Ein jüdischer Student klagt an: Lahav Shapira zieht gegen die FU Berlin vor Gericht

Ein jüdischer Student klagt an: Lahav Shapira zieht gegen die FU Berlin vor Gericht


Der Übergriff auf ihn ist gerichtlich aufgearbeitet – doch Lahav Shapira fordert mehr: ein Schuldeingeständnis der Freien Universität Berlin. Nicht nur wegen unterlassener Hilfe, sondern wegen struktureller Gleichgültigkeit gegenüber Judenhass.

Ein jüdischer Student klagt an: Lahav Shapira zieht gegen die FU Berlin vor Gericht

Der jüdische Student Lahav Shapira, im Februar 2024 an der Freien Universität Berlin Opfer eines brutalen antisemitischen Angriffs, klagt nun gegen seine eigene Hochschule. Die Vorwürfe sind schwerwiegend – es geht nicht nur um individuelle Untätigkeit, sondern um institutionelles Versagen.

Shapira will eine Feststellung erreichen: dass die Freie Universität Berlin gegen das Berliner Hochschulgesetz verstoßen hat, indem sie nicht ausreichend gegen antisemitische Diskriminierung auf dem Campus vorgegangen ist. Konkret verlangt er vom Gericht, dass die Universität ihrer gesetzlich verankerten Pflicht zur „Beseitigung von Diskriminierungen insbesondere wegen antisemitischer Zuschreibung“ nicht nachgekommen ist. Der Fall trägt das Aktenzeichen VG 12 K 356.24.

Der eigentliche Angriff, bei dem Shapira schwer verletzt wurde, ist längst juristisch verhandelt. Im April dieses Jahres wurde ein ehemaliger Mitstudent zu drei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Doch für Shapira war das Urteil nur ein erster Schritt. Er sieht in dem Angriff nicht nur das Werk eines einzelnen radikalisierten Täters, sondern das Symptom eines Umfelds, in dem Antisemitismus nicht ernst genommen und nicht konsequent bekämpft wird – insbesondere von den Universitätsleitungen.

An der Freien Universität Berlin war Shapira keineswegs nur ein passiver Betroffener. Er engagierte sich aktiv gegen antisemitische Hetze, unter anderem als Administrator einer Chatgruppe mit über 400 Mitgliedern. Dort löschte er regelmäßig Beiträge mit judenfeindlichem Inhalt. Zudem entfernte er an Schwarzen Brettern der Universität Aufrufe antisemitischer Gruppen wie „Young Struggle“, die mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Doch statt Unterstützung zu erhalten, fühlte sich Shapira zunehmend allein. Hinweise auf Bedrohungen und Hetze seien ignoriert oder abgetan worden. Schutzmaßnahmen? Fehlanzeige.

Die Anklage des Studenten fällt in eine Zeit, in der Berlins Hochschulen vermehrt in den Fokus geraten. Gewaltbereite Demonstrationen, antisemitische Parolen, Besetzungen von Hörsälen: Was als Protest gegen die israelische Politik begann, ist vielerorts in blanken Hass umgeschlagen – und trifft längst auch jüdische Studierende, völlig unabhängig von deren politischer Haltung. Besonders an der Freien Universität Berlin, aber auch an der Humboldt-Universität und der TU kam es zuletzt immer wieder zu Angriffen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen im Kontext pro-palästinensischer Proteste.

Der Fall Shapira stellt deshalb auch die Frage nach der Verantwortung öffentlicher Bildungseinrichtungen in Zeiten wachsender Radikalisierung. Kann eine Universität sich auf Neutralität berufen, wenn Studierende in ihrer jüdischen Identität gefährdet werden? Darf sie abwarten, bis Gerichte urteilen – oder muss sie selbst Haltung zeigen, deutlich, unmissverständlich, öffentlich?

Die bisherige Reaktion der FU wirkt eher defensiv als selbstkritisch. Während die Universität regelmäßig betont, sich gegen Diskriminierung zu engagieren, beklagen Betroffene eine Praxis des Verschweigens und eine fehlende Kultur der Solidarität mit jüdischen Studierenden. Es sei eine Atmosphäre entstanden, in der Antisemitismus nicht offen verurteilt, sondern relativiert oder intellektuell bemäntelt werde.

Shapiras Klage könnte zu einem Meilenstein werden – nicht nur für ihn persönlich, sondern für den Umgang deutscher Hochschulen mit Antisemitismus. Wenn das Verwaltungsgericht anerkennt, dass die Universität ihre gesetzlichen Pflichten verletzt hat, wäre das eine juristische Ohrfeige für eine Institution, die sich gern als progressiv und weltoffen gibt. Es wäre zugleich ein Weckruf an alle deutschen Hochschulen: Nicht zu handeln ist auch eine Entscheidung – eine, die im Ernstfall Mitschuld bedeutet.

Was der Prozess offenlegt, ist eine tiefgreifende Unsicherheit vieler Universitäten im Umgang mit Antisemitismus, gerade wenn dieser nicht von Neonazis, sondern aus dem linken oder migrantischen Milieu kommt. Diese Form des Judenhasses, getarnt als „Israelkritik“, wird oft bagatellisiert oder gar protegiert. Jüdische Studierende fühlen sich damit nicht nur physisch bedroht, sondern auch institutionell verraten.

Für Lahav Shapira geht es im Gerichtssaal nicht mehr nur um Gerechtigkeit für sich selbst. Es geht um die Frage, ob sich deutsche Universitäten in Zukunft ihrer Verantwortung stellen – oder weiterhin lieber schweigen, wenn es unbequem wird.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Colin Smith, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68010129


Dienstag, 15 Juli 2025

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