 Mai 2021

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