Totschlag mit Ansage: Sechs Jahre Haft für geduldeten Messerstecher – und ein Staat, der versagt hatTotschlag mit Ansage: Sechs Jahre Haft für geduldeten Messerstecher – und ein Staat, der versagt hat
Ein Gericht verurteilt einen abgelehnten Asylbewerber zu sechs Jahren Haft, weil er einen deutschen Unterkunftsbetreiber erstach. Doch das wahre Urteil trifft nicht nur den Täter – es trifft auch die Behörden.
Sechs Jahre Gefängnis, danach Abschiebung in den Irak. So lautet das Urteil des Landgerichts Hildesheim gegen einen heute 35-jährigen Mann, der im September 2024 einen Deutschen mit einem gezielten Messerstich ins Herz getötet hat. Der Fall ging durch alle Medien – nicht nur wegen der brutalen Tat selbst, sondern wegen der Geschichte dahinter. Denn der Täter hätte längst nicht mehr in Deutschland sein dürfen.
Schon 2022 war der Iraker ausreisepflichtig. Dennoch lebte er weiter in Niedersachsen – geduldet, weil er gegen seine Abschiebung klagte. Mehr als zwei Jahre zog sich das Verfahren hin, ohne Ergebnis. In dieser Zeit passierte das, was laut Gesetz nie hätte passieren dürfen: Ein Mann, der längst nicht mehr im Land sein sollte, brachte einen Menschen um. Die Frage ist nicht mehr, ob dieser Mord hätte verhindert werden können. Die bittere Wahrheit ist: Er hätte verhindert werden müssen.
Ein Stich – und ein Leben endet
Das Opfer, ein 61-jähriger Betreiber einer Geflüchtetenunterkunft, war kein Unbekannter in Sarstedt. Geboren in Kabul, längst deutscher Staatsbürger, galt er als hilfsbereit, engagiert und fair. Er hatte ein ehemaliges Hotel in eine Unterkunft für Asylbewerber umfunktioniert – nicht aus Profitgier, sondern aus Überzeugung. Ausgerechnet dort traf ihn das Messer. Es war ein Streit, der eskalierte, wie es heißt. Doch das Messer traf zielgerichtet – direkt ins Herz. Der Mann verlor innerhalb von Minuten das Bewusstsein und starb noch am Tatort. Sanitäter konnten nichts mehr tun.
Der Täter gestand die Tat vor Gericht. Über seinen Verteidiger ließ er erklären, dass er die Verantwortung übernehme – aber töten habe er nicht wollen. Der Richter ließ dieses Argument nicht gelten. Es sei kein unbedachter Hieb gewesen, kein Schnitt im Affekt. Es war ein gezielter Stich mit einem Küchenmesser, neun Zentimeter lang, mit tödlicher Wucht geführt. Ein unabhängiger Zeuge hatte den Tathergang beobachtet und entlarvte jede Notwehrbehauptung als Schutzbehauptung. Nur von Mord wollten die Richter nicht sprechen, weil keine Anzeichen für eine geplante Tat vorlagen. Deshalb lautet das Urteil auf Totschlag – sechs Jahre Haft in Deutschland, dann Abschiebung.
Eine Familie bleibt fassungslos zurück
"Für die Familie war der Prozess eine extreme Belastung", sagte der Anwalt der Nebenklage. Man habe nicht nur einen geliebten Menschen verloren, sondern das Gefühl, dass dieser Tod vermeidbar gewesen wäre. Der Getötete habe stets versucht, Brücken zu bauen zwischen Herkunft und Zukunft, zwischen den Geflüchteten und der Gesellschaft, in die sie eintreten wollten. Er war ein Vorbild an Integration – und wurde getötet von einem Mann, der dieses System ausnutzte.
Politik der Untätigkeit
Der Fall zeigt ein Muster, das immer deutlicher zutage tritt: Ein Staat, der Abschiebeentscheidungen fällt, aber sie nicht durchsetzt. Ein Rechtsstaat, der Regeln hat, aber nicht die Kraft, sie zu vollziehen. Der Täter war längst bekannt. Seine Abschiebung beschlossen. Doch sie scheiterte – an Verfahren, Fristen, Klagen, Zuständigkeitswirrwarr. Dass ausgerechnet in diesem Zeitfenster ein Mensch zu Tode kam, ist kein tragischer Zufall. Es ist Folge politischen Versagens.
Weder ist dieser Fall der erste, noch wird er der letzte sein. In der öffentlichen Debatte dreht sich vieles um Härte, Kontrolle und Menschenwürde – doch wer schützt die Menschenwürde derer, die in diesem Land leben, arbeiten, sich kümmern, helfen? Wer schützt diejenigen, die Verantwortung übernehmen – wie der Betreiber dieser Unterkunft – wenn ein Staat es zulässt, dass abgelehnte Asylbewerber auf Dauer bleiben, ohne Konsequenz?
Was bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht. Nicht nur bei der Familie, sondern bei vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich fragen: Wofür gibt es eigentlich Gesetze, wenn sie folgenlos bleiben? Und was ist ein richterlich bestätigter Abschiebebeschluss wert, wenn daraus nichts erwächst?
Schlussstrich mit System
Der Täter wird nach sechs Jahren abgeschoben. Vielleicht. Wenn es dann möglich ist, wenn kein neues Verfahren dazwischenkommt, keine neue Duldung, keine neue Ausrede. Bis dahin sitzt er in Haft – und kostet dem Staat weiter Geld. Dass dieses Urteil als Gerechtigkeit empfunden wird, ist unwahrscheinlich. Zu groß ist der Schaden, zu offensichtlich das Staatsversagen. Der wahre Schlussstrich wurde nicht im Gerichtssaal gezogen – sondern auf einem Parkplatz in Sarstedt, mit einem Messer.
Was dieser Fall offenlegt, ist nicht nur das persönliche Versagen eines Mannes. Es ist ein strukturelles Problem. Eine Lücke im System, durch die Menschen sterben können. Und gestorben sind.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Mittwoch, 30 April 2025