Karoline Preisler: „Wir haben verlernt, Antisemitismus beim Namen zu nennen“Karoline Preisler: „Wir haben verlernt, Antisemitismus beim Namen zu nennen“
Sie spricht unbequeme Wahrheiten aus – und zahlt dafür einen Preis. Karoline Preisler, Juristin und Publizistin, warnt vor der schleichenden Normalisierung des Judenhasses in Deutschland. Nach dem 7. Oktober ist sie zur Zielscheibe geworden, weil sie nicht schweigt.
Karoline Preisler ist keine Person, die sich in Schubladen stecken lässt. Sie ist liberal, klar, analytisch – und sie ist wütend. Wütend auf eine Gesellschaft, die sich selbst für tolerant hält, während Juden in Deutschland wieder lernen müssen, ihre Kippa in der Tasche zu lassen. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 erlebt sie, wie sich das Klima verändert hat – in den Straßen, an Schulen, in den sozialen Netzwerken.
„Was mich schockiert, ist nicht nur der Hass der Antisemiten“, sagt sie, „sondern das Schweigen der Anständigen.“
Zwischen Angst und Apathie
In ihren öffentlichen Auftritten spricht Preisler offen über die Folgen der antisemitischen Gewaltwelle, die seit dem Hamas-Terror durch Europa schwappt. Sie schildert, wie Juden in Deutschland zur Zielscheibe werden, nicht in finsteren Hinterhöfen, sondern in Universitäten, Behörden und Medien.
„Nach dem 7. Oktober wurde der Antisemitismus nicht neu geboren – er wurde sichtbar“, erklärt sie. Dass ausgerechnet jene, die sich sonst moralisch über alles empören, beim Thema Israel relativieren, hält sie für ein Symptom gesellschaftlicher Heuchelei: „Man nennt sich humanistisch, aber wenn es um jüdisches Leben geht, wird plötzlich differenziert, abgewogen, gezögert.“
Preisler beobachtet, wie sich eine neue Form der Kälte in den politischen Diskurs schleicht: Empathie für Juden gilt als verdächtig, Solidarität mit Israel als „rechts“. „Das ist absurd“, sagt sie. „Wenn das Eintreten für die einzige Demokratie im Nahen Osten als Provokation gilt, hat die politische Mitte ihr Rückgrat verloren.“
Die Feigheit der Institutionen
Besonders scharf kritisiert sie deutsche Bildungs- und Kulturinstitutionen. Viele Hochschulen und Stiftungen, so sagt sie, beugen sich lautlos dem Druck aggressiver Anti-Israel-Aktivisten. „Man lädt Antisemiten zu Diskussionsrunden ein, weil man Angst hat, sonst intolerant zu wirken. Aber wer Antisemiten eine Bühne bietet, verrät die Demokratie.“
Preisler erzählt, wie sie selbst nach klaren Stellungnahmen zu Israel mit Hassnachrichten überflutet wurde. Sie erhielt Morddrohungen, ihr Haus wurde beschädigt, die Polizei musste sie zeitweise schützen. „Ich hätte es mir einfach machen können“, sagt sie. „Ich hätte schweigen können wie so viele. Aber Schweigen ist Zustimmung. Und Zustimmung zu Hass ist Verrat.“
Eine Gesellschaft zwischen Erinnerung und Verdrängung
Dass gerade in Deutschland die Empörung über Israels Verteidigung stärker ist als über das Massaker selbst, hält Preisler für ein moralisches Desaster. „Man hat hier ganze Generationen über Erinnerungskultur reden lassen – und jetzt, wo es darauf ankommt, sieht man, dass das Gedenken an die Shoah zu einer politischen Geste verkommen ist.“
Sie beschreibt den deutschen Umgang mit Israel als schizophren: Auf der einen Seite Gedenkreden und Stolpersteine, auf der anderen das Wegsehen, wenn Juden attackiert werden. „Man sagt nie wieder – und meint nie konkret.“
Ein Appell an den Mut
Karoline Preisler fordert einen klaren Schnitt: keine Entschuldigungen mehr für Antisemitismus unter dem Deckmantel von Antiimperialismus oder Identitätspolitik. „Wer ‚Free Palestine‘ ruft und gleichzeitig Israels Existenzrecht bestreitet, steht nicht für Frieden, sondern für die Auslöschung eines Volkes.“
Sie wünscht sich von Politik und Medien weniger Zynismus und mehr Haltung: „Es reicht nicht, Antisemitismus zu verurteilen. Man muss ihn bekämpfen – auf Schulhöfen, in Universitäten, in der Kunst, im Internet.“
Eine Stimme gegen die Bequemlichkeit
Preisler weiß, dass sie unbequem ist. Aber sie sieht keine Alternative: „Ich bin keine Jüdin, aber ich weiß, was es heißt, wenn eine Gesellschaft ihre Minderheiten nicht mehr schützt. Dann ist sie keine freie Gesellschaft mehr.“
Ihr Engagement macht sie zu einer der wichtigsten Stimmen im aktuellen Diskurs über Antisemitismus in Deutschland. Sie steht damit in einer Reihe mutiger Frauen – von Deborah Feldman bis Ronya Othmann –, die sich dem Hass nicht beugen.
„Ich will nicht, dass man mich mutig nennt“, sagt sie zum Schluss. „Ich will, dass man aufhört, Angst zu haben, die Wahrheit zu sagen.“
Denn diese Wahrheit ist unbequem: Judenhass hat in Deutschland wieder eine Heimat – nicht trotz, sondern wegen derer, die ihn nicht sehen wollen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org(Beachte die drei notwendigen Links zu Autor, Lizenz und Bilddatei in der Quellenangabe.), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=153389196
Samstag, 08 November 2025