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Verköstigte Verfassungsrichter: Berlin liegt auf einmal mitten in Weißrussland

Verköstigte Verfassungsrichter: Berlin liegt auf einmal mitten in Weißrussland


Der Aufschrei blieb aus. Erst Tage später berichteten erste Medien, und eher zurückhaltend war der Ton selbst jener Journalisten, die sich empörten.

Verköstigte Verfassungsrichter: Berlin liegt auf einmal mitten in Weißrussland

Von Ramin Peymani, Liberale Warte

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hatte schon gar kein Interesse daran, dem Vorgang eine Bedeutung beizumessen. Natürlich nicht. Denn was sich an jenem 30. Juni im Kanzleramt zugetragen hat, ist nicht weniger als Angela Merkels Endsieg über die Gewaltenteilung. Sie scheint sich diesem Kampf seit vielen Jahren verschrieben zu haben und hat aus ihrer Sicht eine Menge erreicht. Nicht nur die Spitzen von Verfassungsgericht und Verfassungsschutz hat sie in ihrem Sinne neu besetzt, sondern auch immer wieder zur Schau gestellt, wie sehr ihr das Parlament bei bedeutsamen Entscheidungen im Weg ist. Merkel fremdelt mit den Organen, auf denen unsere Demokratie fußt, daraus konnte sie nie einen Hehl machen. Dass sie ausgerechnet jetzt die obersten deutschen Richter zu sich ins Kanzleramt lockte, ist an Unverfrorenheit kaum zu überbieten, denn das Bundesverfassungsgericht wird schon nächste Woche über eine Klage gegen die Kanzlerin höchstselbst entscheiden. Es geht um Merkels Äußerungen nach der Landtagswahl in Thüringen im Februar 2020, als sie öffentlich forderte, die demokratische Wahl des Ministerpräsidenten rückgängig zu machen, weil der Gewählte mit den Stimmen der AfD ins Amt gekommen war. Dem betroffenen Thomas Kemmerich blieb damals nichts anderes übrig, als sich dem enormen Druck zu beugen und wieder zurückzutreten. Wer angesichts eines schwebenden Verfahrens gegen sich selbst jene Richter zum Abendessen zu sich bittet, die in Kürze ein Urteil fällen sollen, handelt mindestens instinktlos. Dass die Richter der Einladung folgten, lässt auch sie in einem unguten Licht erscheinen.

Insbesondere die Anwesenheit jener Verfassungsrichter, die am 21. Juli über die Klage gegen Merkel entscheiden, hinterlässt ein Geschmäckle

Instinktlosigkeit ist aber die Sache Merkels nicht. Sie handelt aus eiskalter Berechnung heraus. Und so drängt sich irgendwie der Verdacht auf, dass die Einladung der Karlsruher Verfassungshüter mehr war als eine Geste der Höflichkeit. So sehr die Betroffenen das Gegenteil beteuern, scheint es schwer vorstellbar, dass sich die Gespräche bei erstklassigem Wein und allerlei Gaumenschmaus nur um den verregneten Sommer und die Köstlichkeiten der Mecklenburgischen Küche drehten. Insbesondere die Anwesenheit genau der Verfassungsrichterin, die mit ihren Senatskollegen am 21. Juli über die Klage gegen Merkel entscheiden wird, hinterlässt ein Geschmäckle. Natürlich beruhigt Prof. Dr. Doris König, die Vorsitzende des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht, es sei an besagtem Abend nicht über das Verfahren gesprochen worden. Verständlicherweise hat die klagende Partei dennoch einen Befangenheitsantrag eingereicht. Der Antrag wird abgeschmettert werden, wie auch die Klage gegen die Kanzlerin. Ob es dazu der Einladung der Verfassungsrichter zum Halligalli im Kanzleramt bedurfte, sei dahingestellt. Fakt ist aber: So zerstört man das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit. Zugleich werden Kritiker bestärkt, die eine Schieflage der Demokratie beklagen, seit sich die Parlamentarier parteiübergreifend gegen die AfD zusammengeschlossen haben. Merkel stört derlei nicht. Je weniger Menschen sich an der Demokratie beteiligen, umso zufriedener scheint sie zu sein. Wahlen sind lästig. Doch es wird eine Zeit nach Merkel geben. Dann muss jemand die Scherben zusammenkehren, die 15 Jahre Demokratieabbau hinterlassen haben.

Was bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Merkelschen Fliehkräfte unsere Demokratie zerreißen

In wenigen Tagen wird also der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht darüber befinden, ob die Bundeskanzlerin mit ihrer Intervention Recht gebrochen hat, als sie die parlamentarische Wahl eines Ministerpräsidenten für „unverzeihlich“ erklärte und dazu aufrief, diese schnellstmöglich rückgängig zu machen. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob sich Merkel als Kanzlerin oder als Privatperson geäußert hat. Doch wie soll man den Menschen Angela Merkel von der Amtsinhaberin Angela Merkel trennen? Selbstverständlich drängt sich dem Beobachter die Tatsache auf, dass eine Kanzlerin sich niemals nur privat äußert. Das gilt nicht einmal dann, wenn sie ihre eigene Kartoffelsuppe rühmt. Das Gericht wird es anders sehen, für diese Vorhersage muss man kein Prophet sein. Ohnehin stehen in Thüringen zeitgleich mit der Bundestagswahl Neuwahlen an, weil sich die Parteien nach der „Panne“ bei der Wahl des Ministerpräsidenten auf eine baldige Behebung des Malheurs geeinigt hatten. Was bleibt, ist ein bitteres Gefühl der Ohnmacht angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Merkelschen Fliehkräfte unsere Demokratie zerreißen. Als Bürger fühlt man sich täglich von einer Bundesregierung verhöhnt, die Länder wie Polen und Ungarn an den Pranger stellt. Was dieser Tage in Berlin passiert, erinnert allerdings mehr an Weißrussland, mit dessen politisch korrekter Umbenennung in „Belarus“ Deutschlands Staatsfunker aber so sehr beschäftigt sind, dass sie keine Zeit finden, die Zerstörung der Gewaltenteilung und die Entmachtung von Verfassungsorganen zu thematisieren, die mit Angela Merkels Herrschaft für immer untrennbar verbunden sein werden.

 

 

Foto: Symbolbild


Autor: Ramin Peymani
Bild Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F044193-0031 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons


Dienstag, 13 Juli 2021

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