Ermittler, Insider, Krimineller? Der Fall Yashar G. erschüttert das Vertrauen in die Justiz

Ermittler, Insider, Krimineller? Der Fall Yashar G. erschüttert das Vertrauen in die Justiz


Ein Staatsanwalt soll über Jahre Kriminelle gewarnt und kassiert haben – jetzt steht er vor Gericht. Doch schon der Prozessauftakt zeigt, wie tief der Schaden geht.

Ermittler, Insider, Krimineller? Der Fall Yashar G. erschüttert das Vertrauen in die Justiz

Es ist ein Bild, das verstört: Ein Mann, der einst selbst Anklageschriften verlas, sitzt nun auf der Anklagebank. Yashar G., 39 Jahre alt, bis vor Kurzem Staatsanwalt in Hannover, wirkt ruhig, selbstbewusst – fast trotzig. Er versteckt sich nicht, schaut den Zuschauerreihen direkt ins Gesicht. Dort sitzen Kolleginnen, Journalisten, vielleicht auch Angehörige von Menschen, die wegen seiner Ermittlungen verurteilt wurden – oder deren Verfahren er womöglich manipulierte.

Die Vorwürfe wiegen schwer. Besonders schwere Bestechlichkeit in 14 Fällen, Verletzung des Dienstgeheimnisses, Strafvereitelung im Amt. Und das nicht im Kleinen: 5.000 Euro monatlich soll Yashar G. von einer kriminellen Bande erhalten haben – mutmaßlich über Jahre. Der Anklage zufolge war er ein Informant mitten im Justizsystem. Ein Maulwurf, der Razzien verriet, Kriminelle schützte, das Vertrauen der Öffentlichkeit verspottete.

Ein Insider, der mit der Mafia paktiert – man kennt solche Figuren aus Serien. Doch dieser Fall ist real. Und er zeigt, wie durchlässig selbst unsere höchsten Institutionen sein können, wenn Kontrolle versagt und Loyalitäten sich verschieben. Schon 2021, nach einer geplatzten Mega-Razzia im Hamburger Hafen – 16 Tonnen Kokain! – gab es Hinweise auf einen Leck in der Justiz. Verdächtige tauchten ab, bevor die Polizei zuschlagen konnte. Yashar G. geriet ins Visier – aber es dauerte über zwei Jahre bis zur Festnahme. Zwei Jahre, in denen er möglicherweise weiter Informationen weitergab. Zwei Jahre, in denen man wegschaute?

Dass nun ausgerechnet seine Verteidigung einseitige Ermittlungen beklagt, wirkt zynisch. Wer einem mutmaßlich korrupten Staatsanwalt einen fairen Prozess verweigert, verspielt das, was gerade jetzt überlebenswichtig ist: rechtsstaatliche Glaubwürdigkeit. Doch ebenso zynisch ist es, wenn Medien zu früh urteilen, als stünde das Urteil längst fest. Genau diese Spannung – zwischen berechtigter Empörung und der Pflicht zur Nüchternheit – prägt den Prozessauftakt.

Für Yashar G. selbst ist die U-Haft offenbar bereits ein Martyrium. 23 Stunden eingeschlossen, aus Sicherheitsgründen, weil die Gefahr nicht von ihm, sondern von den anderen Gefangenen ausgehe – sagt er. Man mag fast vergessen, dass es um jemanden geht, der als Vertreter des Staates das Gesetz beugen und verkaufen haben soll.

Dass ausgerechnet ein Boxtrainer als Mittelsmann fungiert haben soll, wirkt wie ein düsteres Detail aus einem B-Film. Doch der Schaden ist real – nicht nur für das Image der Justiz, sondern für jene Ermittler, die jahrelang Vertrauen aufgebaut haben, mühsam Verfahren führen, Beweise sichern. Wenn einer aus den eigenen Reihen zum Verräter wird, bricht mehr als nur eine Karriere: Es bricht ein System auf.

21 Verhandlungstage sind angesetzt, doch schon der erste hat Fragen aufgeworfen, die nicht nur das Landgericht Hannover beantworten kann. Warum dauerte es so lange bis zur Anklage? Wer hat versagt? Und: Wie konnte ein einzelner Mann offenbar so viel Macht gewinnen – unbeobachtet, unkontrolliert?

Yashar G. will sich später äußern. Vielleicht wird er reden. Vielleicht wird er schweigen. Doch schon jetzt ist klar: Was hier verhandelt wird, ist mehr als persönliche Schuld. Es ist das Verhältnis eines Staates zu sich selbst – und zu denen, die ihm vertrauen.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von AxelHH at de.wikipedia - Foto aufgenommen von Benutzer Benutzer:AxelHH, Mai 2008, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15650358


Mittwoch, 23 April 2025

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