Iran am Tisch: Deutschland setzt auf Diplomatie – und sucht die Balance

Iran am Tisch: Deutschland setzt auf Diplomatie – und sucht die Balance


Mit einem Gesprächsangebot an Teheran versucht Berlin, zwischen Solidarität mit Israel und diplomatischer Vermittlung zu vermitteln – eine Gratwanderung mit viel Fingerspitzengefühl

Iran am Tisch: Deutschland setzt auf Diplomatie – und sucht die Balance

Berlin, Genf, Jerusalem – Während Israel mit aller Entschlossenheit gegen die nuklearen Ambitionen des iranischen Regimes vorgeht, bemüht sich Deutschland um ein Gleichgewicht: Unterstützung für Israels Sicherheitsinteressen, kombiniert mit diplomatischem Einsatz, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Bundeskanzler Friedrich Merz telefonierte am Mittwoch mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu – ein Gespräch, das viel über die deutsche Linie verrät: prinzipielle Rückendeckung, aber auch der Wunsch, Spielräume für Deeskalation zu wahren.

Merz bekräftigte laut einem Insider die grundsätzliche Unterstützung für Israels Angriffe auf iranische Atomanlagen – ein Signal der Solidarität. Zugleich warb er für Zurückhaltung. Der deutsche Kanzler betonte, man dürfe diplomatische Möglichkeiten nicht aus dem Blick verlieren. Diese Haltung spiegelt sich auch im Plan wider, bereits an diesem Freitag iranische und europäische Diplomaten in Genf an einen Tisch zu bringen.

Genf als Symbol für Gesprächsbereitschaft

Deutschland wird dort Gastgeber sein – gemeinsam mit Partnern aus Frankreich und Großbritannien. Auch Irans Außenminister Abbas Araqchi hat seine Teilnahme bestätigt. Offizielles Ziel: Garantien für die ausschließlich zivile Nutzung des iranischen Atomprogramms. Ein Ziel, das viele in Israel für unrealistisch halten, aber das aus europäischer Sicht zur Wahrung internationaler Standards gehört.

Die Einladung nach Genf ist nicht frei von Risiko. Denn gerade nach den Angriffen Irans auf Israel im Frühjahr – samt dem Einsatz ballistischer Raketen und Drohnen – sehen viele Israelis die Zeit für Gespräche als längst verstrichen an. Dennoch wählt Deutschland diesen Weg. Nicht, weil man an Wunder glaubt, sondern weil man einen Beitrag leisten will – zur Stabilisierung, zur Schadensbegrenzung, vielleicht auch, um einen Rest von Einfluss auf den Verlauf der Dinge zu bewahren.

Ein Balanceakt zwischen Partnern und Prinzipien

Friedrich Merz betonte auch in einem Gespräch mit dem Emir von Katar die Notwendigkeit, eine regionale Ausweitung des Konflikts zu verhindern. Ein Satz, der angesichts der Rolle Katars als Vermittler – aber auch als Unterstützer der Hamas – eine doppelte Botschaft in sich trägt. Deutschland spricht mit beiden Seiten, stellt sich aber zugleich hinter das israelische Ziel, den Iran in seinen militärischen Fähigkeiten dauerhaft zu schwächen.

Dass Israel seine Angriffe mit dem Ziel begründet, die nukleare Bedrohung aus Teheran zu beenden, steht für Jerusalem außer Frage. Der Verweis Irans auf den „zivilen Charakter“ seines Atomprogramms ist in der Region jedoch längst kein glaubwürdiges Argument mehr. Trotzdem versucht Europa, mit dem Dialog einen Rest an Einfluss zu wahren – nicht naiv, aber in der Hoffnung, dass eine politische Tür offen bleibt, während andere längst geschlossen wirken.

Keine einfachen Antworten

Auch die Lage in Gaza kam in dem Gespräch zwischen Merz und Netanjahu zur Sprache. Die Bundesregierung verweist weiterhin auf das humanitäre Völkerrecht und ruft Israel zur Rücksicht auf Zivilisten auf – eine Position, die in Israel auf gemischte Reaktionen trifft. Gleichzeitig erkennt Berlin an, dass die Verantwortung für den Krieg bei der Hamas liegt – jener Terrororganisation, die am 7. Oktober mit einem brutalen Angriff auf israelisches Gebiet den Krieg entfacht hat.

Die deutsche Außenpolitik befindet sich damit in einem Spannungsfeld zwischen klarer Solidarität und außenpolitischer Realitätsprüfung. Die Genfer Gespräche sind Ausdruck dessen: Deutschland will mehr als bloße Kritik – es will vermitteln, Einfluss nehmen, deeskalieren. Ob das gelingt, bleibt offen. Doch dass Berlin sich nicht zurückzieht, sondern Verantwortung übernimmt, ist ein Zeichen von außenpolitischer Reife – auch wenn es keine einfachen Antworten gibt.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Michael Lucan - Own work, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=147821782


Donnerstag, 19 Juni 2025

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