Neue Studie: 21 Millionen Deutsche sind Antisemiten

Neue Studie: 21 Millionen Deutsche sind Antisemiten


Eine repräsentative Umfrage, die von der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt wurde, zeigt, dass der Anteil von antisemitischen Deutschen nach wie vor besorgniserregend hoch ist.

Neue Studie: 21 Millionen Deutsche sind Antisemiten

Die Arbeitsdefinition Antisemitismus der IHRA, die in den vergangenen Jahren von zahlreichen Staaten und multilateralen Organisationen angenommen wurde, nennt in ihrer erweiterten Fassung Beispiele zur Veranschaulichung dessen, was Antisemitismus ist. Dazu zählt sie auch

»das Ziehen von Vergleichen zwischen der israelischen Politik und jener der Nazis«.

Laut einer repräsentativen Umfrage sind demnach 36 Prozent der rund 60 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland – also etwa 21 Millionen – Antisemiten. Die Zahl stammt aus einer von der Bertelsmann-Stiftung Anfang September veröffentlichten Studie mit dem Titel »Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung«.

Zum dritten Mal nach 2007 und 2013 hat die Bertelsmann-Stiftung erforschen lassen, welches Bild Deutsche und Israelis über die jeweils anderen haben. Befragt wurden 1.271 volljährige und wahlberechtigte Personen in Deutschland und 1.372 in Israel. Durchgeführt wurde die Umfrage schon vor zwölf Monaten (Deutschland 1. bis 10. September 2021, Israel 31. August bis 5. Oktober).

In Deutschland war das Unternehmen pollytix strategic researchmit der Durchführung der Erhebung betraut. Die Daten wurden laut dem Institut gemäß amtlicher Statistik gewichtet, um Repräsentativität zu gewährleisten. Die maximale Fehlertoleranz für die Stichprobe gibt das Institut mit +/– 3,1 Prozentpunkten (Deutschland) bzw. +/– 2,65 Prozentpunkten (Israel) an.

Klassisch antisemitische Stereotype

»Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.«

Dieser Aussage stimmen 36 Prozent der Deutschen zu. Zehn Prozent »voll und ganz«, 26 Prozent »eher«, 15 Prozent »eher nicht«, und bloß jeder Vierte stimmte »überhaupt nicht« zu. Unter Berücksichtigung der Fehlertoleranz zeigt das Ergebnis eine gewisse Kontinuität zu früheren Umfragen. In der Bertelsmann-Studie 2013 hatten 41 Prozent der Aussage »voll und ganz« oder »eher« zugestimmt, 2007 waren es 30 Prozent. Die jetzigen 36 Prozent liegen ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden früheren Werten.

Wenn 36 Prozent der Deutschen Antisemiten sind, ist zu erwarten, dass auch andere antisemitische Aussagen auf ähnlich große Zustimmung treffen. Und so ist es auch. Der Ansicht »Die Juden haben auf der Welt zu großen Einfluss« stimmen 24 Prozent »voll und ganz« oder »eher« zu. Bei dieser Frage gebe es starke Unterschiede zwischen Altersgruppen und Anhängern verschiedener Parteien, sagen die Autoren der Studie:

»So finden 24 Prozent, also gut ein Viertel der deutschen Befragten, dass ›Juden in der Welt zu viel Einfluss‹ haben. Unter den Wählern der AfD sind es sogar 48 Prozent, bei den Volksparteien CDU/CSU und SPD immerhin noch 30 bzw. 20 Prozent. Hingegen stimmen die Wähler von Bündnis 90/Die Grünen (14 Prozent), der FDP (14 Prozent) und der Partei Die Linke (12 Prozent) dieser Frage deutlich weniger häufig zu.

Die größten Unterschiede lassen sich neben der Parteipräferenz in Bezug auf das Alter der Befragten feststellen. 30 Prozent der über 60-Jährigen in Deutschland finden, dass Jüdinnen und Juden zu viel Einfluss auf der Welt haben, unter den 18- bis 29-Jährigen sind es mit 13 Prozent substanziell weniger, die diese Auffassung vertreten.«

21 Prozent der deutschen Wahlberechtigten sagen laut Erhebung, dass »Juden eher als andere Menschen mit Tricks arbeiten, um das zu erreichen, was sie wollen«. 30 Prozent stimmen »eher nicht« zu, und nur 29 Prozent »überhaupt nicht«. Bei einer Umfrage, die dieses Jahr im Auftrag des American Jewish Committee (AJC) Deutschland durchgeführt wurde, kamen andere antisemitische Topoi auf ebenfalls hohe Zustimmungswerte:

  • »Juden nutzen ihren Status als Opfer eines Völkermords im Zweiten Weltkrieg zu ihrem eigenen Vorteil aus« (34 Prozent)
  • »Juden sind reicher als der Durchschnitt der Deutschen« (27 Prozent)
  • »Juden haben zu viel Macht in der Wirtschaft und im Finanzwesen« (23 Prozent)
  • »Juden haben zu viel Macht in der Politik« (18 Prozent)

Selbst schuld

Wer ist schuld am Antisemitismus? Laut Bertelsmann-Umfrage sagen 27 Prozent der Deutschen, dass »die Juden selbst« schuld sind. Gibt man den Befragten die Chance, den Staat Israel als Schuldigen zu bezeichnen, sind es noch mehr: 43 Prozent stimmen der Aussage zu.

»Die israelische Regierung trägt dazu bei, dass es Antisemitismus, also Judenfeindlichkeit, gibt.«

52 Prozent der Deutschen glauben, dass der Antisemitismus in Deutschland in den letzten fünf Jahren zugenommen habe, aber nur eine Minderheit von 41 Prozent hält das für ein »Problem«. Ebenfalls jeder zweite Deutsche (49 Prozent) wünscht sich den berüchtigten »Schlussstrich« und stimmt der Aussage zu:

»Heute, beinahe achtzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, sollten wir nicht mehr so viel über die Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus reden, sondern endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen.«

53 Prozent der Deutschen sind demnach auch der Meinung, der Holocaust solle für die deutsche Politik eine »eher kleine« oder »sehr kleine« Rolle spielen. Dies fanden vor allem Anhänger der AfD (39 Prozent »eher klein«, 42 Prozent »sehr klein«).

Interessant ist die Frage, wie groß der Anteil der Deutschen ist, die schon einmal in Israel waren: Ein Prozent war dreimal oder öfter in Israel, sechs Prozent ein- oder zweimal, 93 Prozent noch nie. Das Bild der Deutschen von Israel besteht folglich zum großen Teil aus Vorurteilen (wie sie ja auch in der Presse gern reproduziert werden). Es dominierten zwei Sichtweisen auf Israel, heißt es in der Studie:

»Im Vordergrund steht die Religion. Vor allem jüdische Begriffe wie Judentum, Jerusalem, Religion, Juden und Glaube sind die häufigsten Assoziationen – ergänzt durch christlich geprägte Bezüge wie Jesus oder Heiliges Land.«

»Auffällig« sei dabei »das kaum vorhandene Bewusstsein der gesellschaftlichen Pluralität sowie der religiösen, ethnischen und kulturellen Vielfalt Israels. Das Land wird in Deutschland vor allem als jüdisch gedeutet.« Die Leute würden staunen, wenn sie hörten, dass es arabische Offiziere in der israelischen Armee gibt und man in großen Teilen Israels – ob in Jerusalem, Galiläa oder Tel Aviv – mehrmals am Tag den islamischen Gebetsruf (Adan) hören kann.

Ressentiment gegen Israel

34 Prozent der befragten Deutschen gaben an, eine „»schlechte oder sehr schlechte« Meinung von Israel zu haben. Das sind fast genauso viele wie diejenigen, die den Staat Israel für den Wiedergänger des Dritten Reichs halten. Wer Israel vorwirft, einen Holocaust an den Palästinensern zu verüben, tut das nicht, weil er meint, dafür Belege zu haben, sondern weil er den schlimmstmöglichen Vorwurf gegen die Juden erheben will. Im Mittelalter war es der Gottesmord, heute ist es der Genozid. Der Vorwurf dient der Begründung des eigenen Hasses und der herbeigewünschten härtesten Bestrafung der Juden.

Während in öffentlichen Debatten in Deutschland gerne so getan wird, als sei jeglicher Antisemitismus ein Ausdruck von »Sorge« um die »Menschenrechte der Palästinenser«, ist es tatsächlich so, dass in Deutschland 36 Prozent oder 21 Millionen Menschen Juden so obsessiv hassen, dass es keine Anklage gegen Israel gibt, die absurd genug wäre, dass sie sie nicht unterschreiben würden – von der Behauptung einer Apartheid über die Legende vom Kindermord bis hin zur Gleichsetzung Israels mit dem NS-Regime.

Bald ist wieder der 9. November, und viele deutsche Schüler werden sich an diesem Tag mit der Reichspogromnacht und dem Nationalsozialismus im Allgemeinen beschäftigen. Findet es jemand unbegreiflich, wie im November 1932 33,1 Prozent der Deutschen für die NSDAP stimmen konnten? Tatsache ist, dass ein ebenso großer Prozentsatz der heutigen Deutschen nicht weniger empfänglich für antisemitische Parolen ist.


Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht.

Autor: Mena-Watch
Bild Quelle: Archiv


Donnerstag, 03 November 2022

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