Vorwurf der Verharmlosung: Wie Aussagen der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann einen politischen Sturm auslösten

Vorwurf der Verharmlosung: Wie Aussagen der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann einen politischen Sturm auslösten


Bei einem Treffen im ARD-Studio Tel Aviv fielen Worte, die viele jüdische Vertreter als Relativierung der Hamas-Massaker verstehen. Die Reaktionen zeigen, wie gefährlich dehnbar Sprache werden kann, wenn Terror erklärt statt klar benannt wird.

Vorwurf der Verharmlosung: Wie Aussagen der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann einen politischen Sturm auslösten

Ende Oktober besuchte der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle das ARD-Studio in Tel Aviv. Dort kam es nach Angaben mehrerer Teilnehmer zu einem Eklat. Wie die Welt unter Berufung auf Anwesende berichtet, erklärte die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann im Verlauf des Gesprächs, die Massaker der Hamas vom 7. Oktober hätten eine Vorgeschichte. Auf Nachfrage soll sie hinzugefügt haben, man müsse „bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches“ zurückgehen, um diese Vorgeschichte zu verstehen.

Für die Anwesenden war dies ein Moment, an dem die Atmosphäre schlagartig kippte. Rund 1200 Menschen wurden am 7. Oktober von Hamas- und Islamischer-Dschihad-Terroristen ermordet. 253 weitere wurden verschleppt. Diese Verbrechen waren kein historischer Unfall, keine Folge geopolitischer Linienverschiebungen, sondern eine bewusst geplante, ideologisch motivierte Abschlachtung. Die von der Tann zugeschriebene Aussage, man müsse weit zurückliegende Epochen heranziehen, wirkte für mehrere Gesprächsteilnehmer wie ein Versuch, die Brutalität der Täter in eine Erklärung einzubetten, die den moralischen Kern des Ereignisses verwischt.

Spaenle bestätigte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen seine Kritik und sprach offen von einer gefährlichen Relativierung. Seine Warnung ist eindeutig. Wer Massaker dieser Dimension mit einer entfernten historischen „Vorgeschichte“ erklärt, verschiebt die Perspektive weg vom Vernichtungswillen der Täter und hin zu einem Rahmen, der Gewalt als unvermeidbares Produkt der Geschichte erscheinen lässt. Vertreter jüdischer Gemeinden sehen darin ein Muster, das sie seit Jahren kritisieren. Terror wird erklärt, während Opfer unsichtbar gemacht werden.

Im Gespräch, über das die Welt berichtet, ging es auch um die generelle Kritik an der Berichterstattung des ARD-Studios Tel Aviv. Israels Botschafter Ron Prosor hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass Beiträge des Studios das Land einseitig und verzerrt darstellten. Er sprach von einer Dämonisierung Israels. Studioleiter Julio Segador sowie von der Tann wiesen diese Vorwürfe zurück. Die ARD erklärte anschließend, die Arbeit des Studios entspreche professionellen Standards und werde sowohl gelobt als auch kritisiert.

Die Kontroverse bekommt zusätzliche Schärfe durch den Umstand, dass von der Tann am 4. Dezember mit dem Hanns Joachim Friedrichs Preis ausgezeichnet werden soll. Für viele Beobachter ist dies ein irritierender Kontrast. Der Preis soll journalistische Haltung würdigen, die Sachlichkeit und moralische Klarheit vereint. Gerade deshalb stößt die jetzt bekannt gewordene Aussage auf so deutliche Kritik. Denn es geht nicht nur um eine historische Bemerkung, sondern um das Fundament journalistischer Verantwortung. Wer über Israel berichtet, darf die Ursachen des Terrors nicht hinter Nebelwänden der Geschichte verschwinden lassen.

Der Vorfall zeigt, wie sehr Worte Macht besitzen. Und er macht sichtbar, wie sensibel die deutsche Debatte über Israel und Antisemitismus geworden ist. Wenn ein Massaker wie jenes vom 7. Oktober mit einer „Vorgeschichte“ versehen wird, verschiebt sich die moralische Geometrie. Für jüdische Stimmen ist dies nicht nur unsensibel, sondern gefährlich. Denn es relativiert das Unverhandelbare: dass die Täter allein verantwortlich sind.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Superbass - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=153151338


Mittwoch, 26 November 2025

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