ZDF-Podcast: Ein Kommentar wie aus Irans Staatsfernsehen

ZDF-Podcast: Ein Kommentar wie aus Irans Staatsfernsehen


Verfolgt man die deutschen Medien, könnte man den Eindruck gewinnen, das iranische Regime wäre ein unschuldiges Opfer, das nichts anderes will, als in Frieden gelassen zu werden.

ZDF-Podcast: Ein Kommentar wie aus Irans Staatsfernsehen

Von Stefan Frank

„Eine einzige Atombombe“, die innerhalb Israels detoniere, werde „alles zerstören“, während der Schaden eines potenziellen nuklearen Gegenschlags für die islamische Welt begrenzbar sei, sagte der damalige iranische Präsident Ali Akbar Rafsandjani im Jahr 2001 in einer Rede auf dem Al-Quds-Tag - jenem 1979 von Ayatollah Ruhollah Khomeini ausgerufenen Tag des Hasses, an dem mit Parolen, Transparenten, Reden und kriegerischen Gesängen die herbeigesehnte Zerstörung Israels gefeiert wird.

Regelmäßig erinnern Irans Diktator Ali Khamenei und Vertreter seines Regimes daran, dass die Vernichtung des Judenstaates für sie eine beschlossene Sache ist; eine unvermeidliche Tatsache, die sich von anderen nur dadurch unterscheide, dass sie noch in der Zukunft liege. Im Jahr 2040 soll es passieren, sagt Khamenei. Eine Uhr in Teheran zählt die Stunden rückwärts. „Die islamische Welt wird sicherlich Zeuge der Zerstörung des zionistischen Krebsgeschwürs werden“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur IRNA Khamenei im Februar. Eine Aussage, die er seit vielen Jahren regelmäßig tätigt.

Das iranische Terrorregime ist seit seiner Gründung im Jahr 1979 in der Offensive; über seine Handlanger hat es den Irak, Syrien, den Libanon und den Jemen zu seiner Machtsphäre gemacht, von wo aus es Krieg gegen Israel führt. Insgesamt unterstützt das Regime derzeit mehr als zwanzig Gruppen im Nahen Osten direkt oder indirekt mit einer Kombination aus Waffenlieferungen, Ausbildung und finanzieller Hilfe, darunter die Hamas, die Hisbollah, die Huthi und irakisch-schiitische Milizen wie Kata’ib Hezbollah mit Zehntausenden von schwer bewaffneten Kämpfern.

Das islamische Regime ist ein Aggressor, dessen langer Arm hinter zahlreichen Terroranschlägen in aller Welt steckt wie etwa den Bombenanschlägen in Buenos Aires auf die israelische Botschaft 1992 und das jüdische Zentrum AMIA. 114 Menschen wurden getötet, Hunderte verletzt. Ein Gericht in Argentinien bestätigte diesen Monat das iranische Regime als Verursacher und sprach von einem Verbrechen gegen die Menschheit.

Am meisten aber leidet die Bevölkerung unter der Islamischen Republik. In deren Gefängnissen werden Frauen, Mädchen und Jungen vergewaltigt und willkürlich Menschen hingerichtet - offiziell waren es 853 im vergangenen Jahr. Die Hinrichtungen „dienen einem politischen Zweck“, sagt Shahin Milani, Geschäftsführer des Iran Human Rights Documentation Centers. „Erstens, um die Bevölkerung in Schrecken zu versetzen und ihr im Grunde genommen Angst zu machen, und dann auch, um Unterstützung für die eigenen Anhänger des Regimes zu zeigen.“

Täter-Opfer-Umkehr im ZDF

Verfolgt man die öffentlich-rechtlichen deutschen Medien, könnte man den Eindruck gewinnen, das Ayatollah-Regime wäre ein unschuldiges Opfer, das nichts anderes will, als in Frieden gelassen zu werden. Dies legt ein Podcast auf der Website des ZDF nahe. In dem 3:19 Minuten langen Film von Kamran Safiaran wird zunächst sachlich über die militärischen Fähigkeiten des Irans und sein Atomwaffenprogramm berichtet. In den letzten vierzig Sekunden aber wechseln der Sprecher und ein interviewter Experte namens Severin Pleyer, der als „Konfliktanalyst Denkfabrik GIDS“ vorgestellt wird, ins Psychologisieren. Damit geht einher, dass das islamische Regime vom Aggressor zum Opfer wird, dessen vermeintliche Ängste dem Zuschauer rationalisiert werden. Es bedroht nicht andere, sondern wird bedroht, wird hier behauptet.

Eine Stimme aus dem Off spricht über einen möglichen „großflächigen Angriff“ Israels auf den Iran, „auf ein Land, das seine Sicherheitsinteressen geltend“ mache (ab 2:40). „Iran fühlt sich von Feinden an seinen Grenzen bedroht“, heißt es. Mit „Iran“ ist das Regime gemeint. Zu sehen ist eine Landkarte des Nahen Ostens. Sie zeigt keine der vom Ajatollah-Regime gesteuerten Terrorgruppen, sondern lauter US-Flaggen auf der Arabischen Halbinsel, im Irak und in der Türkei. Eine angebliche amerikanische Bedrohung. Die gleiche Landkarte könnte auch im iranischen Staatsfernsehen präsentiert werden.

Der Sprecher fragt: „Wird Teheran den Konflikt mit Israel nuklear eskalieren lassen?“ Experte Severin Pleyer wiegelt ab: „Nein, der Iran wird den Konflikt nicht nuklear eskalieren lassen, außer, eine Eskalationsdynamik führt dazu.“ Es gibt keine Eskalation, es sei denn, es gibt sie. An der wäre dann laut herrschender „Gewaltspiralen“-Logik wahrscheinlich Israel schuld - oder die USA. Pleyer weiter: „Die Nuklearwaffen dienen sozusagen als Schirm, einen direkten Angriff auf den Iran zu verhindern.“

Ein Schirm ist ein nützlicher Gegenstand, der einen davor schützt, bei Regen nass zu werden. Im Sommer spendet ein Schirm kühlenden Schatten. So kann man Atombomben in den Händen eines theokratischen Todeskults verharmlosen. Der Sprecher aus dem Off beruhigt: „Teheran will also primär sein Überleben sichern.“ Aha. In einem ZDF-Bericht wird dem islamischen Terrorregime im Iran attestiert, einen „Schirm“ aus Atombomben nur deshalb aufspannen zu wollen, weil es „primär sein Überleben sichern“ wolle. Das ist nachvollziehbar, oder etwa nicht? Sympathisieren wir nicht mit allen Menschen, die um ihr Überleben kämpfen oder harte Prüfungen und schweres Leid überlebt haben?

Iran als Opfer

Dass das ZDF behauptet, „Teheran“ wolle „primär sein Überleben sichern“, während jeden Tag Menschen durch eben dieses Regime grausam zu Tode kommen, ist zynisch. Am Ende heißt es in dem ZDF-Podcast: „Doch beide Seiten bleiben unberechenbar, in Nahost liegt derzeit jede Option auf dem Tisch.“ „Beide Seiten“, damit sind das iranische Regime und Israel gemeint. Beide sind angeblich unberechenbar, einer wie der andere. Der Unterschied zwischen einer demokratischen Regierung, die ihr Land gegen Terrorangriffe verteidigt, und einer die ganze Welt bedrohenden Diktatur, die Zivilisten zu Tode foltert, den „Märtyrertod“ verherrlicht und ein ganzes Land auslöschen will, wird ganz bewusst verwischt.

„Es scheint, dass der Podcast eine Perspektive präsentiert, die den Iran als Opfer darstellt, das sich nur verteidigt, während die USA und Israel als Aggressoren dargestellt werden“, analysierte Nasrin Amirsedghi, seit 44 Jahren im Exil lebende Iranerin und Sprachdozentin, gegenüber Mena-Watch. „Die komplexen geopolitischen Realitäten werden vereinfacht und mögliche iranische Aggressionen oder Unterstützung für terroristische Gruppen ignoriert.“

Zudem werfe die Aussage des Konfliktanalysten, der Iran werde den Konflikt nicht nuklear eskalieren lassen, es sei denn, eine Eskalationsdynamik führe dazu, Fragen auf, so Amirsedghi. „Es scheint impliziert zu sein, dass der Iran nur reagieren würde, anstatt selbst aktiv nukleare Eskalationen anzustreben.“ Dies ignoriere die Tatsache, dass der Iran bereits für sein Atomprogramm und seine aggressive Rhetorik bekannt sei: „Es sollte uns allen klar sein: Solange die Mullahs an der Macht sind, werden wir keinen Frieden im Nahen Osten erleben.“ - Ein Satz, den man im ZDF wohl niemals hören wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

 

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).

 


Autor: MENA Watch
Bild Quelle: o: René Kirchhoff / Wikimedia CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons und Madden Gemeinfrei via Wikimedia Commons (Montage Achgut)


Freitag, 17 Mai 2024

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