80 Jahre Befreiung: Warum wir Buchenwald nie vergessen dürfen

80 Jahre Befreiung: Warum wir Buchenwald nie vergessen dürfen


80 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora kamen Überlebende aus aller Welt zurück nach Weimar. Ein Tag voller Emotionen, Mahnungen und unbequemer Wahrheiten – denn die Schatten der Vergangenheit reichen bis heute.

80 Jahre Befreiung: Warum wir Buchenwald nie vergessen dürfen

Am Sonntag versammelten sich Menschen in Weimar, um an ein Ereignis zu erinnern, das die Welt veränderte: Vor genau 80 Jahren, am 11. April 1945, rollten US-Truppen auf den Ettersberg und befreiten das Konzentrationslager Buchenwald – das erste KZ, das von den Alliierten erreicht wurde. Mit dabei waren Überlebende, heute hochbetagte Zeitzeugen aus Israel, Polen, Frankreich, Rumänien und Belarus, die zurückkehrten, um an den Ort ihres unvorstellbaren Leids zu gedenken. Ihre Anwesenheit rührt zu Tränen und zwingt uns, hinzusehen: Was damals geschah, darf niemals in Vergessenheit geraten.

Jens-Christian Wagner, der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, fand bewegende Worte für diesen Moment. Es sei eine „große Ehre“, dass diese Menschen, die so viel verloren haben, den weiten Weg auf sich nahmen, um uns alle zu mahnen. Einer von ihnen ist Naftali Fürst, heute Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos. Der Israeli hat eine Geschichte, die unter die Haut geht. 1942 wurde er mit seiner Familie – den Eltern und seinem Bruder Shmuel – in ein Arbeitslager gezwungen. Zwei Jahre später folgte die Deportation nach Auschwitz, wo die Familie auseinandergerissen wurde. Naftali und Shmuel landeten schließlich in Buchenwald, im sogenannten Kinderblock. Schwer krank erlebte Naftali die Befreiung durch die Amerikaner. Sein Bruder hingegen wurde von der SS auf einen brutalen Todesmarsch geschickt, der Wochen dauerte. Erst im Mai 1945 war auch Shmuel frei. Im Sommer desselben Jahres fand die Familie sich in Bratislava wieder – ein Wunder, das nur wenigen widerfuhr.

Doch dieser Gedenktag war mehr als ein Blick zurück. Wagner machte deutlich, dass wir nicht nur gedenken, sondern auch nachdenken müssen. Was bedeuten die Verbrechen der Nazis für uns heute? Gerade jetzt, wo Rechtsextremismus und Rechtspopulismus wieder lauter werden, ist diese Frage dringlicher denn je. Altbundespräsident Christian Wulff, der als Hauptredner sprach, ließ kein Blatt vor den Mund. Er warnte vor einer Gesellschaft, die sich zunehmend verhärtet und radikalisiert. „Verrohung ist das schleichende Gift der Rechtspopulisten“, sagte er und erinnerte an die Worte der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer: „So hat es damals auch angefangen.“ Ein Satz, der wie ein Schlag ins Gesicht sitzt und uns zwingt, die Parallelen zur Gegenwart zu sehen.

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt brachte es auf den Punkt: Buchenwald lag nur wenige Kilometer von Weimar entfernt, der Stadt Goethes und Schillers, ein Zentrum von Bildung und Kultur. Doch all das schützte nicht vor der Barbarei. „Erinnerung und Erkenntnis sind Geschwister“, sagte Voigt. Es reicht nicht, sich zu erinnern – wir müssen verstehen, dass niemand immun ist gegen das Böse, wenn wir nicht wachsam bleiben.

Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager des Dritten Reichs. Ab 1937 wurden dort über 250.000 Menschen aus mehr als 50 Nationen eingesperrt. Mehr als 56.000 von ihnen wurden ermordet – durch Arbeit, Hunger, Krankheit oder direkte Gewalt. Diese Zahlen sind keine kalten Statistiken, sondern Schicksale, die uns anbrüllen: So etwas darf nie wieder geschehen. Doch die Realität zeigt, dass wir weit davon entfernt sind, diese Lektion wirklich gelernt zu haben.

Aus der Sicht Israels, wo viele Überlebende wie Naftali Fürst heute leben, ist die Erinnerung an die Shoah nicht nur Geschichte, sondern Teil der nationalen Identität. Das Land wurde gegründet, um ein sicherer Hafen für Juden zu sein, die in Europa fast ausgelöscht wurden. Die Rückkehr der Überlebenden nach Buchenwald zeigt, wie tief diese Wunden sitzen – und wie wichtig es ist, dass die Welt nicht wegsieht. Israel selbst steht heute vor eigenen Herausforderungen, doch die Bereitschaft, die Vergangenheit aufzuarbeiten, ist ein Zeichen von Stärke, das wir uns alle zum Vorbild nehmen sollten.

Dieser Gedenktag war ein Weckruf. Wenn wir die Stimmen der Überlebenden nicht hören, wenn wir die Warnungen ignorieren, dann verspielen wir die Chance, aus der Geschichte zu lernen. Buchenwald ist kein ferner Ort der Vergangenheit – es ist eine Mahnung, die uns heute angeht. Und die uns zwingt, Stellung zu beziehen: Nie wieder!


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Andreas Trepte - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=737769


Sonntag, 06 April 2025

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