Woke Antisemiten lassen die Sau raus

Woke Antisemiten lassen die Sau raus


Jetzt ist es raus: „Israelkritiker“ verbrämen ihr Ressentiment nicht mehr als „Antizionismus“ oder kritisieren die „Siedlungspolitik“. Über diese Phase ist man hinweggestiegen wie die Hamas über die Leichen ihrer Opfer und bekennt heute ganz offen, was man mit Israel und seinen Einwohnern wirklich vorhat.

Woke Antisemiten lassen die Sau raus

Von Roger Letsch

Der Optimist lernt Chinesisch,
der Pessimist lernt Arabisch,
der Realist lernt Schießen.

Die alten Reflexe sind zurück. Die Medien ersetzen ihre stumme Fassungslosigkeit durch lautes Geplapper. Mit Siebenmeilenstiefeln rennen Politiker und Kommentatoren zurück durch die Geschichte – wobei sie weite Strecken mit geschlossenen Augen zurücklegen – um schnell noch ein paar Tröpfchen Rechtfertigungsöl über das Gemetzel zu gießen, welches die Hamas am 7. Oktober in Israel angerichtet hat. Es werden alte Karten bemüht, die Balfour-Deklaration von 1917 von allen Seiten beleuchtet, und der UN-Generalsekretär Guterres sprach davon, das Massaker habe „nicht im luftleeren Raum“ stattgefunden. Ach was! Auch der ehemalige Vertreter Deutschlands bei der UN, Christoph Heusgen, war im ZDF offenbar der Meinung, Israel trage zumindest eine Mitschuld am Tod von 1.400 seiner Bürger und solle nun besser zur Diplomatie zurückkehren und seinen Zorn herunterschlucken. Genau an solche wohlfeilen Vorschläge vom Spielfeldrand dachte ich übrigens, als ich diese kleine Satire verfasste.

Wenn es um Israel und Palästina geht, ist gerade die häufigste Aussage, dass die Ursachen und der Konflikt generell „kompliziert“ seien. Doch das ist eine Binse, die für jeden Konflikt gilt. Es ist auch völlig unklar, was es zur aktuellen Debatte beitragen kann, wenn Taten oder Unterlassungen der Römer, Osmanen, Briten und Franzosen, Sykes-Picot, Balfour, Camp-David oder Oslo wechselseitig als Erklärung oder Rechtfertigung herangezogen werden. Man kann die Sache natürlich von vielen Seiten betrachten, und an Experten herrscht bekanntlich nie Mangel.

Denkt man praktisch und vom Ende her, geht auch dies: Israels Nachbarstaaten haben in unterschiedlichen Zusammensetzungen drei Kriege vom Zaun gebrochen und alle drei verloren. Das Ergebnis sehen wir heute auf den Karten, so wie wir viele von der einen Seite verlorenen und von der anderen Seite gewonnenen Kriege auf Karten sehen. Man muss das nicht mögen, sollte es aber zumindest zur Kenntnis nehmen. Das Elsass gehört heute zu Frankreich, Königsberg zu Russland, El Paso zu Texas, die Mandschurei nicht mehr zu Japan, Istanbul nicht zum Oströmischen Reich und Boston nicht mehr zum Britischen. Auch ob sich Tibet jemals von China wird lösen können, ist mehr als fraglich. Südtirol ist besetzt, die Westsahara ist besetzt, und nicht nur die Palästinenser sollten längst staatliche Souveränität haben, sondern auch die Kurden, denen man dieses übrigens zur selben Zeit ebenso fest in die Hand versprochen hatte wie den Juden und Arabern im britischen Mandatsgebiet Palästina.

„Den Juden auf die Finger gucken“

Doch ich will das Fass gegenseitiger Rechtfertigungen gar nicht wieder aufmachen, weil an dessen Boden immer wieder dieselbe Frage lauert: die Legitimität Israels. Sicher will niemand den Status quo ante, also das britische Imperium oder das osmanische Reich zurück. Und doch entrollt sich die Geschichte in den Augen der „Israelkritiker“ stets als Abfolge von Fehlern, die zu dessen Gründung geführt haben, dessen Werden und Wachsen und die Beziehungen zu den Nachbarn angeblich bestimmen. Bis vor kurzem ließ man solche Denkgebäude gern unvollendet, zuckte auf Frage nach den Konsequenzen und dem „Was tun?“ mit den Schultern oder zog den „Es-ist-kompliziert-Joker“, um nicht auszusprechen, was man wirklich dachte. Dass nämlich die ganze Existenz Israels ein einziger Fehler sei.

Den sich nun entfaltenden „Fehlerdebatten“ hier im Westen wohnen eine Mordlust und ein Nihilismus inne, dass es einem die Sprache verschlägt. Nicht dass sich die flaggenschwingenden kreischenden Studenten und andere Sympathisanten der Hamas selbst die Fingerchen schmutzig machen würden! Durchpazifiziert bis zu CO2-Schuld und Veganismus ist man dazu gar nicht in der Lage! Auch reicht der Intellekt nicht aus, zu erkennen, dass die Kampfparolen der Hamas, die man in Berlin, Hamburg oder New York ruft, kulturell auf die Rap-affine Jugend des Westens so maßgeschneidert sind wie die Lieder, welche hilfreiche westliche NGOs den Beduinen in Israels Wüstengebieten beibringen.

Die Hamas-Terroristen haben andere Losungen, wenn sie „unter sich“ feiern. Wie viele Bewohner von Gaza benutzen wohl den Spruch „From The River To The Sea – Palestine Will Be Free“, brüllen also Verse nicht in Arabisch, sondern in Englisch? Und doch handelt es sich hierbei strenggenommen um moralische Rückzugsgefechte, wenn man sie mit der Argumentation früherer Dekaden vergleicht, als man offiziell noch an die Zweistaatenlösung glaubte und von Israel einerseits und den „von Israel besetzten Gebieten“ andererseits (Krieg ist Mist und hat Konsequenzen für den Verlierer, siehe oben) die Rede war. Man war ja kein Gegner Israels! Man wollte nur ein paar mehr judenreine Gebiete schaffen. Man war ja kein Antisemit! Man war nur gegen den Zionismus. So der Tenor in den weit über 400 mit Dollar und Euro gefütterten NGOs, die in Israel ihre Aufgabe darin sehen „den Juden auf die Finger zu gucken“.

Pro-Hamas-Demos, nicht Pro-Palästina-Demos

Die Hamas drang jedoch nicht in „umstrittenes Gebiet“ vor, sondern griff das Kernland an, das seit der Gründung im Jahr 1948 zu Israel gehörte. Die Hamas griff auch keine Parteizentrale des Likud oder sogenannte „militante Siedler“ an, sondern massakrierte die mehrheitlich sehr weit links stehenden Kibbuznikim mit ihren alternativen Lebensentwürfen und somit die Mitglieder jener Organisationen, die sich für gute Nachbarschaft mit den Bewohnern des Gazastreifens und für Erleichterungen im Grenzverkehr einsetzen.

Die Opfer waren eben keine Siedler, Zionisten oder gar religiöse Fanatiker, sondern größtenteils säkulare, linke Aktivisten, deren Lebenswelt sonst von Konservativen eher belächelt wird mit ihrem Heile-Welt-Glauben, ihrem Pazifismus und ihren Regenbogenfahnen. Man fühlte sich sicher, weil man nie als das in Erscheinung getreten war, was die Islamisten und deren europäische Aktivisten jedem Israeli und jedem Juden in toto vorwerfen. Doch nicht, was sie sagten und taten, entschied in den Augen der Hamas über Leben und Tod, sondern was sie sind: Juden. Der Schock, unter dem im Moment gerade linke, pazifistische israelische Milieus stehen, das ernüchternde Gefühl, dass alle Zugeständnisse, alles „die andere Wange hinhalten“ und nicht zurückschießen wollen, nichts bewirkt hat, sitzt tief.

Auch die feine Trennlinie zwischen Antizionismus, Israelkritik und Antisemitismus, auf der die Kritiker hierzulande vehement bestehen, ist weggewischt. Ebenso wie die edle Gesinnung, den Palästinensern eine staatliche Heimat zu verschaffen, sich von offener Terrorunterstützung nicht einmal mehr oberflächlich unterscheidet. Es sind Pro-Hamas-Demos, die stattfinden, nicht Pro-Palästina-Demos. Die Sprechchöre und Plakate verbrämen ihr Ressentiment auch nicht mehr als „Antizionismus“ oder kritisieren die „Siedlungspolitik“. Über diese Phase ist man hinweggestiegen wie die Hamas über die Leichen ihrer Opfer und bekennt heute ganz offen, was man mit Israel und seinen Einwohnern wirklich vorhat. Ganz gleich, innerhalb welcher Grenzen sich dieses Land definieren oder konstituieren mag.

Der Riss im Intersektionalismus

Wesentlich für den aus den Universitäten über das Land schwappenden linken Progressismus und woken Zeitgeist ist die Einteilung der Welt in Opfer- und Tätergruppen. Für die neue rassistische Heilslehre CRT (Critical Race Theory) und die wesensverwandte Klimaideologie ist es in erster Linie der „weiße Mann“, der als Quelle von Kolonialverbrechen, Rassismus und Kapitalismus und CO2 die Schuld der Welt trägt, während eine genderqueere schwarze Frau mit Dyskalkulie gleich durch mehrere Gruppenzugehörigkeiten „empowert“ werden muss und stets Opfer von Unterdrückung ist. Ein weißer Amerikaner, der im orangefarbenen Overall, gefesselt und mit verbundenen Augen, vor seinem IS-Henker kniet, der ihm gleich den Kopf abschlagen wird, ist nach der Theorie des Intersektionalismus immer noch Täter und sein islamistischer Henker das Opfer.

Die Zugehörigkeit zu verschiedenen Opfergruppen hat gerade in den USA in großer Zahl ideologisch stark verstrahlte Leute in Machtpositionen gebracht, sei es in der Politik, der Justiz, der Verwaltung, den Universitäten oder in der Wirtschaft. Viele der amerikanischen Juden von der Ostküste, deren Unterstützung traditionell stark in Richtung der Demokraten tendiert, glaubten, bei diesem leicht irren Opfer-Bingo irgendwie mitgemeint zu sein. Man hatte ja aufgrund der geringen Zahl und der historisch weit zurückreichenden Verfolgung und Unterdrückung auch einigen Anlass, das zu glauben. Man machte all die Volten der „Liberals“ mit, und jüdische NGOs wie die Anti-Defamation League (ADL) waren laut und effektiv an der Jagd nach dem schuldigen weißen Mann beteiligt. Man unterstützte Black Lives Matter, bekämpfte Mikroaggressionen mit Pronomen, hisste die Regenbogenflagge und schluckte die antisemitischen Sprüche herunter, die als Israelkritik und Antizionismus daherkamen. Doch nach dem 7.10.2023 stellte man völlig überrascht fest, dass unter der oberflächlichen Solidarität das altbekannte Monster namens Antisemitismus lauerte.

Dieselben Leute, mit denen man sich im Gleichklang wähnte, bekundeten nun offen ihre Sympathie mit den Schlächtern der Hamas, sprachen von „inspirierenden Bildern“ und „gerechtem Widerstand“ und gaben ihnen, den Juden, die Schuld an den Ereignissen in Gaza und Israel. Wohlgemerkt: auch Juden, die nicht in Israel, sondern in New York, Boston oder New Haven leben! Die alte Gleichsetzung und Inhaftungnahme eines zusammenphantasierten Kollektivs sowie die Verdrehung von Ursache und Wirkung waren wieder da, und die amerikanischen Juden stellten fest, dass die meisten ihrer „Freunde“ sie am liebsten umbringen würden. Sie hatte ihnen die Kritik am Zionismus und Israel als kleine Grille durchgehen lassen und so manche Kritik an israelischer Politik sogar geteilt. Doch all das erwies sich auf einen Schlag als das Appeasement, was es immer war.

Keine Äquidistanz, sondern offen auf der Seite des Terrors

Und so kam es, dass sich jüdische (nicht israelische) Studenten am Cooper Union College in New York im Jahr 2023 in einer Bibliothek verbarrikadieren mussten, weil vor der Tür ein „Free, free, Palestine“ skandierender Mob mit Stöcken gegen die Tür hämmerte. Auch die ADL selbst muss einige dieser Momente eiskalter Bewusstwerdung erlebt haben. Etwa mit Yazmeen Deyhimi, die man im Jahr 2019 mit folgenden Worten zum Sommerpraktikum begrüßte:

 „Schon bald trat sie dem Komitee „No Place for Hate“ (Kein Platz für Hass) bei und engagierte sich bei der Organisation von Veranstaltungen wie den Unity und Equality Days.[…] Mit großer Leidenschaft kämpft sie gegen rassistische Diskriminierung und setzt sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Sie fühlt sich geehrt und freut sich darauf, diese Werte als Sommerpraktikantin in der Bildungsabteilung der ADL einzubringen.“

Diese große „Leidenschaft“ und die gemeinsamen „Werte“ mündete darin, dass Deyhimi – nun Studentin an der NYCU – nach den Massakern in Israel die überall in New York klebenden Bilder der von der Hamas entführten Menschen von den Wänden riss. Die ADL hat den Blog aus 2019, in welchem man eine antisemitisch verstrahlte Schülerin bei einer dediziert den Antisemitismus bekämpfenden Organisation begrüßte, kommentarlos gelöscht. Im Webarchiv ist er zu finden.

Die Antwort auf die massenhafte und offene Unterstützung von Terroristen erschreckt die BLM-Sektierer und Hamas-Freunde zutiefst. Man konnte es irgendwie gar nicht fassen, dass die Öffentlichkeit ihre Volten plötzlich nicht mehr goutierte. Man schrie „Zensur!“ als große Anwaltskanzleien an der Ostküste verkündeten, keine Bewerbungen von Ivy-League-Studenten mehr anzunehmen, welche Pro-Hamas-Aufrufe wie den der Harvard-Studenten unterzeichnen. Vermögende Spender entziehen den Elite-Unis gerade reihenweise die finanzielle Unterstützung. Es ist, als sei ein Schleier weggerissen von den vermeintlich progressiven Bewegungen der Neuzeit, die sich bis in den Ideenkern hinein als inhuman, sektiererisch und in letzter Konsequenz auch als antisemitisch zu erkennen geben.

Den Unterstützern Israels wird dieser Tage gern vorgeworfen, sich auf eine Seite zu schlagen, obwohl der richtige Platz für den Beobachter doch die Mitte und abseits des Schlachtfeldes sei und man „beide Seiten“ sehen und verstehen müsse. Die Intersektionalisten, welche heute im Westen fast alle politischen Diskurse bestimmen, halten sich jedoch nicht mit Äquidistanz auf. So auch Gretas Fridays for Future auf dem Instagram-Account der Organisation, wo man sich offen auf die Seite der Hamas geschlagen hat:

„Es gibt keine zwei Seiten. Der eine ist der Unterdrücker, der andere der Unterdrückte“.

Die Körper der am 7. Oktober von der Hamas Ermordeten sind kaum kalt, da ist die Welt schon wieder zur Tagesordnung übergegangen. Blättert und zappt man sich durch die Presselandschaft, scheint es überhaupt nur zwei ernste Probleme zu geben: CO2 und die Juden. Es ist wohl den unklaren Resten einer humanistischen Erziehung zu verdanken, dass die deutsche Sektion von F4F die Erklärung ihrer Zentrale nicht mitträgt. Noch nicht. Denn ob das Bodenpersonal aus schuldweißen Malte-Sören-Biokartoffeln angesichts der demografischen Entwicklung und den selbstgegebenen Regeln der „Diversität“ noch lange tonangebend sein wird, ist fraglich.

 

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog unbesorgt.de.

 


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot


Sonntag, 29 Oktober 2023

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