Scholz in Buenos Aires: deutsche Slapstick-Diplomatie

Scholz in Buenos Aires: deutsche Slapstick-Diplomatie


Wie wir eine Woche nach Scholtzens Betteltour durch Südamerika (Energie, Lebensmittel, Rohstoffe) erfahren, ging es beim Gipfeltreffen in Argentinien wie in einem Loriot-Sketch zu: Das Bild hängt schief.

Scholz in Buenos Aires: deutsche Slapstick-Diplomatie

Von Ramiro Fulano

Aber so ist das, wenn man sich mitten in der Urlaubssaison zu einem Überraschubgsbesuch selbst einlädt: Ricardo Roa vom Clarin, der auflagenstärksten Tageszeitung der spanischsprachigen Welt, und vor Ort offensichtlich bestens vernetzt, berichtete bereits am Mittwoch in allen luxuriösen Details von der tragikomischen Verkettung unglücklicher Umstände, die den glücklosen Kanzler auf seine Reise an den Río de la Plata begleiteten.

Wenn der nun folgende bilaterale Slapstick auf Sie, meine Damen und Herren, etwas hemdsärmlig und dilettantisch vorbereitet wirkt, dann denken Sie bitte daran: Hier waren auch Ihre Steuergroschen am Werk. Und damit zu Ricardo Roa:

Scholz kam am Samstagnachmittag an und von Ezeiza ging es direkt ins argentinische Außenministerium. Binationaler Begegnungswettbewerb. Vieles davon ist Diplomatie, vieles ist Geschäft. Aber zu den Stolpersteinen: Kein geringerer als Massa, der Wirtschaftsminister, abwesend wegen Familienangelegenheiten, ohne weitere Erklärung. Der Stift für die Regelwerke in den Händen von Außenminister Cafiero. Es hieß, dass Matías Tombolini, Handelsminister, an der Begegnung teilnehmen würde, aber er konnte entweder nicht oder kam zu spät. Ist ja auch nicht wichtig. Aber die anschließende, unvergessliche Party im Peter Sellers-Stil schon. 

Geschäftsleute von deutscher Seite in der Delegation: nur um eine Idee zu geben, von Volkswagen bis Bayer. Auf argentinischer Seite die üblichen Verdächtigen. Überwältigende Hitze, aber mit Warteschlangen auf der Straße: Die Gäste sind nicht angemeldet. Niemand weiß, wer rein darf und wer nicht. Die Außentemperatur: knapp 30 Grad. Wie warm es drinnen ist, möchte man lieber nicht wissen. Und dann hält die große Abwesenheit Einzug: Für den langen U-förmigen Tisch im Salon Libertador läuft keine Klimaanlage. Jemand schlägt vor, die Fenster zu öffnen. Okay. Parallel dazu unterhalten sich Fernández und Scholz alleine in einem anderen Raum. Am Tisch: Beamte mit Kopfhörern für die Übersetzungen. Niemand weiß, ob angesichts der Sachkunde des Außenministeriums nicht sogar Übersetzer vom Spanischen ins Spanische bestellt waren. Und da Tombolini nicht eintrifft und irgendjemand doch etwas sagen muss, wird die Rede Todesca, der Sekretärin für internationale Wirtschaftsbeziehungen, überlassen. Sie entschuldigt sich, weil sie improvisieren und sich auf sich selbst verlassen muss: Mit der Brille, die ich aufhabe, kann ich nicht sehr gut lesen. Finanzminister Rubinstein übernimmt die Zügel. Die ausgelieferten Deutschen schauen verständnislos zu.

Bei geöffneten Fenstern entsteht ein schöner Luftzug. Erleichterung. Doch plötzlich nimmt die Strömung zu. Die Logowand hinter dem Kopf des Tisches kommt ins Wanken und fällt auf die Flaggen. Die Flaggen fallen um. Und sie fallen auf Rubinstein und Franziska Brantner, die Sekretärin des Wirtschaftsministeriums, die mit Scholz eingetroffen ist. Rubinstein blutet der Kopf. Die zweite große Abwesenheit: Es gibt keinen Arzt. Liegt es daran, dass es Samstag ist und Januar (der argentinische Urlaubsmonat)? Es gibt keine andere Möglichkeit, als den Krankenwagen anzurufen. Zum Glück kommen die Verletzten mit dem Schrecken davon. Nach der Landung von Masten und Flaggen auf seinem Kopf, mit ein paar Stichen und bandagiert, erinnert sich Rubinstein daran, dass unser Land ein gefährliches Land ist und es für Ereignisse wie diese zweckmäßig ist, einen Helm zu tragen. Sind Sie sicher, dass wir noch mehr davon brauchen? Besser, wir bleiben bei der Küstenschifffahrt.

Soweit Ricardo Roa. Selbstverständlich ist von einem zwischen Tür und Angel improvisierten Staatsbesuch nichts anderes als diplomatischer Slapstick zu erwarten. Aber die deutsche Gesandtschaft in der Calle Olleros stand offenbar derart unter Druck aus Bullerbü, der deutschen Welthauptstadt, dass sie alle handelsüblichen Vorsichtsregeln ignorierte. Aus dem Auswärtigen Amt wollte Rot-Grün einem nach einem Jahr Ukraine-Krieg hungernden und frierenden Staatsvolk schnelle Fortschritte an der Energie- und Fleischfront mitteilen. Und so wurde Scholztens Betteltour eben in großer Eile übers Knie gebrochen. Viel mehr als lauwarme Lippenbekentnisse waren von der mit größter Wahrscheinlichkeit in diesem Jahr aus dem Amt scheidenden peronistischen Regierung ohnehin nicht zu erwarten.

So heißt es nun also für das AA: in Eile geplant, in Ruhe bereut.


Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons


Montag, 06 Februar 2023

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