Kein sicherer Hafen für Schlächter: Berlin verhaftet syrischen Milizionär Anwar S.Kein sicherer Hafen für Schlächter: Berlin verhaftet syrischen Milizionär Anwar S.
Er präsentierte sich als Flüchtling, der vor dem Krieg geflohen sei. Doch Zeugenberichte zeigen: Anwar S. war Teil der gefürchteten Schabiha-Miliz, verantwortlich für Folter und Mord in Aleppo. Seine Festnahme in Berlin ist ein Meilenstein der europäischen Justiz – und ein Signal an alle Kriegsverbrecher: Europa ist kein Zufluchtsort.
Vor fünf Jahren kam Anwar Sultan nach Deutschland. Offiziell als Flüchtling, auf der Suche nach Sicherheit. Doch hinter dieser Fassade steckte einer der gefürchtetsten Handlanger des Assad-Regimes. Sultan war Mitglied der berüchtigten Schabiha-Miliz in Aleppo – einer Bande, die schon zu Beginn des syrischen Aufstands 2011 friedliche Demonstranten zusammenschlug, verschleppte, folterte und tötete.
Zeugenberichte und Dokumente belegen, dass Anwar S. gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Proteste brutal niederschlug. Ein Video vom 22. Juli 2011, aufgenommen in der Amna-bint-Wahb-Moschee, zeigt ihn dabei, wie er einen Aktivisten mit einem Stock misshandelt. Später übergab er Gefangene an die syrische Militärsicherheit – viele von ihnen verschwanden für immer.
Auch nach seiner Ankunft in Deutschland änderte Sultan sein Verhalten nicht. Laut Zeugen setzte er seine Aktivitäten im Verborgenen fort – diesmal unter dem Deckmantel von „Geschäften“. Berichte sprechen von illegalen Geldtransfers über das Hawala-System in Berlin, die zur Finanzierung von Netzwerken des Assad-Regimes dienten.
Syrische Aktivisten schildern, dass Anwar S. in Berliner Nachtclubs ein ausschweifendes Leben führte und in Cafés verkehrte, die mit dubiosen Geschäftspartnern verbunden waren. All dies unter den Augen jener Flüchtlinge, die ihn als Täter von Folter und Mord in Aleppo wiedererkannten.
Nun hat die deutsche Polizei zugeschlagen. Mit Anwar S. Festnahme reiht sich sein Fall in eine Serie von Prozessen ein, die Europa seit Jahren führt. Deutschland gilt dabei als Vorreiter: In Koblenz wurden 2021 erstmals hochrangige Mitglieder der syrischen Geheimdienste wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Frankreich, die Niederlande und andere Länder ziehen nach.
Die Grundlage ist das Prinzip der universellen Jurisdiktion: Wer Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, soll nirgendwo auf der Welt sicher sein – auch nicht außerhalb des Tatorts. Menschenrechtsorganisationen wie Syrian Archive oder das European Center for Constitutional and Human Rights sammeln seit Jahren Beweise und treiben Prozesse voran.
„Kein Frieden ohne Gerechtigkeit, keine Straffreiheit, kein sicherer Hafen für Kriminelle“, sagte der syrische Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni nach der Festnahme. Für viele Opfer und Zeugen ist dieser Schritt ein späte, aber überfällige Genugtuung.
Ein Mann berichtete, er sei 2011 von Anwar S. persönlich geschlagen und dann an die Sicherheitskräfte übergeben worden. Zehn Jahre später half er mit seinen Aussagen, den Täter in Europa zu überführen.
Der Fall Anwar S. zeigt zweierlei: Zum einen, dass Täter nicht einfach im Strom der Geflüchteten untertauchen können. Zum anderen, dass Europa Verantwortung übernimmt – nicht nur, indem es Opfern Schutz gewährt, sondern auch, indem es Täter vor Gericht bringt.
Gleichzeitig macht der Fall deutlich, dass noch Hunderte mutmaßliche Kriegsverbrecher unbehelligt in Europa leben. Verfahren dauern oft Jahre, während Opfer und Zeugen schnelle Gerechtigkeit fordern.
Autor: Redaktion
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Samstag, 04 Oktober 2025