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Hinter Gittern: Warum Boris Becker besser in die Politik gegangen wäre

Hinter Gittern: Warum Boris Becker besser in die Politik gegangen wäre


Es war der 7. Juli 1985. Völlig überraschend hatte es ein 17-Jähriger ins Wimbledon-Finale geschafft und gewann das vielleicht bedeutendste Tennisturnier der Welt

Hinter Gittern: Warum Boris Becker besser in die Politik gegangen wäre

Von Ramin Peymani, Liberale Warte

Für das deutsche Tennis begann eine neue Zeitrechnung. Wimbledon sollte fortan sein Wohnzimmer sein und er kürte sich dort noch zwei weitere Male zum Sieger. „Ich wäre ein besserer Tennisspieler geworden, wenn ich Wimbledon später gewonnen hätte“, gab Boris Becker immer wieder zu Protokoll. Dabei war seine Profisportlerkarriere mit großen Erfolgen nur so gespickt. Weitaus weniger gut lief es für den Geschäftsmann Boris Becker. Pleiten, Pech und Pannen, aber auch eine Reihe privater Skandale, begleiteten seine Versuche, sich eine zweite Karriere zu erschließen. Sie gipfelten in einem Prozess vor dem Southwark Crown Court. Nun folgte der Urteilsspruch: Zweieinhalb Jahre Haft wegen mehrerer Insolvenzstraftaten. Es ist eine gewisse Ironie des Schicksals, dass sich der Kreis ausgerechnet in London schließt, der Wahlheimat des einst so unbekümmerten Teenagers aus Leimen. Die deutsche Tennislegende wird mindestens die nächsten 15 Monate im Gefängnis verbringen. Nach Ansicht der Geschworenen hatte Becker im Rahmen seiner Insolvenz im Jahr 2017 Vermögenswerte verschwiegen und Gelder auf andere Konten übertragen, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. Es wird wohl immer sein Geheimnis bleiben, ob er wirklich nur naiv oder falsch beraten war. Er habe jedenfalls nicht in böswilliger Absicht gehandelt, so sein Verteidiger. Das Gericht sah es anders. Es soll hier jedoch nicht darum gehen, das Urteil zu bewerten. Und Beckers Lebensleistung für das deutsche Tennis wird man immer würdigen müssen, ganz gleich, wie man zu seiner Person steht.

Berufspolitiker werden selten belangt, bestenfalls treten sie für eine Weile in hintere Reihen zurück, bis Gras über die Sache gewachsen ist

Machen wir einen Szenenwechsel und wenden wir den Blick auf die führende Politik. Vergesslichkeit, Schlamperei oder gar die Überzeugung, nicht entdeckt zu werden, findet man auch dort. Die Verstöße reichen von Flugmeilenvergehen über die Erschleichung von Sitzungsgeldern bis zur Verheimlichung großer Einkünfte, von erschlichenen Doktortiteln ganz zu schweigen. Dafür werden Berufspolitiker nur selten belangt. Bestenfalls schütten sie öffentlich Asche auf ihr Haupt und treten für eine Weile in hintere Reihen zurück, bis Gras über die Sache gewachsen ist, um dann aus dem scheinbaren Nichts bis in Ministerämter wieder aufzusteigen. Weitaus ärger ist es dort, wo Steuergelder verschwendet werden, weil man ideologische Rohrkrepierer durchsetzen will oder wider besseres Wissen handelt. Da sind wir schon näher am Fall Becker. Denn wer in der Politik Zugriff auf das Treuhandvermögen der Bürger hat, agiert nicht weniger niederträchtig, wenn er dieses für Zwecke einsetzt, bei denen schon von vornherein kein Nutzen für das Gemeinwohl erkennbar ist. Das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler ist Jahr für Jahr prallgefüllt mit erschreckenden Beispielen. Die vor wenigen Tagen erschienene neueste Ausgabe kann kostenlos heruntergeladen werden. Eine Strafverfolgung müssen Berufspolitiker allerdings nicht fürchten, weil es entsprechende Straftatbestände für sie gar nicht gibt. Politiker sind eben keine Unternehmer. Und genau da liegt das Problem: Ohne eine Haftung analog dem Aktienrecht oder wenigstens den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches werden wir einer Kaste niemals Herr werden, bei der regelmäßig der Eindruck entsteht, dass ihr das Bewusstsein fehlt, als Treuhänder zu agieren. Der Gemeinwohlschaden übersteigt dabei häufig die Dimensionen, die die deutsche Tennislegende nun hinter Gitter gebracht haben.

Die Verschwendung von Steuergeld dient zwar nicht der persönlichen Bereicherung, doch wäre eine Strafverfolgung hier nicht minder wichtig

Schon lange plädiere ich für die Politikerhaftung. Gerne wenden die Betroffenen dann ein, dass dies ja gar nicht ginge und dass sich wohl bald niemand mehr fände, der noch in die bezahlten Parlamente oder gar in Regierungsämter strebe. Das ist natürlich kompletter Unfug. Auch das Argument, es fände sich kein Versicherer, der entsprechende Policen zu akzeptablen Konditionen anbiete, ist eine reine Schutzbehauptung. Die Managerhaftpflicht beweist das Gegenteil, die dort zu versichernden Summen stehen denen, um die es in der Politik geht, in wenig nach. Nein, sie wollen es einfach nicht. Und sie können selbst darüber entscheiden, wie über alles andere auch, was sie betrifft. Berufspolitiker, und dazu zählen nicht zuetzt bezahlte Parlamentarier, dürfen sich das Beste aus allen Welten aussuchen. Geldverschwendung dient zwar nicht der persönlichen Bereicherung, doch wäre eine Strafverfolgung hier nicht minder wichtig. Das Mittel zur Aufhebung der Immunität wird aber fast nur dort genutzt, wo man unliebsame politische Gegner loswerden will. So ist die Strafverfolgung von Parlamentariern und Amtsträgern zum politischen Stilmittel verkommen. Ansonsten herrscht Solidarität, da hackt die eine Krähe der anderen kein Auge aus. Boris Becker konnte auf derlei Abschirmung vor dem Rechtsstaat nie hoffen, Solidaritätsbekundungen hin oder her. Vielleicht hätte er nach seiner Tenniskarriere in die Politik gehen sollen. Er säße zwar jetzt vermutlich nicht in London, aber zumindest wohl auch nicht im Gefängnis. Ein kleiner Trost bleibt ihm: Verurteilte Straftäter ergattern sogar Posten in den höchsten politischen Gremien und internationalen Organisationen. Es ist also vielleicht doch noch nicht alles vorbei für den Mann, dessen zweite Karriere nun mit einem Paukenschlag zu Ende ging.

 


Autor: Ramin Peymani
Bild Quelle: Lesekreis, CC0, via Wikimedia Commons


Dienstag, 03 Mai 2022

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