Stillstand im Osten: Berliner Brücke droht einzustürzen – gesamte Kreuzung unter ihr gesperrtStillstand im Osten: Berliner Brücke droht einzustürzen – gesamte Kreuzung unter ihr gesperrt
Was als reine Vorsichtsmaßnahme begann, entwickelt sich nun zu einem verkehrspolitischen Desaster. Die marode Brücke an der Wuhlheide gefährdet nicht nur den Verkehr – sondern auch das Vertrauen in Berlins Infrastruktur.
Nichts geht mehr unter der Brücke an der Wuhlheide. Wo bis vor Kurzem noch Autos rollten, Straßenbahnen bimmelten und Fußgänger sich zwischen Haltestellen und Geschäften bewegten, herrscht nun Totalsperrung. Seit Ende April war die Überführung bereits für den Autoverkehr unpassierbar. Nun trifft es auch das darunterliegende Herzstück der Verbindung zwischen Karlshorst, Lichtenberg und Oberschöneweide: Die Kreuzung Edisonstraße/Treskowallee wird komplett dichtgemacht – für Autos, für Trams, für Menschen.
Die Begründung aus der Senatsverwaltung für Verkehr klingt nüchtern – und alarmierend: Man könne „ein Versagen des Bauwerks nicht mehr ausschließen“. Das bedeutet im Klartext: Die Brücke ist so marode, dass sie jeden Moment einstürzen könnte.
Uralte Bausubstanz, neue Konsequenzen
Errichtet im Jahr 1989, leidet die Brücke unter einer sogenannten Alkali-Kieselsäure-Reaktion – ein chemischer Prozess, der Beton im Innern aufquellen und spröde werden lässt. Bereits 2022 war der Zustand des Bauwerks als „ausreichend“ eingestuft worden. Sanierung? Geplant für 2026. Nun aber muss alles schneller gehen – weil es womöglich zu spät ist.
Dass sich das Berliner Verkehrsnetz in einem bedenklichen Zustand befindet, ist keine neue Erkenntnis. Doch dieser Fall zeigt einmal mehr, was jahrzehntelanges Wegsehen anrichten kann. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) spricht von „drastischen Maßnahmen“. Und tatsächlich: Die Kreuzung unter der Brücke ist eine zentrale Achse im Osten der Stadt. Ihre Sperrung bringt den Verkehr durcheinander – und Tausende Pendler an den Rand der Belastbarkeit.
Umleitungen, Staus und Frust
Die Berliner Verkehrsinformationszentrale meldete am Dienstagmorgen lange Staus auf allen Umleitungsstrecken: Wilhelminenhofstraße, Nalepastraße, Minna-Todenhagen-Straße, Rudolf-Rühl-Allee – alles verstopft. Wer morgens ins Büro will, braucht Geduld und starke Nerven. Wer abends nach Hause möchte, ebenso. Die eigens eingerichteten Umleitungstafeln helfen wenig – wenn es keine realistischen Alternativen gibt, staut sich der Frust gleich mit.
Auch die BVG ist betroffen. Gleich fünf Straßenbahnlinien (M17, 21, 27, 37 und 67) verlaufen unter der Brücke. Für sie wurde ein sogenanntes „Inselkonzept“ erarbeitet – eine Übergangslösung, bei der einige Linien verlängert werden, damit ein Umstieg auf die S-Bahn möglich wird. Doch ein echtes Ersatzkonzept ist das nicht. Vor allem, weil die Straßenbahnwerkstätten der BVG nördlich der Brücke liegen – und nun für viele Fahrzeuge unerreichbar sind.
Henrik Falk, Vorstandschef der BVG, warnt: „Vier, fünf Wochen halten wir durch.“ Danach wird es schwierig. Denn Straßenbahnen brauchen regelmäßige Wartung. Ersatzfahrzeuge wurden zwar rechtzeitig umverteilt – doch das ist Flickwerk. Kein Betriebskonzept.
Abriss ja – Neubau vielleicht?
Der Bezirk Treptow-Köpenick will nun Fakten schaffen. Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) fordert einen schnellen Abriss der Brücke – noch in den nächsten Wochen. Ob danach ein Neubau kommt, ist unklar. Igel zweifelt daran: Vielleicht, so sagt er, sei eine Brücke dort gar nicht mehr notwendig, wenn man eine „tragfähige Verkehrslösung“ finde, die auch ohne Überführung auskommt.
Es ist ein bemerkenswerter Vorschlag. Denn anstatt mit Hochdruck ein Ersatzbauwerk zu planen, wird in Betracht gezogen, die Brücke ganz zu streichen. Für Anwohner und Berufspendler bedeutet das zunächst einmal nur eins: längere Wege, mehr Zeitaufwand, höhere Belastung.
Dass Berlin an mehreren Stellen gleichzeitig mit maroder Infrastruktur zu kämpfen hat, zeigt ein Blick in den Westen der Stadt: Auch dort sorgt der Abriss einer veralteten Ringbahnbrücke seit Wochen für erhebliche Verkehrsprobleme.
Was bleibt: Ein Bild der Vernachlässigung
Diese Sperrung ist mehr als ein lokales Verkehrsproblem. Sie ist ein Spiegel dessen, was über Jahrzehnte versäumt wurde: Wartung, Erneuerung, Weitsicht. Eine Brücke, die 2026 saniert werden sollte, ist 2025 so marode, dass sie jeden Moment einstürzen kann. Das ist kein Unfall. Das ist ein politisches und administratives Versagen.
Wie viele weitere Brücken in Berlin diesem Beispiel folgen, lässt sich nur erahnen. Was sich allerdings sicher sagen lässt: Wer eine Stadt dauerhaft ignoriert, der bekommt irgendwann die Quittung. Und die sieht dann so aus wie an der Wuhlheide – leer, still, gesperrt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Dienstag, 20 Mai 2025