Verharmlosung im rbb: Wenn Antisemitismus zur „Repressionserfahrung“ erklärt wirdVerharmlosung im rbb: Wenn Antisemitismus zur „Repressionserfahrung“ erklärt wird
Das rbb-Interview mit dem Konfliktforscher Jannis Grimm offenbart ein gefährliches Muster: Antisemitische Parolen und Hamas-Sympathien auf deutschen Straßen werden relativiert – und die Verantwortung der Täter wird in Frust und Polizeikonflikte umgedeutet.
Wer das Interview des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) mit dem Konfliktforscher Jannis Grimm gelesen hat, konnte kaum fassen, wie weit sich Teile der akademischen Deutung von der Realität entfernt haben. Während jüdische Bürger in Berlin seit zwei Jahren in Angst leben, weil palästinensische Demonstrationen immer wieder in blanken Hass auf Israel und Juden umschlagen, beschreibt Grimm diese Bewegung als fast schon nachvollziehbare Reaktion auf „Repression“ und „Stigmatisierung“. Antisemitismus wird in diesem Bild nicht als Problem, sondern als Symptom einer vernachlässigten Minderheit verpackt. Das ist nicht nur eine Verharmlosung – es ist brandgefährlich.
Besonders pikant ist dabei Grimms institutioneller Hintergrund: Er arbeitet an der Freien Universität Berlin – jener Hochschule, die in den vergangenen Monaten durch israelfeindliche Vorfälle Schlagzeilen machte. Dort trat die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese auf, die immer wieder Israels Existenzrecht relativiert, und dort wurde ein jüdischer Student wegen seiner Haltung zu Israel tätlich angegriffen. Dass ausgerechnet von diesem akademischen Umfeld vermeintlich neutrale Analysen stammen, die Antisemitismus als „Frust“ uminterpretieren, zeigt, wie tief die Relativierung bereits in den Strukturen verankert ist.
Grimm erklärt, dass sich die pro-palästinensische Szene in Berlin zunehmend von der Mehrheitsgesellschaft abgewandt habe und heute vor allem aus migrantischen Gruppen, linken Bündnissen und sogenannten antizionistischen Juden bestehe. Hamas- und Hisbollah-Sympathien gebe es zwar, aber die seien angeblich nur Randerscheinungen. Doch wer die Parolen „From the river to the sea“ hört, wer Israel-Flaggen verbrannt und Terror-Symbole auf den Straßen Berlins gesehen hat, weiß, dass diese Darstellung die Realität glattbügelt. Hier wird nicht nur gegen eine Regierung protestiert – hier wird die Existenz Israels in Frage gestellt.
Besonders problematisch ist der Kern von Grimms Argumentation: Der „Frust“ über die Lage in Gaza und die angebliche Stigmatisierung durch die deutsche Öffentlichkeit hätten die Bewegung so verhärtet, dass es gar nicht mehr darum gehe, die deutsche Mehrheitsgesellschaft mitzunehmen. Mit anderen Worten: Diese Proteste wenden sich bewusst von demokratischen Diskursen ab und suchen ihre Legitimation im Jubel internationaler Aktivisten-Szenen. Das ist nicht Ausdruck von Integration, sondern ein selbstgewählter Rückzug in Parallelstrukturen, die Israelhass und Antisemitismus zur verbindenden Ideologie machen.
Noch irritierender: Der rbb präsentiert diese Analyse ohne kritische Nachfrage. Es wird nicht hinterfragt, warum Antisemitismus auf deutschen Straßen immer wieder verharmlost wird. Es wird nicht nachgehakt, warum die Polizei, die mit massivem Judenhass konfrontiert ist, als Hauptproblem dargestellt wird. Stattdessen entsteht beim Publikum der Eindruck, es handle sich um eine Art berechtigte Protestbewegung, deren Radikalisierung fast zwangsläufig sei.
Dabei zeigen die Fakten ein anderes Bild. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 sind antisemitische Vorfälle in Deutschland explodiert. Juden wurden bespuckt, bedroht, ihre Einrichtungen attackiert. Schulen raten jüdischen Kindern, das Davidstern-Amulett nicht mehr offen zu tragen. Vor Synagogen müssen Polizisten rund um die Uhr Wache stehen. Und auf den Straßen Berlins marschieren Tausende, die Israel das Existenzrecht absprechen. Wer all das als „Frust“ umdeutet, betreibt Entlastung für Täter und schiebt Verantwortung von den Demonstranten auf die Gesellschaft.
Dass gerade öffentlich-rechtliche Medien solchen Stimmen Raum geben, ist ein Skandal für sich. Anstatt klar zwischen legitimer Kritik an Regierungspolitik und antisemitischer Hetze zu unterscheiden, wird verschwommen, relativiert und damit normalisiert. Die Wirkung ist fatal: Der Eindruck, dass Israelhass in Deutschland sagbar und akzeptabel geworden ist, verstärkt sich. Für Juden bedeutet das noch weniger Sicherheit.
Es braucht an dieser Stelle Klartext: Wer Parolen der Hamas ruft, wer Hisbollah-Fahnen schwenkt oder Israels Vernichtung fordert, hat nichts mit Menschenrechten zu tun. Wer das legitimiert, macht sich mitschuldig an einer Entwicklung, die Juden in Deutschland wieder an den Rand drängt. Und wer das als Wissenschaftler oder Journalist unkommentiert verbreitet, stellt die Fakten auf den Kopf.
Statt Verharmlosung bräuchte es ein entschiedenes Nein: Nein zu Antisemitismus, egal ob er sich als „Solidarität mit Gaza“ tarnt. Nein zu Terror-Sympathien, die als politischer Aktivismus verklärt werden. Nein zu einem Klima, in dem Juden ihre Kippa verstecken müssen, während andere ungestört die Fahne einer Terrororganisation tragen.
Deutschland hat eine besondere Verantwortung: Nicht, Antisemitismus zu relativieren, sondern ihn klar zu benennen und zu bekämpfen. Wer diese Verantwortung verwässert, spielt mit dem Feuer – und zwar auf dem Rücken derjenigen, die ohnehin schon die Hauptlast tragen: die jüdische Gemeinschaft in Deutschland.
Autor: Andeas Krüger
Bild Quelle: Door Fridolin freudenfett - Eigen werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=87485183
Samstag, 27 September 2025