Lufthansa wegen Diskriminierung jüdischer Passagiere verurteilt Lufthansa wegen Diskriminierung jüdischer Passagiere verurteilt
Wegen Diskriminierung von 128 orthodoxen jüdischen Passagieren im Jahr 2022 wurde ein Bußgeld in Höhe von vier Millionen Dollar über die deutsche Lufthansa verhängt.
Von Stefan Frank
Wegen Diskriminierung von 128 orthodoxen jüdischen Passagieren im Jahr 2022 hat die US-Behörde zum Schutz der Verbraucherrechte von Fluggästen (Aviation Consumer Protection, OACP) ein Bußgeld in Höhe von vier Millionen Dollar über die deutsche Lufthansa verhängt.
Wie Mena-Watch berichtete, hatte die Lufthansa auf dem Flughafen Frankfurt am Main die aus New York kommenden jüdisch-orthodoxen Passagiere mit der Begründung, einige hätten sich auf dem Flug geweigert, eine medizinische Maske zu tragen, vom Anschlussflug nach Budapest ausgeschlossen. Die Frankfurter Allgemeine zitierte einen der Reisenden mit den Worten, es seien alle, die durch Hut und Schläfenlocken als Juden zu erkennen waren und nicht explizit jene, die sich falsch verhalten hätten, von der Beförderung ausgeschlossen worden.
Auch habe es sich nicht um eine geschlossene Reisegruppe gehandelt, heißt es in der Entscheidung der OACP, die im Zuge ihrer Ermittlungen die betroffenen Fluggäste und die Verantwortlichen der Lufthansa befragt hat; die jüdischen Reisenden kannten einander meist nicht und hatten lediglich ein gemeinsames Ziel: Sie waren auf einer jährlichen Pilgerreise, um das Grab von Rabbi Yeshayah Steiner zu besuchen, einem als wundertätig geltenden Rabbiner, der 1925 starb und in einem Dorf im Nordosten Ungarns begraben liegt.
Obwohl die Passagiere ein gemeinsames Ziel hatten, nicht und hatten ihre Flüge nicht als eine einzige Gruppe gebucht.
Die Passagiere erwarben ihre Tickets einzeln oder in kleinen Gruppen; einige buchten auf der Website der Lufthansa, viele über zwei Reisebüros, die auf die Organisation von Reisen dieser Art spezialisiert sind. Diese kaufen laut OACP in der Regel im Voraus ein Sitzplatzkontingent von Lufthansa und teilen dieser dann die Namen der Passagiere mit. Die große Mehrheit der 128 Passagiere waren Männer, von denen die meisten die typische Kleidung ultraorthodoxer jüdischer Männer trugen: schwarze Hüte, schwarze Jacken, weiße Hemden, schwarze Hosen und schwarze Abendschuhe.
Die von der Verbraucherschutzbehörde befragten Passagiere identifizierten sich als Juden. Einige berichteten, dass Flugbegleiter der Lufthansa sie über das verpflichtende Tragen einer FFP2-Maske und das Versammlungsverbot in Gängen, Bordküchen und vor Notausgängen während des Flugs informiert hätten. Die Passagiere gaben auch an, keine Passagiere beobachtet zu haben, die sich diesen Anweisungen widersetzt hätten.
Pilot ordnete Warnvermerk an
Obwohl die Besatzungsmitglieder an Bord keine bestimmten Passagiere identifizierten, die ihren Anweisungen nicht Folge geleistet hätten, machte der Pilot einen Security Duty Manager(SDM) der Lufthansa auf das angebliche Fehlverhalten von Passagieren aufmerksam und teilte diesem mit, dass die Passagiere einen Anschlussflug nach Budapest gebucht hätten, da einer oder mehrere der jüdischen Passagiere einen Flugbegleiter über ihr Ziel informiert hatte.
Daraufhin platzierte der SDM einen High Priority Comment (HPC) auf die Reisepläne aller Passagiere, mit denen der SDM sie als Umsteiger auf Flug 1334 nach Budapest identifizierte und die angeblich als Gruppe gebucht und eingecheckt hätten. Die OACP schreibt: »Dies führte dazu, dass die Reisepläne von 123 Passagieren mit einem HPC gekennzeichnet wurden [sieben weiteren wurde zusätzlich das Boarding untersagt]. Jeder der Passagiere mit einem HPC war jüdisch.«
Der HPC, ein Merkmal des internen Buchungssystems von Lufthansa, verhindert, dass ein Passagier einen Flug antritt, bis ein Gate-Agent das Lesen des Kommentars bestätigt. Der HPC, der für die Umsteiger von LH 401 nach LH 1334 galt, wies den Gate-Agenten in Frankfurt an, den Flugmanager wegen einer Gruppe von Passagieren zu kontaktieren.
Die Ermittlung der OACP ergab, dass das Bodenpersonal von Lufthansa, das LH 1334 nach Budapest abfertigte, auf den HPC-Vermerk aufmerksam wurde und den Pilot alarmierte. Dieser rief die Sicherheitsabteilung an, die ihm mitteilte, dass eine »Gruppe« auf LH 401 erhebliche Probleme an Bord verursacht habe, indem sie den Anweisungen der Besatzung nicht nachgekommen sei. Die Sicherheitsabteilung machte keine Angaben zu den einzelnen Personen oder Sitznummern.
Die Lufthansa wusste laut OACP, dass die Weigerung der Fluggesellschaft, die gesamte Gruppe zu befördern, auch einen pauschalen Ausschluss von Passagieren bedeuten konnte, die sich friedlich verhalten und die geltenden Regeln eingehalten hatten. Sie sei sich darüber im Klaren gewesen, dass die Besatzung von Flug LH 1334 nach Budapest keine persönlichen Kenntnisse über die Situation hatte und kam zu diesem Zeitpunkt zu dem Schluss, dass es nicht praktikabel sei, jeden Passagier einzeln anzusprechen. Infolgedessen untersagte die Fluggesellschaft allen 128 Passagieren den Weiterflug nach Budapest.
Am Frankfurter Flughafen führte das Lufthansa-Personal für den Flug LH 1334 kein herkömmliches Boarding-Verfahren durch. Stattdessen traf das Integrated Operations Control Center (IOCC), eine Gruppe von Bodenpersonal der Lufthansa, das am Frankfurter Flughafen stationiert ist, die Entscheidung, nur jene Passagiere an Bord zu lassen, deren Reiseplan im elektronischen Reservierungssystem keinen HPC-Vermerk enthielt.
Keiner der IOCC-Mitarbeiter hatte Kontakt zu den Passagieren von LH 401 oder LH 1334, da ihre Entscheidung ausschließlich auf Informationen des SDM basierte, der ebenfalls keinen Kontakt zu den Passagieren hatte, sowie auf den HPC-Angaben im Reservierungssystem, heißt es im Beschluss der OACP. Dementsprechend sei ein alternatives Boarding-Verfahren vom Gate-Personal umgesetzt worden: Alle Passagiere ohne HPC-Vermerk wurden namentlich zum Gate gerufen. »Die übrigen Passagiere warteten verwirrt und verärgert im Gate-Bereich.«
LH 1334 flog dann ohne sie ab. Die Lufthansa buchte die meisten Passagiere, denen die Beförderung auf diesem Flug verweigert worden war, am selben Tag auf andere Flüge der Lufthansa Group um; einige Passagiere reisten auf eigene Faust mit anderen Fluggesellschaften nach Budapest oder in umliegende Städte.
Die meisten Passagiere, die von OACP befragt wurden, gaben an, dass Lufthansa sie alle behandelt hatten, »als wären sie eine einzige Gruppe und sie verweigerte allen den Zutritt zu LH1334 nach Budapest wegen des offensichtlichen Fehlverhaltens einiger weniger, weil sie offen und sichtbar Juden waren«. Unverständlich und ärgerlich ist, dass auch die ARD-Website tagesschau.de in ihrem aktuellen Bericht über das Bußgeld gegen die Lufthansa irreführend von einer jüdischen »Reisegruppe« sprach.
Lufthansa verbindet Kulturen
Mena-Watch bat die Lufthansa um eine Stellungnahme zu der verhängten Strafe. Eine Sprecherin schickte daraufhin diese Erklärung:
»Die Lufthansa Group verbindet Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften auf nachhaltige Weise. Als globaler Luftfahrtkonzern ist die Vielfalt unserer Mitarbeitenden und Passagiere eine unserer größten Stärken. Nach dem Vorfall im Mai 2022 hat Lufthansa kontinuierlich und vollumfänglich mit dem US-Verkehrsministerium zusammengearbeitet und zahlreiche andere Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dazu gehört auch eine enge Zusammenarbeit mit dem American Jewish Committee (AJC).
Das AJC ist eine weltweit anerkannte Organisation, die sich für die Interessen jüdischer Menschen einsetzt und hierbei eine Vorreiterrolle einnimmt. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit haben wir zum Beispiel ein Schulungsprogramm für unsere Führungskräfte und Mitarbeitenden entwickelt, um unseren Werten bestmöglich in der Praxis gerecht zu werden. Lufthansa versteht sich als Botschafterin für Toleranz, Vielfalt und Akzeptanz und hat als erste Fluggesellschaft die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für Antisemitismus übernommen.«
Mena-Watch fragte auch den hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker (CDU), ob seiner Meinung nach die Bundesregierung hätte tätig werden müssen und ob er die Entschuldigung der Lufthansa für ausreichend hält. Bislang war Becker für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Wie das Wall Street Journal in einem Beitrag über die OACP-Entscheidung schrieb, sind Strafen wegen Bürgerrechtsverletzungen durch Fluggesellschaften »eher ungewöhnlich«, da der Nachweis von Diskriminierung oft schwierig sei. Fluggesellschaften würden häufiger für Verstöße gegen den Kundenservice bestraft, beispielsweise, wenn sie erforderliche Rückerstattungen nicht leisten.
»Niemand sollte auf Reisen diskriminiert werden und die heutige Maßnahme sendet eine klare Botschaft an die Flugbranche, dass wir bereit sind, zu ermitteln und Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Bürgerrechte von Passagieren verletzt werden«, sagte US-Verkehrsminister Pete Buttigieg. Laut OACP hatten vierzig der betroffenen Passagiere Beschwerde eingereicht.
Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht.
Autor: MENA Watch
Bild Quelle: Screenshot
Sonntag, 20 Oktober 2024