Wie Hamas Hilfsorganisationen lenkte: Neue Funde aus Gaza entlarven ein geschlossenes System der KontrolleWie Hamas Hilfsorganisationen lenkte: Neue Funde aus Gaza entlarven ein geschlossenes System der Kontrolle
Dokumente aus Gaza zeigen, wie konsequent die Terrororganisation Hilfswerke infiltrierte, überwachte und für ihre Ziele ausnutzte. Die internationale Debatte über humanitäre Hilfe muss sich dieser Realität endlich stellen.
Die im Gaza-Streifen entdeckten internen Unterlagen der Hamas geben einen Einblick in ein System, das weit tiefer reicht als die bisher bekannten Interventionsversuche der Terrororganisation. Was die israelischen Streitkräfte aus den Büros des Innen- und Sicherheitsministeriums der Hamas sicherten und was NGO Monitor nun ausgewertet hat, beschreibt ein strukturiertes Kontrollregime über internationale und lokale Hilfsorganisationen – ein Regime, das auf Einschüchterung, Überwachung und gezielter Rekrutierung beruhte.
Im Zentrum dieses Systems standen sogenannte Garanten, hochrangige lokale NGO-Mitarbeiter, über die jede Einreise, jeder Aufenthalt und oft jeder operative Schritt ausländischer Mitarbeiter lief. Diese Personen waren das Nadelöhr, durch das sämtliche internationalen Organisationen gehen mussten – und sie waren der Schlüssel für Hamas, um gezielt Einfluss zu nehmen.
Ein teilweise freigegebenes Dossier des Innenministeriums vom Dezember 2022 beschreibt diese Garanten offen als potenzielle nachrichtendienstliche Ressource. Die Sicherheitsdienste sprechen davon, dass ihre erfolgreiche Nutzung zur Unterwanderung ausländischer Organisationen ein herausragender Erfolg wäre. Die Dokumente zeigen klar, was Hamas wollte: Zugang zu Mitarbeitern, Bewegungen und internen Abläufen internationaler Hilfswerke – und Kontrolle über Informationen, die die Weltöffentlichkeit normalerweise als neutral betrachtete.
Dabei ging es nicht nur um Einreisegenehmigungen. Der Punkt war strategisch: Hamas wollte erreichen, dass möglichst viele Hilfsorganisationen ihre Kontakte bei Ausreise, Zugang und Genehmigungen über die Abteilung für Internationale Beziehungen der Hamas liefen lassen. Die Institution, die offiziell außenpolitische Anliegen bearbeiten sollte, wurde damit bewusst zu einem Kanal, in dem sich NGOs einreihen mussten, wenn sie in Gaza arbeiteten.
Ein Detail, das das Ausmaß der Kontrolle verdeutlicht: Früher konnten niedrigere NGO-Positionen Anträge stellen. Hamas änderte das: Nur noch hohe Funktionsträger durften offiziell Ausländer beantragen, um die Kontrolle zu zentralisieren. Das macht die Garanten zu unmittelbar relevanten Zielen für Erpressung, Überwachung oder Rekrutierung.
Das 2022-Dossier listet 55 Garanten aus 48 Organisationen. Die Informationen reichen weit über berufliche Angaben hinaus: religiöse Observanz, politische Loyalitäten, Vermögenssituation, familiäre Bindungen zu Terroristen, moralische Schwächen, Ruf im Umfeld. Ein solches Dokument dient nicht der Bürokratie, sondern der Einschüchterung und Steuerung.
In zahlreichen Fällen tauchen direkte oder indirekte Hamas-Bezüge auf. Ein Vertreter der italienischen NGO CESVI war laut dem Dossier verheiratet mit einem Hamas-Unteroffizier und galt als loyal. Ein Verantwortlicher von Rahma Worldwide hatte laut Dokument zuvor salafistische Bindungen und wechselte später zur Hamas. Human Appeal wurde von Hamas als kooperationsbereit eingestuft. Die El-Baraka-Organisation, die später in den USA wegen Terrorfinanzierung sanktioniert wurde, erscheint im Dokument als bewusst eingebunden in die Strukturen der Hamas.
Das Bild ist nicht einheitlich: Einige NGOs widersprechen vehement. Das International Medical Corps besteht darauf, dass keiner ihrer Mitarbeiter Hamas-Verbindungen hatte und niemals Druckversuche unternommen wurden. Save the Children und IMC wiesen Berichte zurück, sie seien bestraft worden. MAP UK sagte, es gebe keine Position mit dem Titel, den das Dossier erwähnt. Oxfam betont strikte Sicherheitsprüfungen und verweist auf internationale Screening-Verfahren, die jeden Verdacht ausschließen sollten.
Doch die Hamas-Unterlagen dokumentieren Fälle, die selbst innerhalb eines hochregulierten Hilfssystems beunruhigend wirken. Ein Dokument aus dem Jahr 2021 beschreibt, wie ein Mercy-Corps-Direktor unter Druck gesetzt wurde, interne Informationen zu liefern – und wie die Hamas aktiv empfahl, ihn weiter auszunutzen. Ein internes Papier aus dem Jahr 2020 fordert ausdrücklich dazu auf, Garanten für technologische oder menschliche Infiltration internationaler Organisationen zu nutzen.
Weitere Unterlagen zeigen, wie Hamas lokale Firmen benutzt hat, die als Subunternehmer für NGOs dienten – oftmals mit Nähe zu Hamas-Strukturen. Solche Firmen sollten Projekte steuern, die Auswirkungen auf sicherheitsrelevante Gebiete hatten, etwa Oxfam-Bauvorhaben oder Bewässerungspläne, damit diese Vorhaben keine Hamas-Anlagen oder Tunnel gefährden. Ein Dokument beschreibt, wie Oxfam-Umfragen redigiert wurden, um keine Fragen zu erlauben, die Informationen über das operative Netzwerk der Hamas preisgeben könnten.
Dasselbe System griff auf Finanzdaten zu. Berichte aus 2019 und 2020 belegen, dass Hamas Organisationen unter Druck setzte, interne Verwaltungs- und Finanzunterlagen bereitzustellen. NGOs, die dies verweigerten, wurden behindert, blockiert oder administrativ bestraft. Ein solches Vorgehen dient keinem neutralen Verwaltungszweck – es ist ein Instrument politischer und ökonomischer Kontrolle.
NGO Monitor fasst diese Struktur so zusammen: NGOs in Gaza agierten nie in einem neutralen Umfeld. Es existierte ein institutionalisierter Rahmen aus Zwang, Einschüchterung und Überwachung, der dazu diente, die humanitären Strukturen für die Ziele der Hamas zu nutzen. Und in einem Umfeld, in dem ausländische Helfer von lokalen Garanten abhängig waren, war jede Organisation verletzbar.
Der Befund ist für die internationale Gemeinschaft hochrelevant. Denn just in diesem Moment planen Regierungen und multilaterale Institutionen, Milliarden für den Wiederaufbau Gazas bereitzustellen – oft über genau jene Strukturen, die die Hamas über Jahre kontrolliert und infiltriert hat. Die Behörden wollen Wasserleitungen, Schulen, Kliniken, Elektrizitätsnetzwerke, kommunale Versorgung und Bargeldhilfen über NGOs abwickeln. Doch die Dokumente machen deutlich, wie anfällig dieses System war – und wieder wäre.
Gerald Steinberg von NGO Monitor formuliert es scharf: Jetzt, da Milliarden fließen sollen, ist klar, welche Organisationen und lokalen Partner jahrelang Teil eines Systems waren, das die Terrorherrschaft stabilisierte. Er fordert, die Erkenntnisse als Grundlage für eine internationale Prüfung aller Gaza-NGOs zu nutzen, bevor neue Gelder fließen.
Was die Dokumente zeigen, ist kein Nebenaspekt des humanitären Systems. Es ist sein blinder Fleck. Und wer Gaza jetzt neu aufbauen will, ohne diese Erkenntnisse in den Mittelpunkt zu stellen, läuft Gefahr, erneut eine Parallelstruktur zu stärken, die das Leid der Bevölkerung nutzt – nicht lindert.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Mittwoch, 03 Dezember 2025