Drei Haselnüsse für AschenbrödelDrei Haselnüsse für Aschenbrödel
Tři oříšky pro Popelku ist ein harmloser, aber keineswegs belangloser Märchenfilm aus den Ateliers der DEFA und den Filmstudios Barrandov in Prag. Die modernen Haselnüsse – oder: Oreschniky – die derzeit in der Ukraine vom Himmel fallen, sind weit weniger märchenhaft, aber ebenfalls höchst real.
Von Ramiro Fulano
Meine Damen und Herren: Vier lange Jahre verging kein Tag, an dem die linksalternativ gleichgeschaltete, selbstbefruchtende Kaste des staatlichem Polit- und Medien-Business uns nicht darüber „informiert“ und „aufgeklärt“ hätte, dass Donald T-T-T-Trump den Dritten Weltkrieg auslösen wird – aus Versehen, aus Blödheit, aus Bösartigkeit oder aus all dem zusammen, wie es hieß. Inzwischen befinden wir uns – so gut wie – am Vorabend eines ebenso zielstrebig wie zweckdienlich herbeiesklalierten Final Showdowns – und keiner hat’s gemerkt!
Und damit nicht genug: Nicht etwa durch den degoutanten Orange-Man, jenes Trump-Klischee, das sich das postmoderne Einbildungsbürgertum nach seinem mentalen Maß geschaffen hat und bei dessen bloßer Erwähnung in den ach so uffjeklärten Milieus sofort das Riechsalz knapp wird, wurde diese neuerliche Eskalationsstufe erklommen. Sondern maßgeblich durch jene unheilige Allianz aus einem offensichtlich nicht ganz auf Ballhöhe spielenden, scheidenden Noch-Präsi und den höchst unöffentlichen Untiefen seiner Administration – ohrenbetäubende Stille im linksalternativen Milieu.
Apropos: Der Gedanke, dass die Vasallen des US-Hegemon auch nur ein Sterbenswörtchen mitzureden hätten, bevor es für sie in die vielleicht nicht ewigen, aber zumindest doch nuklearen Jagdgründe geht, halte ich für noch märchenhafter als den eingangs erwähnten Kinderfilm aus den 70ern. Doch eins nach dem anderen.
Vorsprung durch Technik
Als am Donnerstag der vergangenen Woche Vladimir Pu-Pu-Pu-Putin, dieser Teufel in Menschengestalt, eine ballistische Mittelstreckenrakete auf ein militärisches Ziel in der „Ost-Kokaine“ (um es mit der deutschen Außenministerin zu sagen) abfeuern ließ, konnte man sich in den führenden Hauptstädten des Wertewestens – trotz der einschlägigen Warnung 30 Minuten vor Start – lange nicht erklären, was überhaupt los war.
Für die Blöd-Zeitung des Springer-Konzerns hingegen war der Fall natürlich sofort klar: Es war eine „Monster-Rakete“! Tatsächlich heißt sie Oreschnik (vulgo: Haselnuss) und kurz vor der Detonation erreicht sie die sagenhafte Geschwindigkeit von Mach 10, 11.000 km/h (bei einer Lufttemperatur von 20 °C). Die freigesetzte kinetische Energie der Wiedereintrittskörper (sie waren leer) entsprach nach russischen Berechnungen 215 Kilotonnen TNT.
Entwicklung und Einsatz solcher Waffen ist übrigens derzeit nicht verboten – ergo: erlaubt – seit die USA die einschlägigen (*hüstel) Rüstungskontrollverträge einseitig gekündigt haben. Und offensichtlich hat die Russische Föderation die Situation dahingehend genutzt, gerade im Bereich der sogenannten Hyperschallwaffen – die auf Grund ihrer hohen Geschwindigkeit im Zielanflug für das Radar der Luftabwehr unsichtbar und demzufolge auch nicht abzufangen sind – einen wesentlichen technologischen Vorsprung zu erzielen. Hätte der Wertewesten etwas Vergleichbares zustande bekommen, würden wir jetzt alle fünf Minuten das Wort „game changer“ lesen oder hören.
Es erscheint zweifelhaft, ob der Kreml seinen größten Trumpf – der den idealtypischen russischen Gesamtsteuerzahler sehr viel prinzipiell unbezahlbare Arbeits- und Lebenszeit gekostet haben muss – ungenutzt lassen wird, statt das Erreichen seiner strategischen Ziele dadurch zu erleichtern.
Eine vergleichbare westliche Technik ist aus Sicht von Experten drei, vielleicht sogar fünf Jahre entfernt – die Russen könnten also ihre Haselnuss 2.0 schneller am Start haben als Sie Sputnik sagen können, meine Damen und Herren.
Im Osten nichts Neues?
Bei einem Blick in die Qualitätspresse des Wertewestens, seine amtlichen und halbamtlichen Staatsmedien sowie die noch im Prozess der finalen Gleichschaltung befindlichen „Social Media“ drängt sich der Verdacht auf, an der Ostfront der westeurasischen Zusammenbruchszone liefe alles super – no news is good news, keine Nachrichten sind gute Nachrichten, das haben wir doch aus dem Schriftverkehr mit kommunikationsgestörten Vorgesetzten jederlei Geschlechts gelernt, nicht wahr?
Doch halt: Selbst bei einem flüchtigen Blick auf aktuelle Landkarten, in denen der Frontverlauf tagesfrisch verzeichnet wird, kann einem durchschnittlich intelligenten Menschen wie mir auffallen, dass an der wertewestlichen Propaganda etwas Wesentliches nicht stimmt: Sie bezieht sich nicht immer ganz auf die empirische Realität. Oder höchstens dann, wenn es ihr in den Kram passt.
Die anfangs vielgepriesenen „schweren Waffen“ der Annalena Baerbock werden inzwischen als zerschossene Trophäen in russischen Militärausstellungen herumgereicht - nachdem sie zuvor bis auf die letzte Schraube zerlegt wurden, um an jene Geheimnisse zu gelangen, die sie angeblich „unverwundbar“ machen. Ein anscheinend müßiges Unterfangen, denn es gibt da nicht viel Vorbildliches zu entdecken.
Zu kompliziert, zu störanfällig, zu fummelig, zu zickig – so dass vernichtende Feedback aus dem Feld. Zudem sei die Bedienungsanleitung der sogenannten Wunderwaffen oft nur auf Englisch zu bekommen. Als Dauerwerbesendung für westliche Rüstungsgüter ist der Ukraine-Krieg der größte Marketing-Flopp seit Cherry-Coke – nur eben wesentlich letaler.
Merke, liebe Kriegstreiber*innen der politmedialen Einheitsfront, die ausgerechnet dort weitermachen möchten, wo bereits ihre Großeltern den Rückwärtsgang einlegen mussten: Jedes Waffensystem ist nur so gut, wie die Ausbildung der Leute, die es bedienen müssen. Wer in der Rest-Ukraine aktuell rekrutiert wird, ist innerhalb von 72 Stunden an der Kontaktlinie – Learning-by-doing und Training-on-the-job nennt sich dieses menschenverachtende Konzept auf Höhe des nihilistischen Zeitgeists.
Aufgrund des – natürlich völlig vorhersehbaren – eklatanten militärischen Misserfolgs mehren sich nun auch wieder öffentlich gemachte Überlegungen, wonach Frankreich und Großbritannien ein gemeinsames „Expeditionskorps“ in die Ukraine entsenden möchten: Die vom Wertewesten angestrebte „strategische Niederlage“ rückt mit jedem Tag näher – doch wessen Niederlage wird es sein?
Wen wundert‘s?
Viel wurde in der Folge des Jahres 1989 über ein zweckdienlich unterstelltes „Ende der Geschichte“ geschwafelt – vor allem in den akademisch verblödeten Milieus. Indes hätte ein Blick aus dem Fenster genügt, um den Elfenbeintürmlern jederlei Geschlechts zu beweisen: Die Geschichte hat kein Ende und die Welt dreht sich einfach weiter.
Doch während die Klientel der politmedialen Kaste anderweitig abgelenkt war – vor allem mit dem gegenseitigen Ausstellen von Tugend- und Persil-Ausweisen – kam es in Osteuropa zur großen Flurbereinigung: Die EU lockte mit üppigen Fleisch- und Fördertöpfen zur nachholenden Modernisierung ganzer Volkswirtschaften. Die Kosten für all den Prunk, Pomp und Popanz sind derweil mehrmals fällig geworden, konnten aber schon bei der Griechenlad-Krise nicht mehr bewältigt werden.
Und die eine oder andere Keks-Tüte (was war da wohl drin, in den Keksen?) machte anlässlich diverser Farbrevolutionen, wie auch auf dem Ein-Euro-Maidan die Runde, mit freundlicher Empfehlung aus Langley, Virginia. Ergebnis: Die NATO reichte bald bis in die Vororte von Sankt Petersburg.
All das begleitet von happy-clappy Diversity-Jubelchören, die im Lauf der Jahrzehnte allmählich – dafür aber umso merklicher – eine Tonalität bekamen, im Vergleich zu der selbst die „Zwei-Minuten-Hass“ aus Orwells 1984 sich wie ein Eintrag ins Poesie-Album lesen.
Die Überlegung, dass die Russische Föderation durchaus legitime Sicherheitsinteressen in Osteuropa hat – nachdem Anfang der 2000er Jahre feststand, dass sie „niemals“ (O-Ton George W. Bush) in die NATO aufgenommen würde (aber ob sie das jemals wirklich wollte?) – spielte aus westlicher Sicht keine Rolle. Zu bequem hatte man es sich insbesondere in Deutschland mit billigen russischen Kohlenwasserstoffen eingerichtet, auf denen der relative Erfolg der VEB Deutschland AG in den letzten zwei Jahrzehnten maßgeblich basierte (sowie auf einem epochalen Lohndumping und Sozialabbau).
Dieses Wirtschafts- und Sozialmodell steht nun unter Druck, weil der Wertewesten die Zeichen der Zeit nicht erkennen will. Der Abstieg der USA vom Thron der führenden Industrienation und größten Wirtschaftsmacht der Welt steht unmittelbar bevor. Eine Umorientierung des Westens in dieser neuen Wirklichkeit ist nicht absehbar, weil nicht einmal das Problem benannt werden darf: Dem selbsternannten Wertewesten fällt es immer schwerer, anderen Ländern und Regierungen zu befehlen, was sie zu tun und zu lassen haben – wie sich erst jüngst wieder auf diesem lächerlichen, aber sinnlosen Foto-Termin in Rio de Janeiro zeigte.
Die zweckdienlich herbeifantasierte moralische Überlegenheit der „Werte“ ist dahin – wenn es sie denn überhaupt jemals gab.
Der König ist nackt
Der analytische Begriffsapparat westlicher Politik scheint auf einem überholten Stand eingefroren zu sein: Statt eine sinnvolle Beziehung zu einer sich immer schneller ändernden Wirklichkeit herzustellen, fantabuliert der polit-mediale Komplex vor allem im besten Gagaland aller Zeiten immer realitätsferner vor sich hin – dafür aber unter Androhung von Strafe, wenn man seinen selbstgefälligen Märchen nicht glaubt. Sind wir in einer Sekte? Rhetorische Frage.
Es gelingt den Dispositiven der staatstragenden Medien höchstens noch, Lautstärke und Frequenz ihres Narratives zu erhöhen. Ihre Überzeugungskraft steigt dadurch nicht – vielmehr tritt die offizielle Rhetorik mit Volldampf auf der Stelle, während sie dabei immer tiefer im Treibsand gesellschaftlichen Unmuts versinkt. Und das völlig zu Recht.
Aber haben wir etwas anderes erwartet, als wir fürstlich besoldete Heerscharen von Teil- und Vollzeitfantasten, Studienabbrechern und Tanztherapeuten in den Rang allwissender Experten erhoben haben? Rund 30 % der von Instituten Befragten glauben noch immer: beim nächsten Mal klappt’s, Genossen!
Viel spricht für die Annahme, dass mit den linksalternativen Milieus – und hier insbesondere der olivgrünen Kriegstreibersekte „Bündnis 90/Die Grünen“ – wieder einmal genau jenes Personal in den zweifelhaften Genuss von Macht über Menschen gelangt ist, das solch ein Privileg am wenigsten verdient.
Auf der Titanic hieß es, funktionierten – als sie sank – immerhin noch Licht und Heizung. Von letzterem kann man im Deutschland der „Energiewende“, „Klimarettung“ und „Russlandsanktionen“ inzwischen nur noch träumen.
Bemerkenswert, dass „Unseredemokratie“ stärker durch Meinungsäußerungen im Internet gefährdet sein soll als durch die Unterminierung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz von 84 Millionen Menschen.
Eine Regierung, die nicht nur der Wirklichkeit, sondern auch der eigenen Bevölkerung den Krieg erklärt hat – und die sich anschickt, sie zwischen den Mühlsteinen von galoppierender Inflation sowie steigenden Steuern, einer symptomatisch irregeleiteten Innen- und einer selbstmörderischen Außenpolitik zu zermahlen – hat sich selbst disqualifiziert.
Wie interessant, dass der Wahltag fast auf den Tag genau drei Jahre nach den Beginn der russischen Intervention in den ukrainischen Bürgerkrieg fällt – falls es bis dahin nicht doch noch zum nuklearen Schlagabtausch kommt. 1914 hatte es zumindest noch vier Jahre gedauert, bis ein vergeigter Krieg gegen Russland zu Regime Change in Berlin geführt hat.
Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Elena Ringo http://www.elena-ringo.com, CC BY 3.0 , via Wikimedia Commons
Dienstag, 26 November 2024