Antisemitische Morddrohung auf Instagram: Und wieder schweigt die Zivilgesellschaft

Antisemitische Morddrohung auf Instagram: Und wieder schweigt die Zivilgesellschaft


Eine Morddrohung gegen jüdische Studierende, verfasst unter einem Instagram-Post – und Deutschland scrollt weiter.

Antisemitische Morddrohung auf Instagram: Und wieder schweigt die Zivilgesellschaft

Es ist ein Satz, der alles sagt – über den Zustand unseres Landes, über das Klima an deutschen Universitäten, über die Normalität antisemitischer Gewaltfantasien. „Ich steche den nächsten Juden ab, am besten eine Mutter, vor ihrem dreckigen Judenkind.“ So steht es geschrieben – nicht in einer obskuren Chatgruppe, nicht in einer dunklen Ecke des Internets, sondern als Kommentar unter einem öffentlichen Instagram-Post zweier jüdischer Studierendenverbände.

Der gemeinsame Beitrag der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und des Verbands Jüdischer Studenten in Bayern (VJSB) stammte aus dem November 2024. Er bezog sich auf die bekannte Szene vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, wo Hamas-nahe Aktivisten per Liveschaltung zu einem „Protestcamp“ zugeschaltet worden waren. Ein Verstoß gegen alle moralischen und rechtlichen Grundregeln – doch die Empörung der Jüdischen war offenbar das Problem. Nicht die Hamas, sondern ihr Kritiker wurde zur Zielscheibe.

Die Morddrohung erreichte die Verbände am 23. Juli 2025. Es folgten eine Anzeige bei der Polizei und eine Meldung an RIAS Bayern. Die Reaktionen? Verhaltener Beifall in der jüdischen Community. Schweigen im Rest der Gesellschaft.

Keine Einzelmeinung – sondern Regel

„Sich in Deutschland heute als Jude oder Jüdin öffentlich zu zeigen, ist ein unumkehrbarer Schritt“, sagt Ron Dekel, Präsident der JSUD. „Einfach jüdisch zu leben, ist momentan kaum denkbar.“ Und was wie eine zugespitzte Formulierung klingt, ist in Wahrheit eine nüchterne Lagebeschreibung. Es braucht keine Kippa, keine Fahne, kein Statement – eine Chanukkia im Hintergrund eines Instagramfotos reicht. Schon wird man zur Zielscheibe.

Jessica Flaster, Vorsitzende des VJSB, formuliert es ebenso klar wie beklemmend: „Viele junge Menschen verbergen ihre jüdische Identität aus Angst vor Anfeindungen. Der Hass, der online beginnt, setzt sich auf der Straße fort.“ Diejenigen, die heute Drohungen schreiben, werfen morgen Flaschen, übermorgen schlagen sie zu.

Die Gleichgültigkeit ist schlimmer als der Hass

Der Skandal ist nicht allein die Morddrohung. Es ist die Abgestumpftheit, mit der sie in der deutschen Öffentlichkeit hingenommen wird. Es ist nicht der erste antisemitische Kommentar dieser Art – und es wird nicht der letzte sein. Denn Konsequenzen folgen kaum. Betroffene berichten regelmäßig davon, dass Verfahren eingestellt, Täter nicht ermittelt, Anzeigen verschleppt werden.

Man kann jüdischen Studentinnen nicht vorwerfen, dass sie lieber ihren Nachnamen verschweigen. Man kann es ihnen nicht verübeln, dass sie sich zurückziehen, keine Bilder posten, keine Kommentare mehr schreiben. Denn das Netz ist kein Raum des Diskurses. Es ist für viele längst ein Raum der Angst.

Von der Instagram-Wut zur realen Gewalt

Der Weg vom digitalen Hass zur physischen Gewalt ist kein weiter. Die Morddrohung vom 23. Juli erinnert erschreckend an die Sprache jener, die auf Berliner Straßen „Juden ins Gas“ riefen – oder jene, die im Oktober 2023 aus ihren Fenstern jubelten, als Jüdinnen in Israel vergewaltigt, verbrannt und ermordet wurden. Die Täter im Internet sind keine Trolle. Sie sind Teil eines Klimas, das jüdisches Leben in Deutschland wieder in Frage stellt.

Und währenddessen geben Universitäten Plattformen für Israelhass, die ARD moderiert Antisemitismus weg und Politiker erklären jüdische Selbstverteidigung zum „Problem der Eskalation“. Wer sich zu Israel bekennt – oder einfach nur zu seinem Judentum – wird nicht als Diskussionspartner gesehen, sondern als Provokateur.

Es reicht. Nicht irgendwann. Jetzt.

Es braucht nicht noch mehr Gedenkveranstaltungen, Appelle und Lippenbekenntnisse. Es braucht Sicherheit. Es braucht Konsequenz. Und es braucht eine Gesellschaft, die versteht, dass jüdisches Leben kein Nebenschauplatz im Kampf gegen rechts, links oder Islamismus ist – sondern die Messlatte dafür, ob eine Gesellschaft überhaupt zivilisiert ist.

Antisemitismus in Deutschland ist kein Schatten der Geschichte. Er ist die Realität von heute. Und wenn eine Drohung wie diese nicht zum Aufschrei führt, dann ist das Problem größer als der Täter.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild


Donnerstag, 31 Juli 2025

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