Nach Ausladung: Michel Friedman kontert Klütz mit Auftritt – und wirft der Stadt Heuchelei vorNach Ausladung: Michel Friedman kontert Klütz mit Auftritt – und wirft der Stadt Heuchelei vor
Die Absage an Michel Friedman sorgt für eine Debatte weit über Klütz hinaus. Ging es wirklich um Kosten – oder um die Angst vor Anfeindungen? Friedman spricht von „peinlicher Heuchelei“ und will am Montag erst recht auftreten.
Die kleine Stadt Klütz im Landkreis Nordwestmecklenburg hat es binnen weniger Tage in die Schlagzeilen der Republik geschafft. Eigentlich hätte Michel Friedman, Publizist, Autor und Sohn von Holocaust-Überlebenden, anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt im dortigen Literaturhaus über Demokratie sprechen sollen. Doch die Stadt lud Friedman aus – mit Verweis auf zu hohe Kosten. Friedman aber widerspricht entschieden und nennt die Entscheidung „eine Farce und ein peinliches Ablenkungsmanöver“.
Zwischen Kostenargument und Sicherheitsbedenken
Offiziell betont Bürgermeister Jürgen Mevius (UWG), Friedmans Honorar habe das übliche Budget für Autorenlesungen weit übertroffen. Doch die Darstellung ist brüchig. Der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, erklärte, es habe externe Sponsoren gegeben – Kosten wären für die Stadt nicht angefallen. Stattdessen habe er erheblichen Druck verspürt: Hinweise auf mögliche Demonstrationen, Drohungen mit beruflichen Konsequenzen. Für Hintz ist klar: „Das war eine politische Entscheidung – keine finanzielle.“
Genau an diesem Punkt setzt Friedmans Kritik an: „Wenn Sicherheitsbedenken bestehen, ist es die Aufgabe des Staates, Sicherheit zu gewährleisten, nicht, einen Autor auszuladen.“ Seine Worte verweisen auf ein bekanntes Muster: Sobald antisemitische Proteste drohen, wird nicht die Bedrohung bekämpft, sondern die Präsenz der jüdischen Stimme eingeschränkt.
Ein Signal weit über Klütz hinaus
Dass Friedman nicht schweigt, sondern nun am Montag bei einer Kundgebung des PEN Berlin selbst auftreten will, ist kein Zufall. PEN Berlin hatte die Ausladung als „skandalöses Signal“ kritisiert. Demokratie, so die Vereinigung, dürfe nicht durch Einschüchterung an den Rand gedrängt werden. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Kultusministerin Bettina Martin (SPD) sprach von einem „verheerenden Zeichen“.
Damit wird Klütz unfreiwillig zum Brennglas für eine größere Frage: Wie gehen deutsche Städte und Institutionen mit antisemitischen Drohungen um? Wird jüdisches Engagement geschützt – oder wird es aus Angst marginalisiert?
Parallelen zu den Vorwürfen gegen Israel
Die Dynamik erinnert frappierend an internationale Debatten rund um Israel. Immer wieder steht nicht der Antisemitismus selbst im Fokus, sondern die Frage, ob jüdische Präsenz oder israelische Politik „provokativ“ sei. Genau dieses Muster zeigt sich nun in Klütz: Statt Bedrohungen klar zu benennen und dagegenzuhalten, wird dem Betroffenen – Friedman – der „Preis“ auferlegt.
So wie Israel auf der internationalen Bühne unablässig mit Vorwürfen überzogen wird – oft ohne Beweise, häufig als Teil propagandistischer Kampagnen –, so wird auch Friedman zur Projektionsfläche. Der Schwarze Peter liegt plötzlich nicht bei denjenigen, die drohen, sondern bei dem, der seine Stimme erhebt.
Für Friedman selbst ist die Angelegenheit deshalb mehr als eine Terminabsage. Es geht um Glaubwürdigkeit: „Wer Demokratie beschwört, muss sie auch aushalten, wenn sie unbequem ist.“ Seine Worte sind Mahnung und Anklage zugleich. Denn im Kern geht es darum, ob Deutschland gelernt hat, jüdische Stimmen nicht nur zu tolerieren, sondern aktiv zu schützen.
Dass Friedman nun in Klütz sprechen wird – nicht im Literaturhaus, sondern auf einer öffentlichen Kundgebung – verleiht dem Vorgang zusätzliche Brisanz. Dort wird er nicht über Honorare oder Räume reden, sondern über die Grundfrage, wie viel die Gesellschaft bereit ist, für die Freiheit der Rede und den Schutz jüdischer Intellektueller einzusetzen.
Die Kontroverse dürfte damit noch lange nicht beendet sein. Schon jetzt warnen Beobachter, dass Klütz zu einem Symbolfall werden könnte: für die Frage, ob Deutschland im Jahr 2025 fähig ist, jüdische Stimmen vor Einschüchterung zu bewahren – oder ob es erneut in alte Muster verfällt, in denen Kosten, Ausreden und „Sicherheitsgründe“ vorgeschoben werden, um das eigentliche Problem nicht beim Namen nennen zu müssen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Dr. Frank Gaeth - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=140529255
Donnerstag, 25 September 2025