Kiel: Justiz-Staatssekretär manipuliert seine „Doktor-Arbeit“Kiel: Justiz-Staatssekretär manipuliert seine „Doktor-Arbeit“
Die österreichische Universität Innsbruck prüft pikante Plagiatsvorwürfe gegen den neuen schleswig-holsteinischen Staatssekretär Otto Carstens (CDU).
Von Manfred W. Black
Es geht um dessen Dissertation, die er vor zwölf Jahren geschrieben hat, um zum Doktor der Rechtswissenschaften zu promovieren.
Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge hat Carstens offenbar illegalerweise lange Passagen aus Wikipedia in seiner Arbeit als eigene Erkenntnisse ausgegeben.
Bei Wikipedia abgeschrieben
Dass ausgerechnet ein Staatssekretär im Justizministerium bei seiner Doktorarbeit seitenweise abgekupfert hat, behauptet der angesehene luxemburgische Journalist und Plagiats-Forscher Dr. Jochen Zenthöfer.
In der betroffenen Dissertation aus dem Jahr 2010 (Thema: „Funktionsweisen europäischer Politikgestaltung durch Europäische Parteien und deren Abgeordnete“) soll Carstens lange Passagen des Online-Lexikons Wikipedia wörtlich übernommen haben, ohne die Quelle seiner Erkenntnisse zu benennen.
Die so gefertigte Doktorarbeit hat der CDU-Jurist seinerzeit der Universität Innsbruck vorgelegt, die nun erklärt hat, sie werde die Arbeit des Staatssekretärs überprüfen. Konkret geht es offenbar vor allem um die Zusammenfassungen von verschiedenen Partei-Wahlprogrammen auf den Seiten 86 bis 102.
Vernichtendes Urteil
Ein weiterer Vorwurf des Plagiatsforschers Zenthöfer, der auch Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ist, lautet, Carstens habe sich ebenfalls bei einer anderen Dissertation – bei der Arbeit eines CDU-Politikers – „bedient“.
Zenthöfer fällt auch insgesamt ein vernichtendes Urteil über die Dissertation Carstens‘: Die Qualität der Doktorarbeit von Carstens sei „katastrophal“. Der heutige Staatssekretär mache sogar „groteske und falsche Aussagen“.
Im Vergleich dazu habe die jetzige Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), der ebenfalls teils die Fälschung ihrer Dissertation vorgeworfen wird, „eine Top-Leistung abgeliefert“.
Auch Lebenslauf geschönt
Laut Zenthöfer, der erst kürzlich sein neues Buch „Plagiate in der Wissenschaft“ veröffentlichte, schönte Carstens auch seinen Lebenslauf: Ein sechswöchiges bloßes Praktikum bei der EU hat Carstens großspurig als „Mitarbeit“ bezeichnet.
Dabei macht es natürlich einen großen Unterschied, ob man ein Praktikum – etwa im Verlauf einer Ausbildung – absolviert hat oder ob man Mitarbeiter einer Firma oder einer Institution gewesen ist.
Nach bestem Gewissen?
Carstens hat inzwischen versucht, sich gegenüber der Bild-Zeitung zu erklären. „Ich habe meine Dissertation nach bestem Wissen verfasst“. Er habe „die erste Presseanfrage zum Anlass genommen, mich an die Universität Innsbruck zu wenden und habe diese über die in Rede stehenden Vorwürfe informiert“.
Carstens sagt, die Universität „hat daraufhin umgehend das für Plagiatsvorwürfe übliche Verfahren eingeleitet und überprüft meine Dissertation“. Dieses laufende Verfahren sei „noch nicht abgeschlossen“.
Weiter behauptet der Staatssekretär der Justiz: „Mitarbeiter des Europäischen Parlaments bei dem Abgeordneten Dr. Georg Jarzembowski war ich im Jahr 2007 für rund sechs Wochen.“ Carstens räumt also ein, nicht „Mitarbeiter“ einer EU-Institution gewesen zu sein, sondern eines Abgeordneten. Jarzembowsky ist – wie Carstens – Mitglied der CDU.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Leonhard Lenz, CC0, via Wikimedia Commons
Montag, 08 August 2022