Antisemitismus außer Kontrolle: Weltweit fast 700 Vorfälle im August – und das ist nur die Spitze des Eisbergs

Antisemitismus außer Kontrolle: Weltweit fast 700 Vorfälle im August – und das ist nur die Spitze des Eisbergs


Ein neuer Bericht dokumentiert fast 700 antisemitische Vorfälle im August 2025 – ein Anstieg um über 15 Prozent. Besonders in den USA und Europa ist der Hass sichtbar. Doch hinter den Zahlen verbirgt sich eine noch größere, unsichtbare Realität.

Antisemitismus außer Kontrolle: Weltweit fast 700 Vorfälle im August – und das ist nur die Spitze des Eisbergs

Es sind Zahlen, die nüchtern wirken – und zugleich erschüttern: 694 antisemitische Vorfälle weltweit allein im August 2025. Das bedeutet: durchschnittlich mehr als 22 antisemitische Angriffe, Bedrohungen oder Hetzaktionen pro Tag. Der Bericht des Combat Antisemitism Movement zeigt einen Anstieg um 15,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und sogar einen Sprung von 25 Prozent im Vergleich zum Juli 2025. Damit erreicht die Statistik neue Höchststände. Und doch gilt: Diese Zahlen bilden nur das Hellfeld ab – also das, was offiziell erfasst und gemeldet wurde. Das Dunkelfeld ist weit größer.

USA an der Spitze – Deutschland im Schatten

Besonders auffällig ist die Situation in den USA. Mit 162 dokumentierten Vorfällen im August liegen sie weltweit an der Spitze. In New York, Heimat der größten jüdischen Gemeinde außerhalb Israels, wurden allein 34 Fälle gezählt. Texas folgte mit 25, Kalifornien mit 19, Illinois mit 8 und Massachusetts mit 5. Damit wird deutlich: Jüdinnen und Juden, die knapp elf Prozent der Bevölkerung New Yorks stellen, sind überproportional von Hasskriminalität betroffen – mehr als die Hälfte aller gemeldeten Hassdelikte richteten sich gegen sie.

Europa steht kaum besser da. Griechenland verzeichnete 108 Vorfälle, das Vereinigte Königreich 92, Frankreich 22 und Kanada 32. Und Deutschland? Hier lagen die Zahlen für den August noch nicht vollständig vor, doch der Jahresrückblick 2024 ist erschütternd: 8.627 antisemitische Vorfälle in nur einem Jahr, fast doppelt so viele wie 2023. Das bedeutet: Jeden Tag mindestens 24 Meldungen – und auch hier nur die Spitze des Eisbergs.

Formen des Hasses: von Schmierereien bis Gewalt

Die Analyse zeigt, wie breit das Spektrum ist. 91 Fälle im August betrafen Sachbeschädigungen und Vandalismus – Synagogen, Schulen, Privathäuser jüdischer Familien, oft beschmiert mit Hakenkreuzen oder Drohparolen. 39 Vorfälle beinhalteten direkte Gewalt oder Gewaltandrohungen: von körperlichen Angriffen über Bombendrohungen bis hin zu gezielten Einschüchterungen.

Was abstrakt klingt, bedeutet in der Realität: Kinder, die nicht mehr in ihre Schule gehen wollen. Familien, die Angst haben, ihren Namen an der Klingel zu lassen. Rabbiner, die Polizeischutz brauchen, um einen Gottesdienst zu feiern. Das Klima des Hasses frisst sich in den Alltag hinein.

Antisemitismus ist keine Randerscheinung

Wer glaubt, es handle sich um isolierte Ausreißer, irrt. Schon die Dokumentation der Bewegung zeigt, dass Antisemitismus ein globales Muster ist: von Los Angeles bis Athen, von Berlin bis Toronto. Getrieben wird er von unterschiedlichen Milieus – rechtsextremen Netzwerken, islamistischen Gruppen, „Israel-Kritikern“, die ihre Feindschaft gegen den jüdischen Staat in plumpen Hass ummünzen, und auch von verschwörungsideologischen Bewegungen, die den alten Mythos vom „bösen Juden“ in modernen Parolen fortschreiben.

Hinzu kommt das Internet. Dort sind Hakenkreuze, Hassvideos und Boykottaufrufe oft nur einen Klick entfernt. Die sozialen Netzwerke multiplizieren, was früher am Stammtisch blieb. Eine Schmähung in New York kann binnen Minuten in Berlin geteilt werden – und umgekehrt.

Die Dunkelziffer ist gewaltig

Noch alarmierender ist, dass der Bericht ausdrücklich von einer massiven Untererfassung ausgeht. Viele Betroffene melden Übergriffe nicht mehr – aus Angst, aus Resignation oder weil sie das Vertrauen in die Behörden verloren haben. Nach dem Massaker des 7. Oktober 2023 und dem folgenden Krieg in Gaza berichten jüdische Gemeinden weltweit von einer Welle an Drohungen und Anfeindungen, die bei Weitem nicht statistisch sichtbar wird.

Das heißt: Die Realität ist weit schlimmer als die 694 Fälle im August nahelegen. Die Zahl ist nur der sichtbare Teil eines weitaus größeren Problems.

Konsequenzen gefordert

Die nackten Zahlen allein dürfen nicht stehen bleiben. Sie sind ein Auftrag. Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Angriff auf die Demokratie. Deshalb müssen Justiz, Polizei und Politik klarer reagieren. Strafverfahren dürfen nicht versanden. Schulen müssen sensibilisiert, Sicherheitsmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen ausgebaut werden. Vor allem aber muss die Gesellschaft erkennen: Jede Bagatellisierung öffnet dem Hass die Tür.

Das Wiederauftauchen von Schildern wie in Flensburg, wo ein Ladenbesitzer „Juden unerwünscht“ an seine Tür klebte, ist kein Einzelfall. Es reiht sich ein in ein Muster, das sich von Graffiti über Gewalt bis hin zu offenen Boykottaufrufen zieht. Die Parallelen zu den 1930er Jahren sind unübersehbar – und sie dürfen nicht ignoriert werden.

Antisemitismus bekämpfen heißt Demokratie verteidigen

Die globale Dimension macht deutlich: Antisemitismus ist nicht an Landesgrenzen gebunden. Er ist ein internationales Gift, das alte Vorurteile mit neuen politischen Konflikten verbindet. Wer ihn bekämpfen will, muss ihn überall bekämpfen – in der Schule, auf der Straße, im Netz, in den Parlamenten.

Der Bericht für August 2025 ist daher kein nüchterner Befund, sondern ein Weckruf. Wenn heute im Schnitt mehr als 22 antisemitische Vorfälle pro Tag erfasst werden, dann zeigt das, dass die Saat längst aufgegangen ist. Es ist eine Prüfung für Demokratien weltweit: Wegschauen heißt scheitern. Handeln heißt verteidigen, was uns allen gehört.


Autor: Redaktion
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Mittwoch, 24 September 2025

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