Der Kanzlist

Der Kanzlist


In den letzten vier Generationen hat das politische Personal in Berlin eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: Vom eisernen Kanzler, der auf Wunsch des Weltkriegsstifters Willem Zwo erhobenen Haupts und zutiefst beleidigt – aber immerhin zeitnah – „von Bord ging“. Hin zu einem Kanzlisten, dessen Amtszeit ebenso diffus und vage wie seine Regierung endet.

Der Kanzlist

Von Ramiro Fulano

Meine Damen und Herren, im Land der Grenzwerte und Vorschriften gibt es für so gut wie alles genauestens definierte Vorgaben, Regeln, Anordnungen und Anweisungen: Wie lang und wie krumm eine handelsübliche grüne Gurke oder gelbe Banane sein muss, beispielsweise. Nur für eins offenbar nicht: Wie lange eine Bundesregierung ohne eigene Mehrheit im Amt verbleiben darf. Spätestens bis zum Termin turnusmäßiger Neuwahlen, würde man meinen.

Aber wie man sich gegebenenfalls auch ohne solche demokratischen Zumutungen, die jedem waschechten Diktator ein Dorn im Auge sein müssen, im Amt halten kann, macht uns derlei unser lieber Herr Selenskyj vor, Poster-Boy von Ukraine-Solidarität und Unserendemokraten. Dessen Amtszeit ist nämlich bereits im Mai abgelaufen und er regiert immer noch.

Andererseits managt der von der deutschen Öffentlichkeit so gut es geht ignorierte Javier Milei die argentinische Exekutive seit nunmehr fast einem Jahr aus einer eklatanten parlamentarischen Minderheit und das durchaus sehr erfolgreich. D.h. zum Wohle des Landes und nicht des eigenen Geldbeutels, liebe Sozialkleptokraten.

Natürlich wäre es zu viel verlangt, sich im Zeitalter des Globalismus im Rest der Welt nach Vorbildern für erfolgreiches Regieren umzuschauen. Denn das endemische politische Spitzenpersonal (*hüstel) weiß erstens alles. Und zweitens weiß es alles besser. In dieser Hinsicht verhält es sich mit Unserendemokraten also nicht anders als im Sprichwort über den lieben Gott und die Nachbarn.

Und so kann es eben passieren, dass ein Amtsinhaber sich in seinem Amtssitz verbarrikadiert und sich mit einem altbekannten Hochleistungsklebstoff an seinem Amtsschemel festklebt. In jeder halbwegs funktionierenden Demokratie, die auf sich hält, gäbe es seit mindestens einer Woche „Hau ab!“-Demos vor seiner Haustür – zur Erinnerung, wer hier der Souverän ist.

Angeblich ist der Kanzlist eine Führungspersönlichkeit, von der böse Zungen behaupten, die ihm auf einer früheren Station seiner zweifelhaften Laufbahn zuarbeitenden Dienststellen hätten ihm auf Senats- bzw. Kabinettsvorlagen jene Option mit dem Kürzel OWD (= „Olaf will das“) markieren müssen, die politisch zu präferieren sind.

Anderenfalls sei über Wochen und Monate keine Entscheidung absehbar gewesen, weil der oberste Dienstherr jederlei Geschlechts sich im mentalen Dickicht seiner konfusen Gedanken verlaufen hätte.

Wir wissen nicht, ob Herr Scholz von seinen Subalternen jemals darüber informiert wurde, wer der Olaf aus dem Kürzel OWD war.

Die Raumpflegerin

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, wusste die deutsche Klassik vor rund zweihundert Jahren. Jedem Ende auch, behaupte ich. Caren Miosga ahnt von alldem wenig, quasselt aber umso unbeschwerter.

Auf öffentlich-rechtlichem – also geradezu königlich alimentiertem – Kuschelkurs lockte die ungekrönte Kolportage-Königin des ZDF den ewigen Kanzlisten am vergangenen Sonntag in ihr öffentliches Schaumbad, um die Gehirnwäsche der ohnehin recht ausgeblichenen deutschen Seele in den Hauptwaschgang zu schalten.

Der Kanzlist bekam reichlich Gelegenheit, sich im Staatsfunk vor einem Millionenpublikum als unschuldiges, vor allem aber harmloses Opfer einer infamen Palastintrige des Herrn Lindner zu inszenieren, weil dieser seine frisch manikürten Fingernägel in sein politisches Fleisch geschlagen habe – irgendetwas über Nattern und Busen drängte sich da auf.

Caren mimte im Auftrag des zweiten deutschen Staatsfernsehens die talentierte Zuhörerin. Sie wirkte mal verständnisvoll, empathisch, konziliant, aber immer um Augenhöhe bemüht und generell wie eine mittelprächtige Psychotherapeutin mit Kassenzulassung, die ihren Lieblingsklienten bei sich auf dem Sofa sitzen, stehen oder liegen hat.

Und in diesem Setting pflegte sie die angeblich ach so unverdient geschundene Seele des Kanzlisten. Es war zumindest nach meinem Wissen das erste Mal, dass eine therapeutische Intervention live und in Farbe im Fernsehen übertragen wurde und somit durchaus ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde.

In ihrer Funktion als Pflegerin des Diskursraums scheuerte Caren hier, schrubbte da, verrichtete derlei niedere Putzdienste aber stets mit einem nonchalanten 20.000-Euro-Pro-Stunde-Gesicht: Wie eine geborene Raumpflegerin (auf dem Fachgebiet der Rhetorik) wienerte und polierte sie das malträtierte Innenleben einer angeblichen Führungsperson wieder auf, als wäre es eine defekte Standuhr oder eine alte Kommode, deren Holz im Laufe von Generationen spröde geworden ist.

Doch ach, es war hoffnungslos! Der Kanzlist blieb dieselbe Antiquität, er wirkte nach einer Stunde bei Caren nur etwas aufgeföhnter um die Glatze. Und das Beste daran: Im Land der Zwergen, Elfen und Wolkenkuckucks gilt all das als staatsbürgerliche Bildung – einfach märchenhaft.

Fritz der Witz

Ausgerechnet Unseredemokraten jederlei Geschlechts mögen nicht verstehen – zumindest nicht öffentlich, und schon gar nicht ab einer gewissen prozentualen Fallhöhe – wie perfekt das parlamentarische System für Fälle wie diesen vorgesorgt hat: Es gäbe im Deutschen Bundestag bereits heute eine neue Mehrheit. Die will bloß niemand.

Dessen ungeachtet erscheinen Regierungen letztlich überbewertet: Belgien hatte viele Jahre lang keine und existiert noch immer (sehr zum Verdruss seiner Nachbarn, wie man hört).

Regierungen sind – zumindest in der Postdemokratie –schon fast redundant. Im Zeitalter überstaatlicher Vereinigungen und unterstaatlicher NGOs ist ihr ursprünglicher Auftrag, den Willen der Bevölkerung abzubilden und stellvertretend für beispielsweise 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des besten Gagalandes aller Zeiten wichtige Dinge zu entscheiden, fast vollständig ausgehöhlt sowie durch Über- und Unterbau unterminiert – voller Löcher wie ein mottenzerfressener Pulli.

Überspitzt gesagt: Für jede restlos in EU und UN integrierte Bananenrepublik gibt es fast nichts mehr selbst zu entscheiden. Dennoch kann man selbst dabei noch eine Menge – sogar fast alles – verkehrt machen, wie es die Berliner Hampel-Regierung mit ihrer historisch einmaligen Melange aus borniertem Besserwissertum und himmelschreiender Inkompetenz geschafft hat, indem sie Deutschland in einen gescheiterten Staat verwandelt hat.

Nicht, ohne dass ihr die dazu nötigen Vorarbeiten frei Haus geliefert wurden. Und zwar von Deutschlands beliebtester Anti-Deutscher, nämlich jener Frau Dr. Marxel, von der böse Zungen bereits während ihrer dritten Amtszeit behauptet haben, sie arbeite noch immer einen alten Kampfauftrag des Ministeriums für Staatssicherheit ab: „Vernichten Sie die BRD!“

Viel spricht für die Annahme, dass die deutsche Christdemagogie, jene nominell konservative deutsche Volkspartei, die sich inzwischen für eine moderne Großstadtpartei hält und ihren Geschlechtseintrag im Wahlregister deshalb dahingehend ändern lassen sollte, um keinen fortgesetzten Etikettenschwindel zu betreiben, auch vier Jahre nach dem Untergang der von ihr heiß und innig geliebten Merkelatur noch immer ebenso traumatisiert wie handlungsunfähig ist, wie zu Zeiten des „Atomausstiegs“ und der „Willkommenskultur“.

Und schließlich: Was ist das für eine Demokratie, in der alle Stimmen zwar „frei und geheim“, aber offensichtlich eben nicht „gleich“ sind? Mit der AfD die einzige nennenswerte Opposition zu den vier bis fünf Linksparteien – plus BSW, Deutschlands jüngster Altpartei – aus dem Kanon der demokratischen Parteien auszuschließen, heißt, ein Fünftel aller Wählerinnen und Wähler in die Wüste zu schicken und ihnen jedes Recht auf demokratische Mitbestimmung zu verbieten. Auch Friedrichs Schmerz-Regierung wird eine Mitte-Links Regierung, und eben keine Mitte-Rechts Regierung, für die es wie gesagt bereits heute schon eine Mehrheit geben könnte.

Die geistig und moralische Wende, die gerade die CDU/CSU bei anderen gerne öffentlich reklamiert, müsste sie erstmal bei sich selbst vollziehen, damit sich ein wirklicher demokratischer Aufbruch lohnt, der den Namen verdient.


Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Dienstag, 12 November 2024

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