Herrschende und Beherrschte: Der gefährliche Kontrollverlust des Souveräns

Herrschende und Beherrschte: Der gefährliche Kontrollverlust des Souveräns


Wann sind wir eigentlich falsch abgebogen? Wie konnte es dazu kommen, dass eine breite Mehrheit es für vollkommen akzeptabel hält, ja geradezu danach ruft, dass eine kleine Gruppe Regierender sie drangsaliert, maßregelt und bevormundet?

Herrschende und Beherrschte: Der gefährliche Kontrollverlust des Souveräns

Von Ramin Peymani, Liberale Warte

Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin ein Verfechter der repräsentativen Demokratie. Ich halte es für eine der Errungenschaften moderner Gesellschaften, sich Volksvertreter zu wählen, die sich in offenen Debatten um die besten Lösungen bemühen. Doch das ist nur die Theorie. Was wir zunehmend erleben, ist der Zusammenschluss dieser Volksvertreter zu einer Gruppe Herrschender, die inzwischen nur noch daran interessiert scheint, ihre Macht über die Beherrschten auszudehnen. Die Berufspolitik führt ein Eigenleben, in dem jeder als Störer gilt, der sich außerhalb der Ideologien bewegt, die aus den Elfenbeintürmen heraus verordnet werden. Dabei ist es beinahe egal, wer regiert und wer nicht. Parteien, die versuchen, die Oppositionsrolle auszufüllen, die der Parlamentarismus aus gutem Grund vorsieht, werden an den Rand gedrängt und „unschädlich“ gemacht. Dies verhindert einen ergebnisoffenen Meinungswettstreit und eine effektive Kontrolle der Regierenden. Stattdessen kann die um weitere, offiziell nicht regierende Parteien verstärkte Regierung ihren Drang nach immer mehr Kontrolle über die Bürger ungeniert ausleben. Niemand mehr weit und breit, der den Herrschenden noch wirksam entgegentreten könnte, zumal die jüngere Vergangenheit Zweifel daran hat aufkommen lassen, dass die Gewaltenteilung noch funktionstüchtig genug ist, um die Regierenden in die Schranken zu weisen. Dabei wusste schon der große Friedrich Dürrenmatt: „Die Herrschenden müssen bewacht werden, nicht die Beherrschten.“

Es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen, die kraft ihrer Mandate und Ämter derart viel Macht über andere ausüben können, einer strikten Kontrolle unterliegen

Unterstützt von den einst als außerparlamentarische Opposition agierenden Leitmedien, wird heute eisern darüber gewacht, dass sich die Bürger dem offiziellen Narrativ fügen und sich den Dogmen der Regierenden unterordnen. In dieser auf dem Kopf stehenden Welt gilt Dürrenmatts Forderung, eines der Grundprinzipien der Demokratie, als populistische Parole. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen, die kraft ihrer Mandate und Ämter so viel Macht über andere ausüben können, einer strikten Kontrolle unterliegen. Wer dies für „rechtspopulistisches“ Gedankengut hält, steht vielleicht weniger fest auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung als diejenigen, die er abzukanzeln versucht. Gerade in einer Zeit, in der enorme Einschränkungen wesentlicher Grundrechte beschlossen worden sind, die auch künftig immer wieder zur Anwendung kommen werden, muss der Souverän das letzte Wort haben. Dies nicht erst bei der nächsten Wahl, sondern kontinuierlich. Die hierfür gewählten Repräsentanten in den Parlamenten kommen ihrer Aufgabe und Verpflichtung eines freien Mandats jedenfalls nicht mehr nach. Zu schwer lastet offenbar der Druck des Fraktionszwangs auf ihnen, zu groß ist anscheinend die Sorge, bei wiederholter Abweichung von den Vorgaben künftig nicht mehr auf einem erfolgversprechenden Listenplatz zu landen. Selbst dort, wo die Abstimmungen freigegeben werden, was eher sehr selten passiert, traut sich eine Mehrheit der Abgeordneten nicht, auszuscheren. Das eingeübte Ritual, an der gewünschten Stelle die Hand zu heben, ist offensichtlich so leicht nicht zu durchbrechen. Es ist gefährlich für unsere Demokratie, wenn die Volksvertreter nicht mehr das Volk vertreten, sondern nur noch ihre Parteiführungen.

Mit Corona ist die Balance zwischen Regierenden und Regierten verloren gegangen und es wäre Aufgabe der Leitmedien, deren Wiederherstellung täglich einzufordern

Wir müssen der Verselbständigung der politischen Kaste entgegenwirken. Dazu gehört, die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Berater und vermeintlichen Experten denselben Regeln zu unterwerfen, die für Abgeordnete gelten. Nur durch Transparenz lässt sich verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen etwa ein „Expertenrat“ maßgebliche gesundheitspolitische Weichenstellungen bis hin zu Grundrechtseingriffen vornimmt, erscheint es sinnvoll, das Mandat der Gremienmitglieder zeitlich zu begrenzen. Eine regelmäßige Neubesetzung könnte gewährleisten, dass eingetretene Pfade auch wieder verlassen werden, damit sich keine Automatismen herausbilden, die alternative Wege von vornherein ausschließen. Auf supranationaler Ebene müssen alle Entscheider einer stärkeren Kontrolle unterliegen, seien es die der EU, der WHO oder der UN. Wo de facto europa- oder gar weltweit entscheidende „Ersatzregierungen“ errichtet worden sind, können diese nicht länger im demokratiefreien Raum agieren, in dem die regierten Bürger nur Zaungäste sind. Dass ein immer weiter von den Betroffenen weg verlagerter Entscheidungsprozess zu schlechteren Ergebnissen und vor allem zu Vertrauensverlust und Politikverdrossenheit führt, ist ohnehin festzustellen. Mit Corona ist die Balance zwischen Regierenden und Regierten verloren gegangen. Es wäre vorrangige Aufgabe der Leitmedien, die Wiederherstellung täglich einzufordern. Stattdessen gefallen sie sich in der Rolle, die Macht der Herrschenden über die Beherrschten abzusichern und die Bürger zur Folgsamkeit zu erziehen. Auch für sie hätte Friedrich Dürrenmatt heute klare Worte. Er wollte Erkenntnisse wecken, aber nie belehren. Wie sehr sie der Welt doch fehlen, die großen Denker vergangener Tage.


Autor: Ramin Peymani
Bild Quelle: Jochims, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons


Mittwoch, 12 Januar 2022

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