Kein Frieden ohne Plan: Warum das Gaza-Abkommen des Trump-Regierung ins Wanken gerät

Kein Frieden ohne Plan: Warum das Gaza-Abkommen des Trump-Regierung ins Wanken gerät


Interne Zweifel, fehlende Struktur, wachsender Druck – in Washington wächst die Sorge, dass der historische Waffenstillstand zu einem neuen Chaos führt.

Kein Frieden ohne Plan: Warum das Gaza-Abkommen des Trump-Regierung ins Wanken gerät

Ein interner Bericht aus der US-Zentrale in Kiryat Gat, veröffentlicht durch Politico, offenbart die tiefe Verunsicherung innerhalb der amerikanischen Regierung: Das ehrgeizige Gaza-Abkommen, das als außenpolitischer Triumph von Präsident Donald Trump gefeiert wurde, droht an fehlender Planung und realpolitischer Umsetzbarkeit zu scheitern. Die Dokumente, die aus einem internen Sicherheitsforum stammen, sprechen von einer „strategischen Lücke“ zwischen der verkündeten Feuerpause und einer nachhaltigen Friedensordnung.

In den 67 Folien, die beim zweitägigen Treffen des US-Zentralkommandos (CENTCOM) und der neuen zivil-militärischen Koordinierungszentrale in Kiryat Gat gezeigt wurden, tauchte ein schlichtes, aber bezeichnendes Symbol auf: ein Fragezeichen zwischen Phase A und Phase B der Umsetzung. Dieses Symbol wurde zum Sinnbild eines Friedensprozesses, der zwar auf dem Papier glänzt, aber in der Praxis kaum Substanz hat.

Zwischen Vision und Wirklichkeit

Das Abkommen sieht zwei Phasen vor. Die erste – weitgehend abgeschlossen – umfasst den Rückzug der israelischen Armee bis zur sogenannten gelben Linie, den Austausch von Geiseln und Gefangenen sowie die massive Zufuhr internationaler Hilfsgüter. In der zweiten Phase soll Gaza entmilitarisiert, eine Übergangsregierung gebildet, eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) stationiert und eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung eingeleitet werden.

Doch laut internen Quellen fehlen zentrale Grundvoraussetzungen: kein handlungsfähiger palästinensischer Partner, keine besetzte „Friedensrats“-Struktur, keine verbindliche Koordinierung der beteiligten Nationen. Ein hochrangiger Teilnehmer der Konferenz brachte es drastisch auf den Punkt: „Alle reden über Frieden aus 40.000 Fuß Höhe – aber keiner weiß, wer unten im Staub stehen und ihn umsetzen soll.“

Ein Vakuum, das Hamas füllt

Die internen Präsentationen zeigen, dass Israel derzeit noch rund 53 Prozent des Territoriums Gazas kontrolliert, während 95 Prozent der Bevölkerung in Gebieten leben, die de facto außerhalb israelischer Kontrolle liegen. Genau dort, so die Zahlen, hat die Terrororganisation Hamas bereits über 7.000 Sicherheitskräfte neu aufgestellt – und nutzt den Machtvakuum nach dem Waffenstillstand, um Strukturen wiederherzustellen.

Auch humanitär ist die Lage prekär. Lediglich etwa 600 Lastwagen mit Hilfsgütern gelangen täglich nach Gaza – weit weniger, als internationale Hilfsorganisationen für notwendig halten. Währenddessen kommt der Aufbau einer zivilen Verwaltung nicht voran. Weder die palästinensische Autonomiebehörde noch unabhängige lokale Akteure verfügen über Legitimität oder Ressourcen, um die Verantwortung zu übernehmen.

Washingtons Dilemma

Für die USA ist die Lage doppelt heikel. Einerseits will Präsident Trump den historischen Erfolg seiner „20-Punkte-Friedensinitiative“ nicht gefährden; andererseits mehren sich in Regierungskreisen Zweifel, ob das Projekt überhaupt steuerbar ist. Laut dem Bericht des Politico gibt es derzeit keine klare Führungsstruktur, keine definierte Rollenverteilung und vor allem keine Länder, die bereit wären, tatsächlich Truppen für die geplante internationale Sicherheitsmission zu entsenden.

Indonesien, Aserbaidschan, Pakistan und die Türkei hätten laut internen Notizen „grundsätzliche Bereitschaft“ signalisiert, fordern jedoch ein offizielles UN-Mandat – und stoßen auf Israels Skepsis, insbesondere im Fall der Türkei. „Die meisten Staaten sind bereit, Geld zu schicken, aber keine Soldaten“, fasste ein Teilnehmer trocken zusammen.

Ein Friedensprojekt ohne Bodenhaftung

Selbst erfahrene Diplomaten zeigen sich alarmiert. David Schenker, ehemaliger Nahost-Beauftragter im US-Außenministerium, warnte, dass „die eigentliche Arbeit erst nach der Feuerpause beginnt“. Der Aufbau eines funktionsfähigen zivilen Systems in Gaza, das weder von der Hamas kontrolliert noch von Israel abhängig ist, sei eine Aufgabe von „jahrzehntelangem Ausmaß“.

Andere Beamte sehen Präsident Trump in einem klassischen Dilemma: Sein außenpolitischer Erfolg steht im Widerspruch zu seiner „America First“-Doktrin. Langfristige militärische Präsenz und intensive Entwicklungsarbeit widersprechen der Idee, amerikanische Ressourcen aus globalen Konflikten herauszuhalten. „Man kann keinen stabilen Frieden am Golf herstellen, wenn man gleichzeitig jede Form langfristiger Verpflichtung ablehnt“, kommentierte ein Offizieller.

Hoffnung und Realität

Das Außenministerium weist die Kritik offiziell zurück. Sprecher Eddie Vasquez betonte, der Bericht spiegle ein „fundamentales Missverständnis“ der laufenden US-Aktivitäten wider. „Alle wollen Teil des historischen Friedensprojekts des Präsidenten sein“, sagte er. „Seit der Veröffentlichung der 20 Punkte erhalten wir täglich Dutzende Vorschläge von Regierungen, Unternehmen und NGOs.“

Auch Außenminister Marco Rubio versuchte, Optimismus zu verbreiten. „Jeder Tag bringt neue Herausforderungen – aber auch Chancen. Wenn es einfach wäre, hätte man es schon vor dreißig Jahren geschafft.“

Doch die Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realität wächst. In Gaza herrscht Unsicherheit, in Israel Misstrauen, in Washington Frustration. Die militärische Stabilität mag erreicht sein – der politische Frieden liegt in weiter Ferne. Ohne handlungsfähige Partner, klare Zuständigkeiten und nachhaltige Strategien droht die Waffenruhe zu einem gefährlichen Schwebezustand zu werden: zu ruhig für Krieg, zu instabil für Frieden.

Der Test für Trumps Nahostpolitik

Das Abkommen mit Gaza war von Beginn an mehr als ein regionales Projekt. Es sollte zeigen, dass amerikanische Diplomatie ohne endlose Friedensprozesse, sondern durch klare Machtverhältnisse funktionieren kann. Doch nun zeigt sich: Macht kann Waffen zum Schweigen bringen, aber keine Zivilgesellschaft aufbauen.

Wenn die USA und Israel keinen glaubwürdigen Verwaltungsrahmen finden, werden andere Kräfte – Iran, Katar, die Hamas – den Raum füllen. Der Erfolg oder das Scheitern dieses Abkommens wird damit zum Prüfstein für die gesamte regionale Sicherheitsordnung. Noch ist die Hoffnung nicht verloren. Aber sie braucht – mehr als große Reden – einen Plan, der auch auf dem Boden der Realität trägt.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: GPO


Dienstag, 11 November 2025

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