Urteil mit Signalwirkung: Drei Jahre Haft nach antisemitischer Gewalttat in BerlinUrteil mit Signalwirkung: Drei Jahre Haft nach antisemitischer Gewalttat in Berlin
Ein jüdischer Student wird brutal angegriffen – sein Angreifer behauptet, es sei kein Antisemitismus gewesen. Doch das Gericht widerspricht deutlich.
Es war keine gewöhnliche Schlägerei, kein Streit, wie er in einer Bar enden könnte. Es war ein gezielter, brutaler Angriff – und er hatte ein klares Motiv: Hass auf Juden. So sieht es das Amtsgericht Tiergarten. Das Opfer: Lahav Shapira, jüdischer Student, verletzt mit Mittelgesichtsfraktur, Hirnblutung, mehrfach operiert. Der Täter: ein früherer Kommilitone, 24 Jahre alt, geboren in Berlin, seine Eltern stammen aus dem Libanon. Und dieser Täter ist jetzt zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Ohne Bewährung.
Dieses Urteil geht über das hinaus, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Drei Jahre statt zwei Jahre und vier Monate. Und es ist ein Urteil, das Haltung zeigt – gegen Antisemitismus, gegen das Verschweigen von Hass, gegen den schleichenden Normalzustand, in dem Gewalt gegen jüdische Menschen zur Randnotiz wird. Richter Sahin Sezer hat klargemacht, worum es ihm geht: Abschreckung. Der Rechtsstaat müsse zeigen, dass er schützt. Dass er nicht wegschaut. Dass Judenhass in Deutschland Konsequenzen hat.
Der Fall selbst ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die behaupten, Antisemitismus sei in Deutschland kein ernstes Problem. Zwei junge Männer begegnen sich zufällig in einer Berliner Bar. Der eine folgt dem anderen, wirft ihm vor, pro-israelisch zu sein, Plakate abgerissen zu haben, sich in einer Uni-Chatgruppe „falsch“ verhalten zu haben. Dann schlägt er zu. Ein Faustschlag, ein Tritt ins Gesicht, als das Opfer bereits am Boden liegt. Der Täter ist Kampfsportler. Die Folge: ein fast tödlicher Angriff.
Die Verteidigung versuchte, das antisemitische Motiv kleinzureden. Versuchte, aus dem Täter ein Opfer zu machen. Sprach von Provokation, von einem Streit, von einem Missverständnis. Doch das Gericht durchschaute diese „Salamitaktik“, wie es der Richter nannte – Stück für Stück, scheibchenweise, sollte das wahre Ausmaß der Tat entschärft werden. Doch es war nichts zu entschärfen. Es war Hass. Es war Gewalt. Und es war Antisemitismus.
Dass der Täter sich vor Gericht entschuldigte, die Tat einräumte, das wog wenig angesichts der Schwere der Verletzungen. Ein einzelner Mensch, Lahav Shapira, stand plötzlich sinnbildlich für etwas Größeres: für jüdisches Leben in Deutschland, das erneut bedroht wird. Für eine Gesellschaft, in der sich Antisemitismus wieder offen zeigt – in Sätzen, in Gesten, auf den Straßen, in Hörsälen. Und jetzt: in einer Bar. Mit der Faust.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Aber es hat schon jetzt Signalwirkung. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte es „ein gutes und gerechtes Urteil“. Und er hat recht. Denn es ist ein selten klares Zeichen in einer Zeit, in der sich viel zu oft alles im Vagen verliert. In der Täter behaupten, keine Antisemiten zu sein, obwohl ihre Taten eine andere Sprache sprechen. In der Universitäten über Meinungsfreiheit diskutieren, während jüdische Studierende sich nicht mehr trauen, ihre Davidstern-Kette offen zu tragen.
Lahav Shapira wird die Folgen dieses Abends noch lange spüren – körperlich und seelisch. Aber vielleicht hilft dieses Urteil, anderen etwas zurückzugeben: das Vertrauen, dass der Staat nicht tatenlos bleibt. Dass Antisemitismus eben doch Konsequenzen hat. Und dass jüdisches Leben in Deutschland kein Risiko, sondern ein Recht ist.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Fridolin freudenfett (Peter Kuley) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16378819
Donnerstag, 17 April 2025