„Eintritt nur für Geimpfte“

„Eintritt nur für Geimpfte“


Durch die Maßnahmen im Kampf gegen Corona befinde ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in Räumen, die gesunde Freundinnen und Freunde von mir nicht betreten dürfen, weil sie als minderwertig und schädlich angesehen werden.

„Eintritt nur für Geimpfte“

Von Gerd Buurmann

Das erste Mal in meinem Leben erlebe ich eine Spaltung in der Gesellschaft, in der die eine Seite glaubt, die andere Seite sei für sie durch ihre bloße Existenz lebensgefährlich. Das gilt es erstmal zu verdauen.

Ich mache es keiner Gaststätte, keinem Theater und keinem Club zum Vorwurf, wirtschaftlich überleben zu wollen. Nach den Monaten der Lockdowns, Ausgangsperren und Distanzierungen geht es für alle Orte, an denen sich Menschen treffen, um in Gemeinschaft etwas zu erleben, um die pure Existenz. Dennoch, ich muss es einfach sagen, es fühlt sich für mich falsch an, in einer Blase zu sitzen, in der nur gegen COVID-19 geimpfte oder an Corona genesene Personen gestattet sind.

Ich bin geimpft. Für mich stehen alle Orte offen. Ich kann alle Räume betreten, unabhängig davon ob nun die 3G- (getestet, genesen oder geimpft), die 2G- (genesen oder geimpft) oder die 1G-Regel (geimpft) gilt. Als geimpfter Mensch kann ich sogar Corona positiv sein und dennoch jeden Raum betreten. Für Menschen, die nachweislich Corona negativ sind, gilt dies nicht, jedenfalls nicht, wenn sie nicht geimpft sind.

Es fühlt sich falsch an!

In der Gesellschaft, in der ich mich gerade befinde, kann ich meine Freiheit nicht genießen. Ich habe zwar wieder Theaterstücke gesehen, gefeiert, getanzt, gegessen, getrunken und gelacht, kann wieder Kunst, Kultur und Gemeinschaft genießen und dennoch ist da dieses ungute Gefühl: Verdammt nochmal, es ist falsch, was wir da machen.

Es ist nicht falsch, weil wir endlich wieder unser altes Leben zurückhaben wollen, es ist auch nicht falsch, weil wir uns sicher fühlen wollen; es ist falsch, weil wir nicht zurückkehren in unser altes Leben, sondern weil wir in ein neues Leben hineingeschlittert sind, das nur scheinbar sicher ist, aber dafür umso ausgrenzender und unmenschlicher. In der schönen, neuen Welt, in der wir uns nun befinden, werden Nachbarn, Freunde und Familienmitglieder ausgegrenzt, weil sie nicht geimpft sind. An immer mehr Orten hängen Schilder an den Eingängen: „Eintritt nur für Geimpfte“ / „Kein Zutritt für Ungeimpfte“

Ungeimpfte Menschen werden ausgegrenzt, jedoch nicht, weil sie eine Gefahr darstellen oder weil sie infiziert oder krank sind, sondern weil ihre Körper als defizitär angesehen werden. Menschen, die nachweislich gesund sind, die einen aktuellen, negativen Test vorweisen können, werden nicht reingelassen. Kranke und infizierte Menschen jedoch werden reingelassen, wenn sie geimpft sind.

Gesunde Menschen werden ausgegrenzt.

Ungeimpften Menschen werden mangelnde Solidarität, Egoismus und andere Gemeinheiten vorgeworfen. Sie werden ausgegrenzt, weil sie mit ihrer ganz persönlichen medizinischen Entscheidung, die sie zum Teil in Absprache mit ihren Ärztinnen und Ärzten gefällt haben, vielleicht riskieren, bei einer Infektion einen schwereren Krankheitsverlauf zu haben und dann Intensivbetten zu belegen.

Wenn wir alle Menschen ausgrenzen würden, die aufgrund ihrer persönlichen Entscheidungen eine höhere Wahrscheinlichkeit riskieren, Intensivbetten zu belegen, dann müssten wir eine Menge Menschen ausgrenzen. Raucher zum Beispiel, dürften nicht mehr in Gaststätten gelassen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Gaststätte rauchen. Es reicht, dass sie irgendwie, irgendwo, irgendwann rauchen, weil sie damit eine höhere Wahrscheinlichkeit riskieren, auf einer Intensivstation zu landen und einen Platz wegzunehmen.

Einen Menschen, der gesund ist, nicht in einen Laden zu lassen, weil er ungeimpft ist, ist genauso wie einen Raucher nicht reinzulassen, obwohl er drinnen gar nicht rauchen würde.

Auch dicken Menschen müssten wir den Eintritt in sämtliche Lokalitäten verwehren. Sie sind zwar nicht ansteckend, so wie Menschen, die kein Corona haben nicht ansteckend sind, aber ihre Art zu leben sorgt nunmal dafür, dass sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf einer Intensivstation landen und dann vielleicht einem krebskranken Menschen den Platz wegnehmen. Wenn der krebskranke Mensch jedoch ein Raucher ist, dann ist er wieder selber Schuld an seiner Misere und mindestens so egoistisch wie der Dicke.

Nun kann man einwenden, dass die Ungeimpften nicht reingelassen werden, um sie vor Ansteckungen durch die Geimpften zu schützen, allerdings erschließt sich mir diese zwanghafte, ungefragte und mannigfaltige Hilfe auch nicht. Hilfe durch Ausgrenzung? Sollte nicht jeder Mensch selbst entscheiden können, was er mit seinem Körper macht?

Wenn Du keine Autonomie über Deinen eigenen Körper hast, lebst Du nicht in einem freien Land.

Diese ganze Diskussion um Menschen, die anderen Menschen einen Platz auf der Intensivstation wegnehmen, ist vollkommen unmenschlich. Ein Freund von mir hatte kürzlich einen Unfall, weil er zu betrunken war. Er wurde in die Ambulanz gefahren. Als ich dort mit ihm saß, sah ich eine Menge Menschen, die medizinische Hilfe brauchten und fast alle waren dort, weil sie irgendwann vor der akuten Situation eine nicht ganz so kluge Entscheidung gefällt hatten. Nicht selten waren die letzten Worte von Menschen: „Glaub mir, das hält.“

Es gibt Männer, die klettern auf wacklige Stühle, um eine Glübbirne einzuschrauben. Es gibt Frauen, die setzen sich in geräderte Maschinen, um in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit durch die Gegend zu heizen. Es gibt Leute, die saufen und rauchen, andere spritzen sich Substanzen. Oft ist es der Druck der Gruppe, der sie dazu verleitet. „Ach komm schon, einer geht noch rein.“ / „Glaub mir, Du wirst es mögen!“

Ich lebe heute in einer Welt, in der sich ein gesunder Mensch, der in Freiheit kulturell leben will, spritzen lassen muss. Er muss das sogar überall nachweisen. Menschen, die sich zum ersten Mal begegnen, fragen sich gegenseitig den Impfstatus ab und wollen Impfausweise sehen. Der Mensch ist dem Menschen ein Grenzsoldat gewesen. Überall gibt es Grenzposten.

An den Eingängen von Theatern und Gaststätten wird nicht mehr „Willkommen“ gesagt oder „Hereinspaziert“, sondern erst einmal gefragt: „Sind sie geimpft?“

Bisher kannte ich die Verpflichtung, mich impfen zu lassen nur, wenn ich in fremde Länder reiste. Dann aber überquerte ich auch Grenzen, die von Menschen in Uniformen bewacht wurden, von Soldatinnen und Soldaten. An solchen Grenzen kann sogar geschossen werden.

Seit einigen Wochen lebe ich in einem Land, in dem es solche Grenzen, die keine ungeimpfte Menschen reinlassen, auch um Kneipen, Restaurants, Clubs, Theater und anderen Lokalitäten gibt. Es ist der massivste Bau von Grenzen in kürzester Zeit, den ich je erlebt habe. Alle neue Grenzen zusammengenommen, sind länger als die Grenze zwischen Mexiko und den USA.

Noch vor einem Jahr hatte ich es nicht einmal erlebt, dass jemand nachweisen musste, gegen Masern geimpft zu sein, um in ein Theater zu dürfen. Nie musste eine Person bezeugen, gegen Röteln geimpft zu sein, um eine Bar betreten zu dürfen. Das Alter war das einzige Ausschlusskriterium. Für Kinder gelten besondere Schutzverpflichtungen. Erwachsene Menschen sind aber keine Kinder.

Clubs, an denen Türsteher gesunde, nüchterne, höfliche Menschen abgewiesen haben, weil ihnen ihr körperlicher Zustand nicht gefiel, habe ich stets vermieden. Heute jedoch gibt es leider keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Heute gilt der menschliche Körper als schändlich, wenn er nicht nicht behandelt wurde. Der menschliche Körper, der vor zwei Jahren noch ausreichte, ist heute mangelhaft und muss verbessert werden, nicht zum Wohle des Menschen selbst, sondern zum Wohle der ganzen Menschheit. Der Impfstatus wird zur persönlichen Wertung des Menschen, auf dessen Grundlage der Staat sogar Freiheitsrechte einschränken kann.

Am Körper des Menschen wird Politik gemacht. Der Zustand des Körpers entscheidet, ob gewisse Rechte eingeschränkt werden dürfen.

Die Impfung ist die neue Taufe. Nur mit ihr kann der Mensch seine Ursünde der Coronaanfälligkeit überwinden und zur neuen Gemeinschaft konvertieren. In dieser neuen Welt lautet die Devise: „Nur in einem geimpften Körper steckt ein gesunder Geist.“

Wenn alle Menschen geimpft sind, wird die Pandemie endemische. Mit dem notwendigen Druck bekommt man so ziemlich alles homogen. Wenn alle Menschen zum Islam konvertieren würden, gäbe es keine Religionskriege mehr. Es würde Frieden herrschen. Dennoch ist es falsch, wenn Menschen mit Druck zum Islam gezwungen werden. Wenn alle Menschen Kommunisten wären, gäbe es keine Ausbeuter mehr. Trotzdem ist es falsch, eine Ein-Parteien-Diktatur zu errichten. Es geht somit nicht darum, ob es richtig ist, an eine Religion des Friedens zu glauben oder in einer Gesellschaft der sozialen Gerechtigkeit zu leben, sondern um die Frage, ab wann die Grenze zur Unterdrückung überschritten ist, selbst wenn es um eine gute Sache geht.

Für mich ist ein erster Schritt über diese Grenze getan, wenn mit einer geradezu banalen Selbstverständlichkeit Millionen Menschen die Willkommens-Schilder an in ihren Geschäften mit der Aufschrift „Kein Zutritt für“ ersetzen.

 

Erstveröffentlicht bei Tapfer im Nirgendwo


Autor: Gerd Buurmann
Bild Quelle: Screenshot


Sonntag, 24 Oktober 2021

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