Wenn Liberalismus sich selbst verrät – Warum die Ehrung von Benjamin Idriz ein politisches Desaster ist

Wenn Liberalismus sich selbst verrät – Warum die Ehrung von Benjamin Idriz ein politisches Desaster ist


Der Imam Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten – obwohl er Israel in unerträglicher Weise diffamiert. Eine Stiftung, die sich Liberalität auf die Fahnen schreibt, ehrt damit einen Mann, der das Gegenteil von Aufklärung verkörpert. Das ist mehr als nur ein Fehlurteil – es ist ein moralischer Offenbarungseid.

Wenn Liberalismus sich selbst verrät – Warum die Ehrung von Benjamin Idriz ein politisches Desaster ist

Manchmal reicht ein Preis, um eine ganze Idee zu beschädigen. Der Thomas-Dehler-Preis, einst Symbol für Mut, Freiheit und intellektuelle Redlichkeit, steht in diesem Jahr vor seiner größten Entwertung. Benjamin Idriz, Imam aus Penzberg, soll ihn erhalten – jenen Preis, der an das Erbe eines Mannes erinnert, der im Widerstand gegen die Nationalsozialisten stand, an seiner jüdischen Ehefrau festhielt und Liberalismus als Verpflichtung verstand: für Wahrheit, gegen Feigheit.

Was aber bleibt von diesem Erbe, wenn man es an jemanden vergibt, der Antisemitismus in verklausulierter Form reproduziert? Idriz forderte, dass sich die jüdische Gemeinde in Deutschland von der israelischen Regierung distanzieren solle – und begründete dies mit einem grotesken Vergleich: Muslime hätten sich vom sogenannten Islamischen Staat distanziert, daher sollten Juden dasselbe gegenüber Israel tun. Der demokratische Staat Israel wird so auf eine Stufe mit einem Terrorregime gestellt. Wer das tut, betreibt nichts weniger als die moralische Gleichsetzung von Tätern und Opfern.

Damit nicht genug. Idriz behauptete sinngemäß, eine solche Distanzierung hätte Antisemitismus verhindern können – als sei Judenhass eine Reaktion auf jüdisches Verhalten und nicht ein uraltes, mörderisches Vorurteil. Diese Rhetorik entlarvt nicht nur ein gefährliches Denken, sondern offenbart, wie tief das Missverständnis über Freiheit und Verantwortung reichen kann. Dass eine liberale Stiftung so etwas überhört, ist ein politisches und moralisches Versagen ersten Ranges.

Die Israelitische Kultusgemeinde München hat längst alle Kontakte zu Idriz abgebrochen. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtete seine Gemeinde zwischen 2007 und 2010 wegen islamistischer Bezüge. Doch anstatt daraus Konsequenzen zu ziehen, wird er nun von einer Institution geehrt, die sich dem Kampf gegen Extremismus verpflichtet fühlt.

Die Reaktionen innerhalb der liberalen Szene schwanken zwischen Entsetzen und Ratlosigkeit. Saba Farzan, Politikwissenschaftlerin und Autorin, spricht offen von einem „Schlag ins Gesicht für alle Liberalen“. Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft hatte Kritik geäußert – die Thomas-Dehler-Stiftung wischte sie beiseite. Ihr Vorsitzender Thomas Hacker reagierte herablassend, tat Kritik als „links-grün motiviert“ ab und schwieg zu den Einwänden aus den eigenen Reihen.

Das alles geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem Juden in Deutschland wieder bedroht, angefeindet und gesellschaftlich isoliert werden. In dieser Situation eine Stimme wie Idriz zu ehren, ist nicht bloß taktlos – es ist eine Verhöhnung jener, die für Aufklärung, Freiheit und Säkularität kämpfen.

Liberale müssten wissen: Wer heute die Opfer von Antisemitismus im Stich lässt, verliert morgen seine moralische Autorität. Es ist die Pflicht eines liberalen Denkens, sich vor jene zu stellen, die Freiheit verteidigen – Juden, säkulare Muslime, Frauen, die gegen religiöse Unterdrückung kämpfen. Stattdessen ehrt man einen Prediger, der spaltet, relativiert und ideologisch instrumentalisiert.

Die Frage ist daher nicht, ob Benjamin Idriz preiswürdig ist. Die Frage lautet: Wie konnte es so weit kommen, dass niemand in dieser Stiftung den Mut hatte, „Nein“ zu sagen? Wie konnte jemand wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, eine Frau, die einst aus Prinzip ihr Ministeramt aufgab, sich bereit erklären, die Laudatio auf einen Mann zu halten, der Israel auf die Stufe eines Terrorstaates stellt?

Wenn sich eine Stiftung, die Liberalismus verteidigen will, in solchem moralischen Nebel verliert, dann ist nicht Benjamin Idriz das eigentliche Problem – sondern die Feigheit, ihn nicht als das zu benennen, was er ist: ein politisch gefährlicher Prediger mit pseudoliberaler Fassade.

Der Thomas-Dehler-Preis wurde einst vergeben, um Zivilcourage zu ehren. Heute steht er, sollte diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden, für das Gegenteil: für ein falsches Verständnis von Toleranz, das ausgerechnet Intoleranz salonfähig macht.

Wenn Liberalismus das nicht mehr erkennt, hat er sich selbst verraten.


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: Von blu-news.org - Flickr: Imam Bajrambejamin Idriz, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33267528


Mittwoch, 29 Oktober 2025

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