Andreij Makarevitch aus Moskau fragt nach den Ursachen für Hitlers Hass auf Juden

Andreij Makarevitch aus Moskau fragt nach den Ursachen für Hitlers Hass auf Juden


„Ich versuche nur, es herauszufinden… Hitler hasste die Juden. Die Ursache ist unbekannt. Dieser Hass war irrational und so stark, dass er im Holocaust gipfelte."

Andreij Makarevitch aus Moskau fragt nach den Ursachen für Hitlers Hass auf Juden

Von Torsten Kurschus

Ursachen für Hitlers Antisemitismus sind sehr gut bekannt und sie haben System.
Das klingt seltsam, weil Hitler im ersten Weltkrieg mit vielen jüdischen Kameraden gedient und hatte und gut Freund war.

Hitler kommt aus Braunau am Inn in Ober-Österreich. Das war ein kleines und sehr rückständiges Städtchen.

Im Gegensatz zu den Städten hatte es auf dem Lande auch in Österreich immer schon Judenhass gegeben. Das hängt damit zusammen, dass man auf dem Lande eben nicht das moderne uns aufgeklärte Judentum kannte, wie es sich fast überall in Europa etablierte.
Dort sahen die Ländler nur die bitter-arme ashkenasische Unterschicht der Hausierer und der von Dorf zu Dorf ziehenden Flicker. Es waren die ärmsten der Armen dieser Zeit, auf die gerade einmal das deutsche Wort Trödler zutrifft. Das ist schwer zu ertragen, wenn man sich diese Zeit bis in das Frühe 20ste Jahrhundert vergegenwärtigt.

Da Juden noch keine 100 Jahre zuvor auch kein Handwerk ausüben durften, waren die maximalen Gewerke, die Juden gestattet waren, zuvor Kessel- und Schuhflicker, Messer- und Scheerenschleifer. War ein Jude Schneider, galt der in der Regel lange als "Flickschneider".

Juden als Landarbeiter gab es selten und Bauern gar nicht, da man nicht wollte, dass sich diese Juden niederlassen konnten. Es sind Fälle, v.a. in Süddeutschland und im alten Österreich belegt, in denen Bauern, die mit ihren jüdischen Knechten sehr zufrieden waren, gezwungen wurden, diese "fortzujagen".
Diese sozialen Nachteile sind auch einmal nicht in einhundert Jahren eingeschränkter Freiheit zu überwinden.
Jüdische Banquiers, Musiker, Ärzte, Künstler und Professoren hatte man auf dem Land natürlich nie gesehen.

 

Hitler, der eigentlich aus einem ordentlichen Mittelhaushalt kam, sein Vater war ja Ortspolizist und die Familie hatte immer gut zu essen und sie waren auch Hausbesitzer. Sogar für etwas Mal- und Spielzeug hatte es für den einst sensiblen Jungen gereicht. Bücher und Bildung waren aber keine Option.

Er hasst diese Armut, die er bei anderen sah. Er hasste deren Lumpen, die meist auch nicht gut rochen. Da fühlt er, der ständig von seinem Vater geschlagen wird, sich doch schon als etwas Besseres. Er beginnt, verachtend auf die Juden herab zu blicken.
Bis er gegen sie hetzen wird, wird es noch einige Jahre und einen Krieg dauern.

 

In Wien, wo er Kunst studieren möchte, sieht er die anderen Juden. Sie sie weltgewandt, elegant, gebildet und stehen unerreichbar weit über ihm und seiner Herkunft.

Er hasst die Juden sofort. Aber noch hat er mehr mit sich selbst zu tun.

Diese Fehlschaltung in seinem Gedankenbild wird er nie loswerden. Im Gegenteil, sie wird sich verstärken, denn er sieht die Juden immer noch und für immer mit den Augen, mit denen er sie erlebt hatte. Es können also nur Betrüger und Verbrecher sein, die so einen Wohlstand aufbauen und das im wohlhabenden Österreich, während die Österreicher und die Deutschen zusehen und wahrscheinlich ihr Geld an die Juden verlieren.

 

Da wird Hitler an der Kunstakademie abgelehnt, obwohl die Begabung für Landschaftsmalerei und Architektur beträchtlich ist. Der junge Mann, der sich in der Weltstadt mit seinem billigen schlecht sitzenden Anzug völlig verloren fühlt, ist nicht gebildet und geübt genug, um der Weite der Anforderungen an der Akademie gerecht zu werden. Er kann gut Malen und Zeichnen, aber das ist eher ein Abmalen und ihm fehlt die Phantasie für richtige Kunst. Die hätte er viel früher entwickeln müssen. In diesem Zuhause war das nicht möglich. Ähnliches sagt man ihm ohne Bosheit bei seiner Ablehnung. Wieder waren es Juden, jüdische Professoren, die ihm damit im Weg stehen. Das ist zwar nicht richtig, aber er empfindet das genauso.

 

Dann schlägt er sich mit Postkarten durch und er erlebt die Arroganz des "Judenpacks", was ihn bei den Wienern natürlich nicht stört. Die ganzen "Ausländer" im Vielvölkerstaat gehen ihm auf die Nerven. Er schlägt sich mir sogar recht ordentlich gemalten Postkarten durch und kann sich ein halbes Zimmer leisten.

 

Während dessen bemerkt er den relativen Wohlstand auch der einfachen Leute. Man bedenke Österreich hatte seit 1866 keinen Krieg gehabt. Hier entdeckt er etwas, was ihn später als National-"Sozialisten" immer begleiten wird - das Volk!

 

Er schließt sich sozialistischen Bewegungen an. Diese widern ihn nach und nach aber an. Auf der Straße und in Kneipen bemerkt er ein anderes seiner Talente.

Er kann vor Leuten reden. Damit geht seine eigentliche Ideologisierung los, denn er gerät in die nationalen Bewegungen, die dieses Talent gut gebrauchen können. Noch ist er weit vom späteren Nationalsozialismus entfernt, aber die Saat beginnt hier zu keimen.

Es sind mystisch orientierte Gesellschaften, die ihn einladen und die alten Kriegervereine. Und der Krieg steht vor der Tür. Die Stimmung ist überall für den Krieg. Als in Sarajewo 1914 der Erbprinz Ferdinand von serbischen Anarchisten ermordet wird, schwappt das vorbereitete Feindbild des Kommunismus bleibend nach Österreich und später wird dieses eng mit dem jüdischen Feindbild untrennbar verwoben. Dann werden es die verjudeten Kommunisten sein, die plötzlich ein gutes Zielkreuz abgeben.

 

Schließlich kommt der Krieg. Er wird als Meldeläufer verwundet und bekommt das Eiserne Kreuz, landet aber danach ausgelaugt mal wieder auf der Straße.

Jetzt findet er seine Heimat endgültig in den Patriotischen Vereinen und Nationalistenverbänden. Die Juden sind an allem schuld, das hört man nun immer öfter. Das gehört sich so und darauf hört er. Und tatsächlich. Mit der Oktoberrevolution finden sich überproportional viele Juden im revolutionären sowjetischen Russland. Auch dieses Bild wird Hitler nicht mehr loswerden.

Seine Wissbegierigkeit ist enorm. Die gerät aber auf Abwege. Oskar Spenglers Untergang des Abendlandes fasziniert ihn, wie das effiziente Preußen, während ihm seine Heimat Österreich suspekt wird. Er liest wie unter Drogen, viele Stunden am Tag. Doch es sind die falschen Dinge und diese Einseitigkeit wird bleiben. Später kommt er mit dem Gedankengut der Mathilde Ludendorff einer Frau seines späteren Mitputschisten General Erich Ludendorff in Berührung. Die rührt ganz im Zeitgeist alles Unglaubliche zusammen, was die Leute aber gern geglaubt haben. Die Weltverschwörungen der Juden und Freimaurer, mystizistische Mächte, zahllose Geheimwissenschaftlern von den Theosophen der Madame Blavatsky, oder eines Franz Bardon gehören zum allgemeinen Programm wie alles vom britischen Schwarzmagiers Aleister Crowley. Besonderen Eindruck machen aber der geheime Ahnenkult der Arier zusammen engmaschig verwoben mit dem Antisemitismus. Mathilde Ludendorff wird später als die Mutter des deutschen Antisemitismus genannt.      

 

Dann kommt er in Kontakt zu gesellschaftlichen Strömungen mit Alfred Rosenberg und Dietrich Eckart das ist weder eine Philosophie noch eine Systematik. Vielmehr verbirgt sich hinter diesen Szenen ein kruder Synkretismus aus Spiritismus und arischem Vaterlandsgedusel. Man glaubte ja wirklich an noch lebende Urarier und nicht wenig auch daran, dass die immer noch abgeschlossen in einem verborgenen Reich leben würden. Das war übrigens auch kein nur deutsches Phänomen, sondern reichte sogar bis in die USA.

In diesen Kreisen adaptiert Hitler den Germanenkult. Der ist mittlerweile en vogue in Salons und Gesellschaften und Kameradschaften. Anfangs fremdelt er als Österreicher mit dem Germanentum, aber er lebt sich schnell ein. In Deutschland, in das er emigriert ist, trägt er damit Eulen nach Athen.

Mit dem metaphysischen Zeug kann Hitler nichts anfangen, das macht nachher der Reichsführer SS Heinrich Himmler. Aber die Symbiose zwischen Germanenkult und Antisemitismus wird bleiben. Sie erscheint ihm logisch und bietet politisches Potential.  

 

Ganz schnell begreift Hitler, an welchem Hebel er drücken muss, damit er ankommt. Diesen Hebel legt er um und begreift genauso schnell, dass dieses Thema gut beim Volk ankommt. Ok, nicht bei allen aber erst einmal, kann er den einfachen Leuten von der Straße etwas bieten und das ist in den Notzeiten nach dem Weltkrieg sehr wichtig.

Nun braucht eine jede Ideologie wie jede Idealisierung ein Feindbild. Da passen Germanentum und der Feind des Weltjudentums gut zusammen, für jemanden der Weltambitionen hat und die haben fast alle Deutsche. Hitler weiß auch, dass er von den USA bis Polen über USA und Frankreich fruchtbare Gärten hat, die er bloß abernten muss.

 

Das ist, um es festzuhalten, auch beinahe gelungen. Der große Umschwung in diesen Ländern kam erst durch den und nach dem Weltkrieg II.
Da war dann schon alles zementiert, bis dieser zerbarst. Der Rest ist bekannt.

 

 


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Anefo, CC0, via Wikimedia Commons


Mittwoch, 20 April 2022

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