Druck aus Washington: Huckabee warnt Israel vor VisasanktionenDruck aus Washington: Huckabee warnt Israel vor Visasanktionen
Der US-Botschafter kritisiert Israels Umgang mit evangelikalen Gruppen und droht offen mit diplomatischer Vergeltung. Innenminister Arbel zeigt sich irritiert – und verteidigt die israelische Position.
Es ist eine ungewöhnlich deutliche Warnung, die der US-Botschafter in Jerusalem dieser Tage formuliert: Mike Huckabee, selbst ein prominenter Vertreter der evangelikalen Bewegung und enger Vertrauter von Donald Trump, hat der israelischen Regierung in einem Schreiben mit „reziproken Maßnahmen“ bei der Visa-Vergabe gedroht. Der Grund: Israels Innenministerium soll systematisch Einreiseanträge christlicher Organisationen verzögert oder abgelehnt haben. Die israelische Seite widerspricht – und zeigt sich von Ton und Vorgehen des Diplomaten irritiert.
Huckabees Brief wurde am Donnerstag durch einen Bericht des israelischen Nachrichtensenders N12 bekannt. Adressat ist Innenminister Moshe Arbel, doch Kopien gingen an Premierminister Benjamin Netanjahu, Staatspräsident Isaac Herzog, Außenminister Gideon Sa’ar und Knessetpräsident Amir Ohana – ein klares Signal, dass es sich um mehr als einen technischen Disput handelt.
Der Botschafter beklagt in seinem Schreiben, dass evangelikale Gruppen bei der Beantragung kollektiver Visa zunehmend auf bürokratische Hürden stoßen. Statt vereinfachter Verfahren, wie sie lange üblich waren, müssten Vertreter christlicher Organisationen demnach nun detaillierte Angaben zu Glaubensinhalten, Aktivitäten und Besitzverhältnissen in Israel machen. Neue Visa würden vielfach nicht bewilligt, sondern „bis zum Abschluss der Überprüfung ausgesetzt“, heißt es im Bericht. Huckabee schreibt, es sei „unverständlich, dass sich die Lage nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert“. Er warnt: Sollten diese Maßnahmen andauern, werde er seine konsularischen Mitarbeiter anweisen, israelische Antragsteller ebenfalls strenger zu prüfen.
Besonders scharf fällt Huckabees Formulierung in einem zentralen Absatz aus: Es wäre „bedauerlich“, wenn die US-Botschaft gezwungen sei, „öffentlich darüber zu informieren, dass Israel christliche Organisationen schikaniert und negativ behandelt“. Evangelikale Christen in den USA seien Israels wichtigste Unterstützer, „und dennoch behandelt man uns wie Feinde“. Auch sei es nicht vermittelbar, dass christliche Spender millionenschwere Hilfen leisten, aber bei der Einreise auf Ablehnung stoßen. „Sollte sich daran nichts ändern, müssen wir amerikanischen Christen raten, ihre Reisepläne zu überdenken.“
Die Reaktion aus Jerusalem ließ nicht lange auf sich warten. Innenminister Moshe Arbel, der in wenigen Wochen sein Amt abgibt, antwortete am Donnerstag ebenfalls schriftlich. In dem N12 vorliegenden Antwortschreiben zeigt sich Arbel „überrascht“ über die Wortwahl und den Verteilungsweg des Briefes: „In Anbetracht unserer laufenden direkten Kommunikation bin ich verwundert, dass Ihre Vorwürfe auf diese Weise verbreitet wurden.“ Der Minister betont, dass er nach Rücksprache mit Huckabees Anwalt Kyle Michael Myers alle bislang bekannten Fälle persönlich prüfen ließ. Einige der in Huckabees Brief erwähnten Anträge seien ihm bis dahin gar nicht bekannt gewesen.
Arbel widerspricht dem Vorwurf einer systematischen Benachteiligung: „Alle Anträge wurden, soweit sie mich erreichten, zeitnah bearbeitet. Ich habe meine Mitarbeiter entsprechend angewiesen und ein eigenes Team unter Leitung meines Stabschefs mit der weiteren Bearbeitung betraut.“ Der Minister betont, es gebe keine Abweichung von früheren Verfahren. Die Prüfungen dienten allein der Einhaltung geltender Rechtsvorschriften.
Auch der Zeitpunkt der Eskalation wirft Fragen auf: Nur einen Tag vor der Veröffentlichung des Briefes hatte Huckabee öffentlich an einer Gerichtsanhörung im Verfahren gegen Premier Netanjahu teilgenommen – und dort mit einem symbolischen „Bibi“-Püppchen für Aufmerksamkeit gesorgt. In einem Interview deutete Huckabee an, dass Justizverfahren wie das gegen Netanjahu politische Führungsfähigkeit untergraben. Donald Trump – dessen enger Vertrauter Huckabee ist – befinde sich in einer ähnlichen Lage. Der Auftritt wurde in Israel sowohl als Unterstützung für Netanjahu wie auch als Missachtung der israelischen Justiz interpretiert.
Der Tonfall Huckabees ist nicht nur ungewöhnlich deutlich, sondern auch außenpolitisch sensibel. Evangelikale Christen in den USA gelten traditionell als einflussreiche Stütze der israelischen Politik – insbesondere in der republikanischen Partei. Doch gerade ihre starke Bindung an das religiöse Jerusalem, christliche Pilgerstätten und konservative Werte erzeugt in Israel immer wieder Spannungen, insbesondere wenn politische Loyalität mit Erwartungen an Einwanderungspolitik oder religiöse Sonderrechte verknüpft wird.
Dass ausgerechnet ein US-Botschafter, der auf persönlicher Ebene so eng mit Trump verbunden ist, nun der israelischen Regierung mit offenen Sanktionen droht, hat Sprengkraft. Die Affäre trifft Israel zu einem Zeitpunkt, an dem es innenpolitisch geschwächt ist, außenpolitisch stark unter Druck steht – und dringend auf gute Beziehungen zum amerikanischen Kongress angewiesen ist. Der diplomatische Streit dürfte daher nicht ohne Folgen bleiben.
Ob Huckabees Drohung tatsächlich umgesetzt wird, ist noch offen. Doch schon jetzt hat der Brief deutlich gemacht: Die evangelikale Unterstützung für Israel ist nicht bedingungslos – und sie erwartet politische Gegenleistungen. Die israelische Innenpolitik, einst als internes Terrain betrachtet, wird damit zunehmend zur Arena außenpolitischer Interessenkonflikte.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot Youtube
Freitag, 18 Juli 2025