Der Tag, an dem die Musik verstummte

Der Tag, an dem die Musik verstummte


Im ehemaligen Flughafen Tempelhof erinnert die Ausstellung „The Nova Music Festival Exhibition“ an den 7. Oktober – an das Massaker der Hamas, an die ausgelöschten Leben und an die, die weiter erzählen. Es ist kein Ort des Trostes, sondern der Wahrheit.

Der Tag, an dem die Musik verstummte

Es beginnt mit Musik. Junge Menschen tanzen im Sonnenaufgang der Wüste von Re’im, lachen, feiern das Leben. Ein Film zeigt ihre Gesichter, ihr Glück. Dann ein Schnitt. Sirenen, Schreie, Chaos. „Musik stoppen! Raketen in der Luft!“ ruft jemand. Das Licht flackert, der Film bricht ab.
So abrupt, wie am 7. Oktober 2023 die Welt dieser Menschen endete.

Die Berliner Ausstellung „The Nova Music Festival Exhibition“ trägt den Untertitel The Moment Music Stood Still – der Moment, in dem die Musik verstummte. Sie erinnert an das, was an jenem Morgen geschah, als Terroristen der Hamas das Festival überfielen, Hunderte ermordeten und Dutzende verschleppten. Ein Ort, an dem Glück in Grauen umschlug – und an dem das Menschsein selbst auf die Probe gestellt wurde.

Wer die Räume im alten Flughafen Tempelhof betritt, findet kein Museum im klassischen Sinn. Es ist eine Rekonstruktion – Zelte, Hängematten, eine Bar, Gläser, Flaschen, Handys, Schuhe. Alles wirkt, als wären die Menschen eben noch da gewesen. Doch das Leben ist verschwunden. Nur die Dinge blieben zurück – als stumme Zeugen eines Massakers.

Über Bildschirme flackern Originalaufnahmen. Man hört verzweifelte Stimmen, Sprachnachrichten aus Todesangst. Menschen suchen nach Freunden, finden nur Leichen. Die Stille zwischen den Schreien ist fast greifbar. Sie macht den Schmerz körperlich.

Zweimal am Tag sind Überlebende anwesend. Eine von ihnen ist Amit Levy. Sie war 23, fast noch ein Kind, als sie an jenem Morgen durch die Wüste rannte, während Maschinengewehrsalven hinter ihr krachten. Ihr Freund wurde ermordet. Sie überlebte neun Stunden Flucht und sagt heute: „Ich bin die Stimme derer, die nicht mehr sprechen können.“
Ihre Worte hängen im Raum wie ein Schwur.

Auch Ofir Amir, Mitbegründer des Festivals, hat überlebt – schwer verletzt. Für ihn ist diese Ausstellung mehr als Erinnerung: Sie ist eine Antwort auf Lügen. „Viele Menschen beziehen ihre Informationen aus sozialen Medien, wo Hass und Antisemitismus verbreitet werden“, sagt er. „Diese Ausstellung zeigt, was wirklich geschah.“

In Berlin, zwei Jahre nach dem Massaker, begegnet man hier keiner Vergangenheit, sondern einer Gegenwart, die nicht vergeht. Es ist ein Ort, der uns zwingt hinzusehen, statt weiterzublättern. Kein geschützter Raum, kein Filter. Nur das, was war – und was nie vergessen werden darf.

Am Ende steht der „Raum der Heilung“. Dort wird nicht über den Tod gesprochen, sondern über das Überleben. „We will dance again“, steht in großen Lettern an der Wand. Kein Satz der Leichtigkeit, sondern des Widerstands.

Und doch bleibt etwas zurück, das sich nicht benennen lässt. Kein Film, kein Raum, kein nachgebautes Zelt kann wirklich zeigen, was in jener Nacht geschah. Es gibt kein Bild, das den Verlust begreifbar machen könnte. Das Unfassbare bleibt, was es ist – unfassbar. Aber vielleicht ist genau darin die Wahrheit dieser Ausstellung zu finden: Sie will nicht erklären, sie will spürbar machen, dass hinter jedem dieser zurückgelassenen Gegenstände ein Mensch stand. Ein Leben, das zählte. Ein Leben, das ausgelöscht wurde, weil andere entschieden, dass es nicht zählen dürfe.

Zwischen den Zelten, den Bildern, den Schuhen liegt mehr als Erinnerung.
Es liegt die stille Aufforderung, hinzusehen, wenn andere wegsehen.
Und die Mahnung, dass die Musik nur dann wieder erklingen kann, wenn die Wahrheit gehört wird.

Wer diesen Ort besuchen möchte, kann dies noch bis zum 16. November 2025 tun.
Die Ausstellung „The Nova Music Festival Exhibition“ ist im ehemaligen Flughafen Tempelhof, Platz der Luftbrücke 2, Berlin, zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag, Samstag und Sonntag von 11 bis 20 Uhr, Freitag von 11 bis 18 Uhr.
Weitere Informationen finden sich auf der offiziellen Website: https://novaexhibition.com/


Autor: Redaktion
Bild Quelle: NovaExhibition


Dienstag, 07 Oktober 2025

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