Wenn über Grapschen nicht berichtet werden darf

Wenn über Grapschen nicht berichtet werden darf


BAG hat über einen Fall mit umgekehrten Vorzeichen entschieden

Wenn über Grapschen nicht berichtet werden darf

Von Albrecvht Künstle

Ich gebe es zu, ich bin ein Triebtäter. Auch im Ruhestand treibt mich die Gier (Neugier) an, mich über neue Urteile des Bundesarbeitsgerichts BAG zu informieren. Denn in der aktiven Phase meiner Vita pinselte ich selbst an Urteilen des Landesarbeitsgerichts Freiburg mit. Offensichtlich zum Wohlgefallen des Vorsitzenden Richters, der mein altersbedingtes Ausscheiden bedauerte mit den Worten, „ich darf Ihnen versichern, dass Ihr fachkundiger Rat für mich immer wertvoll war und ich vor allem im Bereich der Betrieblichen Altersversorgung einiges von Ihnen gelernt habe.“ Das klingt doch etwas anders als der Oberpolizist neulich, der meine „Perspektive auf Aspekte der Rechtsstaatlichkeit, die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns“ anzweifelte.

Was aber jetzt aktuell vom BAG reinkam, ist delikat. Lange bevor die Zeitungsverlage ihren MitarbeiterInnen medizinische Masken verpassten, wurden Maulkörbe verteilt. Anders als im Fall Relotius wurde nicht berichtet, was gar nicht geschehen war, sondern es durfte und darf nicht über tatsächlich Geschehenes berichtet werden. So durfte z.B. ein Redakteur nicht berichten, was ihm bei seiner Arbeit widerfahren war. Er war nämlich im Dienst begrapscht worden.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standort-Eröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Zeitung zu berichten. Der Artikel enthielt u.a. die Schilderung, was sich während der Eröffnung am abendlichen Buffet zwischen dem Redakteur und der Unternehmerin zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Gastes, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Gastgeberin dem Redakteur in die Hüfte. Verletzungen trug er aber keine davon, wo lag dann das Problem?

Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. 2017 fragte der Schreiberling seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne? Dies lehnte der Chefredakteur ab – vielleicht bedauerte er, warum bin ich da nicht selbst hingeflogen? Der Ankündigung dieses Redakteurs noch mit Berufsethos, den Beitrag anderweitig zu publizieren, lehnte der Chefredakteur ebenfalls ab. 2018 erschien in einer anderen Zeitung sein Beitrag doch, mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Zeitung erteilte dem Redakteur daraufhin eine Abmahnung. Mit seiner Klage begehrte er deren Entfernung aus der Personalakte. Wer mehr wissen will, hier ist die Pressemitteilung des BAG.

Und die Moral von der Geschicht‘? Wie gut, dass es Corona gibt – heute gibt es keine solche Dienstreisen mehr, bei denen allerhand passieren kann. Und wer meint, Pressefreiheit sei eine Verpflichtung zu „schreiben was ist“, der irrt. Pressefreiheit ist die Freiheit der Presse, bestimmen zu dürfen was in der Zeitung steht und was nicht. Das (Un)schöne daran: Warum passiert eigentlich nie mehr als in der Zeitung steht? Spaß beiseite, jetzt unter uns:

Die unternehmungslustige Unternehmerin hat die ganze Zeche bezahlt, und da soll sie nur über das Fleisch auf den Tellern verfügen dürfen? Und warum sollte der Redakteur den trockenen Artikel nicht humoristisch anreichern dürfen? Sind denn #MeToo etwa die Heiligen Kühe der Inder, wie die Unantastbarkeit des Propheten oder die unserer Meinungsmacher? Der Gezwickte (ein Opfer?) ist nur wegen der Abmahnung unterlegen. Ich kenne einen Zeitungsmacher aus der Region, der wegen seiner beobachtenden Teilnahme an einer Corona-Demo bei den KollegInnen und seinem obersten Chef in Ungnade fiel und seine Arbeit verlor. Corona ist wirklich gefährlich

 

Foto: Die massiven sexuellen Übergriffe in der berüchtigten Silvesternacht 2015 auf der Kölner Domplatte sind zum Synonym der kollabierenden Sicherheitslage besonders für Frauen geworden


Autor: Albrecht Künstle
Bild Quelle: Superbass, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Freitag, 18 Juni 2021

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